Was ist meine Lebensversicherung morgen noch wert? Was mein Haus? Was meine Aktien? In welche Werte kann ich investieren, um mich vor einem Verlust von Werten zu schützen? Um meine Rente zu sichern. Oder die Ausbildung meiner Kinder. In Gold vielleicht? In Rohstoffe oder in Nahrungsmittel? In Kunst? Was ist, wenn sicher geglaubte »Wertanlagen« sich plötzlich als »wertlos« herausstellen? Weil »der Markt« oder der Hype in eine andere Richtung laufen? Pflegeimmobilien statt Ackerland. Kupfer statt Getreide. Palmöl statt Sojabohnen. Welchen Wert etwa wird der Regelsatz von Hartz IV morgen noch haben, wenn die inflationären Schübe der nächsten internationalen Finanzkrise den Verbrauchermarkt erreicht haben? Wenn Preissteigerungen den Wert der alltäglichen Dinge unversehens explodieren lassen?
Hinter all dem steht natürlich eine andere Frage: Worin besteht überhaupt dieser »Wert«? Er macht mir die Dinge verfügbar oder unerreichbar, je nach dem Wert, den sie haben. Oder der ihnen über die Nachfrage gegeben wird. Einerseits scheint der Wert den Dingen unveräußerlich anzuhaften wie ein Preisschild. Andererseits aber verflüchtigt er sich über Nacht wie ein Gespenst, indem er bestimmte Werte ins Bodenlose fallen, andere dafür in astronomische Höhen steigen lässt. Ein Schrebergarten beispielsweise mag zu bestimmten Zeiten kaum mehr als ein belächeltes Hobby sein. In Zeiten sprunghafter Inflation trägt seine Ernte zur Lebensgrundlage bei, ist sein Wert unermesslich.
Niemand kann jedenfalls voraussehen, in welcher Weise sich Wertgrößen in Zukunft verteilen werden. Das Gespenst des Werts ist unberechenbar; und deshalb nimmt sich das Geschäft der Anlageberater auch wie eine Geisterbeschwörung aus. Die Finanzwirtschaft besteht gewissermaßen aus magischen Praktiken: Sie demonstriert, wie unaufgeklärt es in unseren aufgeklärten Zeiten zugeht, wie groß der Schrecken geblieben ist, mit dem die von der Profitgier erschaffenen Markt-Gespenster den Alltag der Lebenden heimsuchen.
Sind die Werte also bloße Einbildung, bloße Schätzwerte von Marktteilnehmern? Oder sind sie objektive Größen, die sich furchtbar rächen, sobald eine Spekulation meint, sie missachten zu können? Spekulationen können den Wert zu einem Vermögen steigern oder ihn ins Bodenlose fallen lassen. Unversehens jedenfalls führt eine Krise auf den so genannten »Boden der Tatsachen« zurück. Und dieser Befund wäre paradox. Er besagt, dass die Wirklichkeit der Gespenster bedarf, um sich in Erinnerung zu rufen.
Nicht weniger steht deshalb mit den Werten auf dem Spiel als das, was man mit einiger Naivität »Realität« nennt. Grund genug, das Verhältnis der Gespenster und der Wirklichkeiten völlig neu zu bestimmen, anstatt es weiterhin fraglos hinzunehmen wie ein anonymes Verhängnis.