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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Wir sind doch keine Dodos

Am Anfang war der Dodo, am Ende nicht mehr. Das kam so:

Der Dodo als sol­cher, also mehr­fach weib­lich und männ­lich, leb­te herr­lich und in Freu­den auf sei­ner Pazi­fik-Insel im wei­ten, wei­ten Stil­len Oze­an. Wahr­schein­lich seit tau­sen­den von Jah­ren. Es hät­te alles so schön sein können!

Lei­der tauch­ten plötz­lich selt­sa­me höl­zer­ne Gefähr­te auf, die schwim­men konn­ten. Mit ihnen kamen wei­ße Män­ner auf die Insel, wel­che Grip­pe­vi­ren, die Syphi­lis und ein wei­ßes Pul­ver mit­brach­ten, das höl­lisch krach­te. Danach war man tot. Über­haupt brach­ten die­se Leu­te, die sich Chri­sten nann­ten, dadurch den Tod in gewal­ti­gem Umfang in die Süd­see. Aber die Män­ner brauch­ten sich gar nicht so anzu­stren­gen und ihr Pul­ver zu ver­schie­ßen, denn den Dodo und sei­ne Frau und sei­ne Kin­der konn­te man ein­fach so fan­gen. So spar­ten sie sich das Pul­ver auf für die Men­schen, die auf ande­ren Inseln lebten.

Auf der Insel Mau­ri­ti­us, die natür­lich nicht so hieß – alles in der Welt hieß anders, die Euro­pä­er waren die letz­ten, die die Welt ent­deck­ten –, leb­ten damals nur Tie­re. Der Dodo, der nach den Kate­go­rien wei­ßer und wei­ser Män­ner zu den Tau­ben­vö­geln gehö­ren soll, leb­te jeden­falls dort unge­stört von ein­hei­mi­schen und frem­den Men­schen und in Frie­den mit den ande­ren Tieren.

Das änder­te sich. Nach­dem die See­fah­rer die Insel erst ein­mal ent­deckt hat­ten, kamen sie immer wie­der, man­che lie­ßen sich dort nie­der. Obwohl der komi­sche Vogel nicht so gut schmeck­te, töte­ten sie ihn nach Belie­ben. Er ließ sich leicht fan­gen, denn er kann­te kei­ne Fein­de und der lie­be Gott hat­te ver­ges­sen, ihm das Flie­gen bei­zu­brin­gen. Das wäre sehr wich­tig gewe­sen, wenn man euro­päi­schen Erobe­rern ent­kom­men möchte.

So geschah es – und der lie­be Gott ließ das aus uner­find­li­chen Grün­den unfai­rer­wei­se zu –, dass die Dodos immer weni­ger wur­den. Erzählt wird, dass irgend­wann im 17. Jahr­hun­dert ein besof­fe­ner eng­li­scher Matro­se einen Dodo mit dem geziel­ten Wurf einer noch halb­vol­len Fla­sche Whis­ky töte­te. Erst spä­ter wur­de mit Erschrecken fest­ge­stellt, dass es der letz­te gewe­sen war.

Aber so geht es den Euro­pä­ern bis heu­te häu­fig: Erst neh­men sie alles in Besitz, dann nut­zen sie es für ihre Zwecke. Und ihr selt­sa­mes Wirt­schafts­sy­stem befiehlt ihnen, den Ver­brauch bis zum Letz­ten zu stei­gern. Und wenn dann alles weg ist oder sie selbst einen Virus, ob Grip­pe oder etwas ande­res, mit­krie­gen, sind sie ganz erschrocken. Solan­ge sich gesund­heit­li­che oder ande­re Kata­stro­phen weit ent­fernt, wie die Euro­pä­er mei­nen, abspie­len, sind sie ihnen ziem­lich egal.

Offen­sicht­lich hat der lie­be Gott ver­ges­sen – ihr lie­ber Gott, den sie am lieb­sten der gan­zen Welt auf­zwin­gen möch­ten –, ihnen ein Immun­sy­stem gegen man­che Viren mit­zu­ge­ben. Aber jetzt hat der höch­ste Ver­tre­ter des Boden­per­so­nals, also der katho­li­sche Papst, ver­spro­chen, mal mit dem lie­ben Gott, den er den Herrn nennt, zu reden. So kann das nicht weitergehen.

Wir sind doch kei­ne Dodos!