Das rief die deutsche Außenministerin den Delegierten der UN-Versammlung am 26. September 2024 in New York zu! »Ja«, möchten wir ihr beipflichten. Wir brauchen Frieden, um die Lebensbedingungen aller in der Welt zu verbessern. Wir brauchen Zusammenarbeit. Und wenn die Außenministerin sagt, dass »Frieden bedeutet, dass die Existenz der Ukraine als freies und unabhängiges Land garantiert ist«, möchten wir ihr ebenfalls zustimmen. Wie wir dorthin kommen? Eine Leerstelle der Bundesregierung. Sie setzt auf Weiter so, auf Eskalationsdynamik, auf den Zwang zu neuen Waffenlieferungen und später die Entsendung von Soldaten, weil beides in der Ukraine knapp wird.
Solange die Atommacht Russland mit ihrer Armee in der Ukraine steht, sagt der Realismus, sterben Menschen, stirbt die Ukraine. Der Tod kann nur durch Waffenstillstand und Verhandlungen aufgehalten werden und nicht durch Eskalation. Und letztens: Auch Russland, wie jedes andere Land, braucht Frieden als Voraussetzung für ein gutes Leben seiner Bevölkerung, braucht Sicherheit. Und weiter: Russland wird den »Siegesplan« Selenskyjs nicht akzeptieren. Das bedeutet: Bleiben beide Seiten hart, Eskalation! Nato-Truppen in die Ukraine und sogar Atomkrieg! Wer diese Richtung befeuert, eskaliert: denn Eskalation ist ein beidseitiger spiralförmig betriebener Prozess.
Selenskyjs verzweifelter Plan und dessen Umsetzung würde die Eskalationsdynamik weiter verschärfen. Präsident Biden und Bundeskanzler Scholz schrecken (noch) davor zurück, die geforderten weitreichenden Raketen zu liefern, dafür jedoch Streumunition und Gleitbomben. Den parafierten Istanbuler Vertragsentwurf im April/Mai 2024 hat der »Westen« im Glauben auf militärische Siege verstreichen lassen, dafür Hunderttausende Opfer und Zerstörung in Kauf genommen.
Die Rechtsgrundsätze der Vereinten Nationen, das Gewaltverbot und Friedensgebot wurden seit 1990 mehrfach gebrochen. Auch von Russland. Die KSZE-Verträge, den Frieden zu wahren, Abrüstung und Zusammenarbeit der Staaten herzustellen und den Schutz der Menschenrechte zu garantieren, sind gebrochen worden. Auch von Russland.
Frieden schaffen, hieß früher und heißt aktuell, dass Sicherheit nur als gemeinsame das (Über-)leben der Menschen dauerhaft ermöglichen kann. Nicht durch Konfrontation, Gewalt und Krieg.
Das bedeutet: »Ende aller Kriegshandlungen.« Das bedeutet: »Rückkehr zu ernsthaften Verhandlungen.« Das bedeutet, eine Gesprächsführung sich (wieder-)anzueignen, die akzeptiert, dass andere Staaten Sicherheit für sich, für ihren Staat, anders definieren als der »Westen« oder als China und Indien für sich. Hieraus ergibt sich logischerweise, zu verhandeln – oder Untergang. Erst dann können Abrüstung und Abbau der Gewaltanwendung folgen.
Zur Vorgeschichte des Kriegs Russlands gegen die Ukraine gehören aus Putins Sicht die Ergebnisse der 1990er Jahre, die er in seiner Rede im Deutschen Bundestag im Jahr 2001 benennt und sechs Jahre später in seiner »Klartextrede« auf der Münchner Sicherheitskonferenz zuspitzt: Russland nicht als gleichberechtigt in Europa anerkannt zu haben. Die »Maidan«-Ereignisse 2013/2014 und die Krimbesetzung durch russische Soldaten sind Folgen von Nationalismus auf allen Seiten, von Einmischung, Eskalation und Wirren, auf die der »Westen«, insbesondere die USA, Einfluss genommen hat.
Ansätze zu einer gemeinsamen Friedensordnung in Europa haben sich nach Auffassung Russlands verflüchtigt, Gemeinsamkeiten sind nicht ausgebaut worden. Dagegen förderten die Staaten Konflikte und Gewalteinsatz. Anders als über diese Konfliktsituationen zu sprechen, zu Lösungen zu gelangen, mit einem Modus Vivendi für alle Seiten, können Waffenstillstand und Frieden nicht erreicht werden, geschweige denn dauerhaft sein. Anerkennen bedeutet, den anderen Staat, dessen Kultur und Existenz, als gleiches Subjekt zu akzeptieren.
Die historische Schuld der Europäer und der Vereinigten Staaten liegt darin, diese Grundsätze gegenüber Russland unter Gorbatschow und Jelzin nicht respektiert zu haben, gemeinsame Sicherheit in Europa eigenen Machtinteressen und geopolitischen Ambitionen untergeordnet zu haben. Gleichzeitig versäumte das EU-Europa einen eigenen Friedensplan für ein neues Europa zu entwickeln, das Gemeinsame Sicherheit zum Ziel hatte. Auch dafür gibt es einen Hauptverantwortlichen auf der anderen Seite des Atlantiks.
Alle, die leidenden Völker dieser Erde und die Wohllebenden, brauchen Frieden. Wollen wir warten, bis die Zeit dafür »reif« ist, wie Regierungspolitiker und Militärexperten den Kriegsgegnern entgegenschleudern? Wollen wir in der Ukraine und anderswo auf die Schrecknisse eines langdauernden Stellungskrieges wie 1916 warten, auf ein langsames Vorrücken der russischen Armee, auf die Fortsetzung des Mordens, das Leben Hunderttausender dahinrafft? Wollen wir auf den Atomkrieg warten? Wie er sich an der Kuba-Krise zu entzünden drohte? Kennedy und Chruschtschow konnten, glücklicherweise, einlenken und umdenken. Aus der Türkei und Kuba wurden die Atomraketen abgezogen. Weil wir nicht auf das Glück setzen dürfen, dass richtige Personal an der richtigen Stelle zu haben, um die Eskalation einer Ausweitung der Kriege zu verhindern, sind Waffenstillstand und Verhandlungen jetzt zwingend. Die Alternative bedeutet: Anarchie der Gewalt.