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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Westafrikas Fisch – für wen?

Am 12. Novem­ber ver­ließ die Dele­ga­ti­on der Euro­päi­schen Uni­on den Ver­hand­lungs­tisch in Dakar und ver­zich­te­te auf eine Ver­län­ge­rung des erst­mals 1980 unter­schrie­be­nen Fische­rei-Abkom­mens von 2020. Bereits zwei­mal, in den Jah­ren 2006 und 2014, war das Abkom­men sus­pen­diert gewesen.

43 indu­stri­ell aus­ge­rü­ste­te Fang­schif­fe, näm­lich 28 Thun­fisch­schwarm­fän­ger, 10 Thun­fisch­fän­ger mit Angeln, 5 Thun­fisch-Lang­lei­nen­fi­scher und zwei See­hecht­fän­ger sind damit aus den sene­ga­le­si­schen Gewäs­sern ent­lang der 712 km lan­gen Küsten­li­nie ver­bannt. Die pro Jahr ver­blei­ben­den 10.000 t Thun­fisch und 1.750 t See­hecht müs­sen sie nun­mehr in den Nach­bar­staa­ten wie Mau­re­ta­ni­en oder Cote d’Ivoire fan­gen, von den geschätz­ten 4.000 t »Bei­fang« ganz zu schwei­gen, der Berech­nun­gen von Green­peace zufol­ge durch­schnitt­lich etwa ein Vier­tel beträgt. Ein Bei­spiel, das den Appe­tit ver­schlägt: Ein Krab­ben­kut­ter fängt für 200 kg Cre­vet­ten fünf Ton­nen Fisch als Beifang.

Das gewähl­te Tan­dem Bas­si­rou Faye (Staats­prä­si­dent) und Ous­ma­ne Son­ko (Pre­mier­mi­ni­ster) hat­te im Wahl­kampf das Fische­rei­ab­kom­men (APP) mit der EU als »neo­ko­lo­ni­al« ange­pran­gert. Die­ses Abkom­men sei »für den Sene­gal nicht von Vor­teil«, so Ous­ma­ne Son­ko auf einem Mee­ting am 29. Okto­ber. Prä­si­dent Faye hat­te den Ver­hand­lun­gen vor­ge­ge­ben, dass »min­de­stens 80 Pro­zent der Res­sour­cen dem Sene­gal vor­be­hal­ten blei­ben« sollen.

Sene­gal wird die jähr­li­che Aus­gleichs­zah­lung der Euro­päi­schen Uni­on in Höhe von 8,5 Mio. Euro ver­schmer­zen – zugun­sten der Ver­tei­di­gung sei­ner tra­di­tio­nel­len Fische­rei. Etwa 600.000 Men­schen leben im Sene­gal vom Fisch­fang. Und zwei Drit­tel der Fischer gaben in einer aktu­el­len Umfra­ge an, dass sie weni­ger ver­die­nen als vor fünf Jah­ren, mit ihren Piro­gen und klei­nen Boo­ten immer wei­ter hin­aus­fah­ren müs­sen und mit weni­ger Fisch nach Hau­se kom­men wegen der Grund­schlepp­netz-Prak­ti­ken der gro­ßen Fische­rei­schif­fe, vor allem aus der EU und China.

Am 16. Sept. 2023 ver­ein­bar­ten Sene­gal und Nach­bar Gam­bia mit 80 km Küste, die Indu­strie­fi­sche­rei zu beschrän­ken und die Über­wa­chung zu ver­stär­ken, um den Fisch­be­stand zu schüt­zen. 20 Pro­zent der welt­weit ille­gal gefisch­ten Beu­te wird in West­afri­ka gestohlen.

Gegen ille­ga­les Fischen hat­te die sene­ga­le­si­sche Regie­rung letz­tes Jahr 150 Mio. Dol­lar inve­stiert, im Janu­ar die Stra­fen dra­stisch ange­ho­ben (zwi­schen 611.000 bis 916.000 Euro) und außer­dem eine Liste mit den auto­ri­sier­ten Fischer­boo­ten ver­öf­fent­licht, so Ste­ve Trent, Grün­der von »Envi­ron­men­tal Justi­ce Foun­da­ti­on«. So wur­den nach Anga­ben des Mini­ste­ri­ums allein im ersten Halb­jahr vier­und­zwan­zig Fisch­trai­ler mit Stra­fen belegt.

Marok­ko ließ 2023 das Abkom­men mit der Euro­päi­schen Uni­on aus­lau­fen, und der EU-Gerichts­hof (CJUE) annul­lier­te das Abkom­men defi­ni­tiv im Okto­ber die­ses Jah­res. Libe­ria und Äqua­to­ri­al-Gui­nea las­sen das Abkom­men seit Jah­ren ruhen.

Bereits 2018 hat­te der klei­ne ost­afri­ka­ni­sche Insel­staat Komo­ren der Euro­päi­schen Uni­on das seit 2008 bestehen­de, offi­zi­ell gegen ille­ga­le Fische­rei gerich­te­te Abkom­men auf­ge­kün­digt und auf 300.000 Euro euro­päi­sche Sub­ven­ti­on verzichtet.

Für die EU wird es schwie­ri­ger, mit »Ent­wick­lungs­hil­fe« ver­bun­de­ne Abkom­men zu schlie­ßen. Ihr Haupt­ar­gu­ment, der Kampf gegen ille­ga­les Fischen, gerich­tet vor allem gegen Chi­na, wird nun­mehr durch eine län­der­über­grei­fen­de, satel­li­ten­ge­stütz­te Küsten­wa­che am Golf von Gui­nea über­nom­men, die zudem die Pira­te­rie wirk­sam bekämpft. Den World Car­go News zufol­ge sind Pira­ten­über­fäl­le im Golf von Gui­nea in den ersten neun Mona­ten des Jah­res auf den nied­rig­sten Stand seit 28 Jah­ren gefallen.

Des Wei­te­ren zwingt die aku­te Ernäh­rungs­un­si­cher­heit, den devi­sen­fres­sen­den Nah­rungs­mit­tel-Import zu redu­zie­ren und die Ent­wick­lung mehr auf den Aus­bau lan­des­ei­ge­ner Nah­rungs­quel­len zu rich­ten, wie die Ver­grö­ße­rung der Anbau­flä­chen für Getrei­de und die Moder­ni­sie­rung der loka­len Fischerei.

Doch die west­lich ori­en­tier­te Regie­rung der Elfen­bein­kü­ste hat am 21. Novem­ber das seit 2008 bestehen­de Fische­rei­ab­kom­men (APPD) mit der Euro­päi­schen Uni­on erneu­ert. Es soll aber statt sechs Jah­re nur mehr vier Jah­re gel­ten, statt 36 schwim­men­de Fisch ver­ar­bei­ten­de Fabri­ken sol­len 32 mit dem Schlepp­netz Jagd auf Thun­fisch machen. Aber die Fang­quo­te wur­de dafür um 600 Ton­nen auf 6.100 Ton­nen pro Jahr erhöht. Dafür bezahlt die EU 41.000 Euro pro Jahr mehr, also 2,9 Mio. Euro in den vier Jahren.

Nach der Fisch­fang-Sta­ti­stik des Fisch-Komi­tees für West-Cen­tral Golf von Gui­nea (FCWC) wur­den vor der Elfen­bein­kü­ste 2023 im indu­stri­el­len Fisch­fang 15.410 t gefan­gen. Ein Groß­teil wird zu Fisch­mehl ver­ar­bei­tet, das zu 70 Pro­zent in der Aqua­kul­tur und zu 18 Pro­zent als Schwei­ne­fut­ter ver­wen­det wird. Dem­ge­gen­über fin­gen die ivo­ri­schen Fischer im »hand­werk­li­chen« Fisch­fang knapp 40.000 t.

Grob über­schla­gen heißt das nichts ande­res, als dass aus­län­di­sche Fische­rei-Unter­neh­men etwa ein Drit­tel des Fisches aus der Elfen­bein­kü­ste weg­fi­schen – zum Nach­teil der Küsten­fi­scher. Nach den Daten des ivo­ri­schen Mini­ste­ri­ums für Tier- und Fisch­res­sour­cen sind in dem Sek­tor mehr als 680.000 Beschäf­tig­te (meist klei­ne Fischer) tätig. Im deut­li­chen Kon­trast dazu: Im Jah­re 2022 impor­tier­te die Elfen­bein­kü­ste für 736 Mio. Dol­lar gefro­re­nen Fisch.