Es gibt Zeitgenossen, die uns schon seit längerem verlassen haben, aber es lohnt, an den einen oder anderen und sein Wirken zu erinnern. Zu ihnen gehört ohne Zweifel der Österreicher Frank Arnau, der später die deutsche und noch später die schweizerische Staatsbürgerschaft erhielt und dessen Bücher eine Auflage von etwa 1,5 Millionen Exemplaren erreichten. Er wurde am 9. März 1894 in der Nähe von Wien geboren, begann bereits in jungen Jahren, sich literarisch zu betätigen, und schrieb vor allem Kriminalromane. Bereits 1933 musste er aus Deutschland fliehen, weil er sich gegen die Naziherrschaft ausgesprochen hatte. Er lebte dann zunächst in den Niederlanden, Spanien, Frankreich und der Schweiz. Ab 1939 hielt er sich in Brasilien auf. Erst 1955 kehrte Arnau wieder zurück in die inzwischen gegründete Bundesrepublik und war dann als Redakteur beim Stern beschäftigt sowie auch für die Münchener Abendzeitung tätig. Als Mitte der 1960er Jahre der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke der Beteiligung am Bau von Konzentrationslagern während der Nazizeit beschuldigt wurde, griff Arnau die Thematik auf und machte sich neben anderen zum Fürsprecher der erhobenen Vorwürfe.
Zuvor entstammten seiner Feder aufsehenerregende Bücher wie »Kunst der Fälscher – Fälscher der Kunst« (1959) oder »Das Auge des Gesetzes«.
Als 1960 Vera Brühne und Johann Ferbach wegen Mordes verurteilt wurden, unterzog er das Urteil einer gründlichen Analyse. Das Verfahren gegen beide bleibt bis zum heutigen Tag höchst umstritten, ihm hängt der Makel an, dass es sich um ein Fehlurteil handeln könnte. Auch Frank Arnau kam im Ergebnis seiner Untersuchung zu einer kritischen Einschätzung. Deren Veröffentlichung brachte ihm einen Rüffel aus dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz ein. Das beeindruckte ihn wenig. Stattdessen antwortete er dem zuständigen Ministerialdirigenten im Frühjahr 1970 in einem Brief, der mit den Zeilen endet: »Ich empfinde es als eine tragische Verpflichtung, Ihnen zu sagen, dass mich der Anblick der Justitia vor deutschen Gerichtsgebäuden häufig zu der Vermutung verleitet, dass sie die Augenbinde nicht deshalb trägt, weil sie ohne Ansicht der Person Recht zu sprechen hat, vielmehr deshalb, weil sie nicht mit ansehen kann oder will, was in ihrem Namen an Unrecht geschieht.«
1967 erschien ein weiterer bedeutsamer Titel, »Kriminalität von den biblischen Anfängen bis zur Gegenwart«. Die Humboldt-Universität zu Berlin/DDR verlieh Arnau 1968 den Ehrendoktortitel, und auch aus anderen Teilen des Auslands erhielt er verschiedene Ehrungen. Besondere Aufmerksamkeit erregte auch 1967 sein Buch »Die Straf-Unrechtspflege in der Bundesrepublik« – eine kritische Auseinandersetzung mit der Strafrechtspraxis jener Zeit. Drei Jahre zuvor war bereits der Titel »Warum Menschen töten« erschienen. Auch ein Buch über den Watergate-Skandal unter US-Präsident Richard Nixon brachte er 1974 auf den Markt. In der DDR erschien im selben Jahr ein Sammelband unter dem Titel »Tätern auf der Spur – Auswahl aus dem Lebenswerk«.
Mich faszinierte bereits damals Arnaus Schreib- und Herangehensweise, man bemerkte schnell, dass er nicht nur ein Kriminalautor war, sondern sich auch wissenschaftlich mit den von ihm selbst gewählten Themen auseinandersetzte. Das brachte ihm international Anerkennung und Achtung ein. In einem kleinen Band mit Grußadressen anlässlich seines 80. Geburtstages finden sich so auch die Glückwünsche prominenter Zeitgenossen, unter anderem auch des bekannten DDR-Rechtsmediziners Otto Prokop, der wie Arnau in Österreich geboren wurde.
In diesem Jahr wäre Frank Arnau 125 Jahre alt geworden.