Eine Nachricht des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden über wesentliche Inhalte der Pressemitteilung Nr. 341 vom 12. August 2022 brachte Aufklärung. Statistiken sind zwar per se nicht jedermanns Sache und ein Ding an sich. Die Wiesbadener Bundesstatistiker wiesen dem Berliner farbgemixten Kabinett nach: Hierzulande wirken die per ordre du mufti diktierten westlichen und deutsch verschärften Sanktionen gegen die Russische Föderation geradezu katastrophal zurück und schlagen existenzbedrohend zu Buche.
Russland verzeichnete nämlich dank höherer Preise für Lieferungen (im Bericht nur als Energie getarnt) einen Importüberschuss im Handel mit Deutschland im 1. Halbjahr. Das Gegenteil des apodiktischen Wunschtraumes: Moskau ruinieren! Es konnte auf der Habenseite über 14 Milliarden Euro (!) verbuchen. Den Kreml und die Saudis freut es. Riad unterliegt, trotz Krieg gegen den Jemen, keinerlei westlichen Restriktionen und hält mit preiswertem russischem Öl seine Wirtschaft fit, während es das eigene profitabel zu hohen Weltmarktpreisen verscheuert und Marktwirtschaft pur in Praxis demonstriert. Fracking-Gas aus den USA ist in dieser Hinsicht ebenso anrüchig.
Die Wiesbadener Leviten mit Zahlen, Texten und Grafikkurven, inklusive ausführlicher Erläuterungen, begründeten selbstredend nicht direkt, weshalb Frühstücksbrötchen und Brot beim Bäcker um die Ecke so teuer wurden und ein seltener Verzehrwert dem der Nachkriegszeit von 1945 ff. gleichkommt. Post meines Energieversorgers kündigte bereits einen straff erhöhten Strompreis ab 1. Oktober an. Bei den erwarteten steigenden Betriebskosten ähneln sich die Schreiben der Vermieter.
Per Video-Podcast fällt Bundeskanzler Olaf Scholz im Wochentakt nichts anderes ein, als an die Bürger zu appellieren, WIR(?) müssten uns unterhaken, zusammenhalten und nicht die Zuversicht verlieren. Avisierte »Entlastungspakete« erweisen sich als wertlose ungedeckte Schecks auf die Zukunft, bevor sie im ministeriellen Hickhack mit dem neoliberalen Finanzminister und im langwierigen Bundestagsprocedere abgesegnet wurden. Krise und Inflation galoppieren schneller. Es ist unverschämt, uns als Bürgerinnen und Bürger für die total verfehlte Politik in Vollhaftung zu nehmen und die Kosten aufzubürden.
Besäße die Kanzlertruppe nur ein Fünkchen Anstand und Respekt vor den Wählern, dann würde ihr Spitzenmann die längst überfällige Vertrauensfrage stellen. Auch der Bundestag selbst könnte diesem Kanzler sein Misstrauen aussprechen und den Bundespräsidenten ersuchen, ihn zu entlassen, um die Bundesrepublik Deutschland als demokratischen und sozialen Bundesstaat nicht einem exorbitanten politischen und wirtschaftlichen Niedergang auszusetzen. Mehrheitsverhältnisse hin oder her, es wäre ein Signal für ein Funktionieren der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ohne Fraktionszwang. Die wöchentlichen Umfragen der Demoskopen könnten sogar eine Volksbefragung dringlich werden lassen. Ganz abgesehen davon, dass in der brandenburgischen CDU eine Stimme laut wurde, NordStream2 in Betrieb zu nehmen. Offensichtlich ein christdemokratischer Versuchsballon.
Vielleicht genügt es für sachliche Begründungen durch die Opposition, anhand der Darstellungen auf der Webseite des Statistischen Bundesamtes die Folgen der Sanktionen für Gesellschaft und Wirtschaft tiefgehender zu beleuchten und ein Umsteuern zu befördern. Zum Beispiel war die Russische Föderation 2021 mit Lieferungen von insgesamt rund 26,6 Millionen Tonnen und mit 12,2 Millionen fossilen Energieträgern der wichtigste Handelspartner deutscher Seehäfen. Dort wehen die Fahnen auf Halbmast. Als eine weitere Wahrheit käme ans Licht, dass 2021 zwar mehr als 11 Millionen Tonnen Getreide nach Deutschland importiert wurden – nur zwei Prozent kamen aus der Ukraine und Russland. Die Bundesrepublik ist selbst aber weiterhin großer Exporteur von Weizen und lieferte 7,1 Millionen Tonnen im Wert von 1,7 Milliarden Euro in andere Länder.
Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, prognostizierte im August über etwa drei Jahre einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um nur 1,5 Prozent. Das bedeutet ein Minus von 150 bis 200 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung.
Die Fata Morgana vom kanadischen Wasserstoff wird es nicht richten. Studien von Green Planet Energy belegen: Würden Parlament, Kanzler und Wirtschafts-minister endlich den rechtlichen Rahmen schaffen – statt das Heil in Katar, bei den Saudis oder in Neufundland zu suchen – könnten bis 2030 fünf grüne Gigawatt an Energie regional erzeugt werden. Wenn das Wörtchen WENN nicht wäre …
Auch Polen droht ein kalter Winter. Ministerpräsident Morawiecki warf bereits im Mai dem nördlichen Nachbarn vor, »ungerechte Öl- und Gaseinnahmen« zu machen. Dies sei eine »indirekte Ausbeutung des von Putin begonnenen Krieges«. Laut RT DE sagte er auf dem Kongress des Nationalen Jugenddialogs sogar: »Aber sollten wir Norwegen gigantische Summen für Gas zahlen – vier- oder fünfmal mehr als noch vor einem Jahr? Das ist krank.« Recht hat er.
Am virtuellen Marktplatz Title Transfer Facility in den Niederlanden stieg der von dort bestimmte Preis innerhalb eines Jahres von 27 auf 321 Euro pro Megawattstunde. Der Malstrom der Sanktionen bleibt unberechenbar. Auf Gedeih und Verderb funktioniert allein die Diktatur der Marktwirtschaft.
Wer den Schaden hat, sollte sich von den Sirenenklängen des Trios Katastrophale nicht länger in die politische Irre locken lassen.