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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Westafrika: Profitgier statt Hilfe

Die Sahel­zo­ne, West­afri­ka – Schau­platz für ein geo­po­li­ti­sches Trau­er­spiel, das die west­li­che Welt, aber auch neue Spie­ler wie Russ­land und Chi­na, in einem kläg­li­chen Ver­sa­gen ent­blößt. Unter der Fah­ne von Anti-Ter­ror-Mis­sio­nen und wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen mar­schier­ten west­li­che Kräf­te wie Frank­reich und die USA einst vor­an, nur um sich in den letz­ten Jah­ren hastig zurück­zu­zie­hen, ein Macht­va­ku­um hin­ter­las­send, das gna­den­los von jiha­di­sti­schen Grup­pen wie Al-Qai­da und dem Isla­mi­schen Staat gefüllt wur­de. In Mali, Bur­ki­na Faso und Niger brei­ten sich Ter­ror­zel­len in einem bei­spiel­lo­sen Tem­po aus, Städ­te wie Bamako ste­hen unter stän­di­ger Bedro­hung. Der Westen, der sich zu lan­ge auf mili­tä­ri­sche Mus­kel­spie­le ver­las­sen hat, hat den poli­tisch-mora­li­schen Kom­pass längst verloren.

Und was bleibt jetzt? Russ­land und Chi­na wit­tern ihre Chan­ce. Der Ein­satz rus­si­scher Wag­ner-Söld­ner in Mali ist weni­ger die Lösung eines Pro­blems als viel­mehr die Ver­schie­bung der Macht in Rich­tung eines neu­en Des­po­tis­mus. Die Mili­tär­jun­tas, die sich von Frank­reich und den USA abwen­den, set­zen auf die­se bru­ta­len Akteu­re, die mit eiser­ner Faust und geo­po­li­ti­schem Kal­kül vor­ge­hen. Doch die Extre­mi­sten wer­den nicht durch mehr Gewalt besiegt. Die Gebie­te, die Russ­land »sichert«, gera­ten den­noch in die Hän­de der Ter­ro­ri­sten. Der Zynis­mus ist kaum zu über­bie­ten: Wäh­rend die rus­si­schen Söld­ner ihr blu­ti­ges Hand­werk voll­zie­hen, befeu­ert Chi­na die Infra­struk­tur – schein­bar altru­istisch, aber mit Blick auf Boden­schät­ze und lang­fri­sti­ge geo­po­li­ti­sche Gewinne.

Der Westen jedoch hat sich mora­lisch bla­miert. Frank­reich, das sich einst als Schutz­herr der Regi­on ver­stand, zieht sich zurück, als ob man die Ver­ant­wor­tung wie eine alte Last able­gen könn­te. Die USA fol­gen im Gleich­schritt und über­las­sen die Regi­on nun Mäch­ten, die nicht weni­ger eigen­nüt­zig agie­ren. Ein klas­si­sches Lehr­stück des Impe­ria­lis­mus: Es geht nicht um die Men­schen vor Ort, nicht um den Frie­den, son­dern um Macht und Profit.

Frie­dens­po­li­tisch wäre der Ansatz eigent­lich klar: Es bedarf einer voll­stän­di­gen Abkehr von der mili­tä­ri­schen Logik. Nicht mehr Waf­fen­lie­fe­run­gen, Droh­nen­schlä­ge oder frag­wür­di­ge Söld­ner­trup­pen soll­ten den Ton ange­ben, son­dern Diplo­ma­tie, Ent­wick­lungs­hil­fe und der Auf­bau sta­bi­ler, demo­kra­ti­scher Struk­tu­ren. Regio­na­ler Dia­log, ver­stärk­te Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit und wirt­schaft­li­che Pro­gram­me könn­ten den Nähr­bo­den für Extre­mis­mus aus­trock­nen. Pro­jek­te, die die Armut min­dern, Aus­bil­dung schaf­fen und den Kli­ma­wan­del adres­sie­ren, sind unab­ding­bar. Ins­be­son­de­re der Kli­ma­wan­del befeu­ert die Kon­flik­te in der Regi­on, da Bau­ern und Vieh­züch­ter immer stär­ker um knap­per wer­den­de Res­sour­cen kämp­fen müs­sen. Eine nach­hal­ti­ge Land­wirt­schafts­po­li­tik und der Auf­bau von Was­ser­in­fra­struk­tu­ren könn­ten hier helfen.

Doch das geo­po­li­ti­sche Spiel der Groß­mäch­te, die alle­samt eige­ne Inter­es­sen ver­fol­gen, macht die Lage kom­plex. Der Kapi­ta­lis­mus in sei­ner gie­rig­sten Form treibt alle Akteu­re vor­an – ob es nun der Westen, Russ­land oder Chi­na ist. Ihre Frie­dens­rhe­to­rik ist hohl, ihre wah­ren Absich­ten durch­schau­bar. West­afri­ka ist längst zu einem Test­feld für die näch­ste Pha­se glo­ba­ler Macht­kämp­fe gewor­den. Der Ter­ro­ris­mus in der Regi­on ist nicht nur ein loka­les Phä­no­men, son­dern Teil eines grö­ße­ren Spiels, in dem Gewalt, Res­sour­cen und poli­ti­sche Ein­fluss­sphä­ren mit­ein­an­der ver­floch­ten sind.

Die Tra­gö­die ist, dass die Men­schen in der Sahel­zo­ne die Haupt­leid­tra­gen­den blei­ben. Sie flie­hen in Mas­sen nach Euro­pa, ver­su­chen, den Ter­ror und die wirt­schaft­li­che Mise­re hin­ter sich zu las­sen. Doch ohne eine grund­le­gen­de Neu­aus­rich­tung der inter­na­tio­na­len Poli­tik und einen ech­ten frie­dens­po­li­ti­schen Pro­zess wird die Regi­on wei­ter­hin ein gefähr­li­cher Brenn­punkt blei­ben – nicht nur für Afri­ka, son­dern für die gesam­te Welt. Wenn die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft die Regi­on nicht kon­se­quent sta­bi­li­siert, könn­ten die Kon­se­quen­zen unkon­trol­lier­bar werden.

Die Welt hat kei­ne Zeit mehr für hoh­le Phra­sen. Der Westen muss die Sahel­zo­ne vor allem wirt­schaft­lich und poli­tisch neu den­ken, um ein end­gül­ti­ges Abdrif­ten in Cha­os und Ter­ror zu verhindern.