Kürzlich fragte ich eine sprachbewusste Freundin aus der sprachbewussten Mitte Deutschlands (Frankfurt am Main), warum man eigentlich neuerdings die Begriffe Shutdown und Lockdown allüberall nutze, statt zum Beispiel Stillstand oder Ausgangssperre oder Abriegeln oder Schließung, bei denen man doch viel differenzierter … Sie hörte mich verwundert an (selbstverständlich sprachen wir nicht von Angesicht zu Antlitz, um alte deutsche Begriffe zu verwenden): Stillstand! Das hört sich so hart an!
Der brave Deutsche spricht lieber weich.
Schauen wir mal bei Wikipedia die englische – beziehungsweise US-amerikanische – Herkunft von Lockdown und Shutdown an: »In den USA bezeichnet man als ›Shutdown‹ eine Schließung des gesamten staatlichen Verwaltungsapparates, nachdem sich das Repräsentantenhaus und der Präsident nicht über einen neuen Haushaltsplan einigen konnten. Dieser Begriff bezeichnet also einen verwaltungstechnischen Vorgang und hat mit einer medizinischen ›Krise‹ wenig zu tun.«
»Ein ›Lockdown‹ hingegen beschreibt das Abriegeln von allen Gebäuden oder eines ganzen Gebietes im Falle eines Attentates oder eines Amoklaufes.«
Der brave, aber immer bissel angeberische Deutsche übernimmt also eher juristische anglo-amerikanische Begriffe, ursprünglich ganz klar abgegrenzt, um nicht harte, klare, genaue, eigene Wörter verwenden zu müssen, die leider nicht frisch – fresh – klingen. Wenn aber von ZDF-»heute-journal« bis FAZ, von ARD-»Anne Will« bis Bild alle shut- und lockdownen?
Damit die denkende Leserin und der nachdenkende Leser jetzt gut beschäftigt sind, bieten wir eine einigermaßen alphabetisch geordnete Liste von Begriffen mit winzigen Nachfragen. Es heißt Badminton – ist das dem Federball ähnlich? Das eine ist professionell, das andere ein Jedermannssport. Darf man aber solche Eigenbau-Wörter verwenden? Oder heißt es korrekt (correct) sport for everybody?
Der Blickfang war immer der Blickfang, jetzt ist es der eye catcher. Beim Chillen scheint klar: Das klingt straffer und beschäftigter als Ausruhen. Früher kontrollierte man, es gab sogar mal die Qualitätskontrolle, jetzt herrscht überall das Controlling. Sogar aus dem Fußball, wichtigste Tätigkeit, wie wir im Stillstand merkten, wird neuerdings Soccer. Warum die Hausandacht jetzt Homechurching heißt? Es gibt ja auch nur einen Gott, der entweder My God! oder Godfather heißt. Alle Arten Beschulung fasst man unter schooling zusammen. Der heimische Arbeitsplatz ist sicherlich als Wortzusammensetzung einigermaßen lang – aber er wurde ja gerade recht lange genutzt. Die Medienwelt hat sich auf Homeoffice geeinigt, auf oder in oder bei dem auch nicht mehr Telearbeit – klingt wirklich bissel altfränkisch – sondern homeworking geleistet wird, was auch eine Hausaufgabe sein könnte. Ob man zwischendurch das Stehfahrrad oder doch den Hometrainer zum Ausgleich (Chillen!) nutzt, das ist sogar eine Sache der Denkweise. Dieses Wort kennt nun wirklich niemand mehr, seit es mind set gibt. Statt der Liste nutzen wir list – das haben wir schon zu Beginn dieser Aufstellung falsch gemacht. Und den Ort gibt es schon lange nicht mehr, sondern allzeit die Location, was in diesem Fall schon der Länge wegen breit und lang und also bedeutend klingt. Schicken wir noch Nachrichten oder ist’s immer eine Message? Dem Netz entnehmen wir einen Buchstaben zum Net. Und ob wir beim Lockdown draußen sein dürfen? Wenn wir outside sagen, gewiss.
Ob irgendjemand Hinfahrkarte, Rückfahrkarte oder gar Sonntagsrückfahrkarte (DDR-Omis fragen) nutzt, wo doch alles One-Way-Ticket ist? Den überaus bildhaften Begriff Zeitlupe versteht kein Schwein, also kein Jugendlicher (Youngster) mehr, seit alle nur noch Slow Motion sagen, weil auch Speed einfach schneller als die Geschwindigkeit ist. Schließen wir mit ein paar Arbeitswelt-Begriffen, wo nichts mehr übertragen wird, seit es Transfer gibt. Wer dort kein Workoholic ist – klingt viel netter als das Arbeitstier – bekommt eine warning. Auch das ist hübscher als die Abmahnung.
Vermutlich bekomme ich, der Contentmaker, jetzt eine solche vom User. Weil ich behaupte, einen Text, eine Glosse, einen Artikel oder einen Beitrag geschrieben zu haben.
Dabei ist alles nur noch Projekt.