Wenn es um Auskunftsgesuche zur Rolle der Air Base Ramstein beim Drohnenkrieg der US-Army und der CIA geht, bleiben Behörden und Ministerien nur allzu oft auffallend stumm. Das verdeutlichen wieder vier bei den Verwaltungsgerichten Mainz, Köln und Berlin anhängige Klagen, mit denen behördliche Verstöße gegen die Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes gerügt werden.
Im Frühjahr 2021 wurden einer Reihe von Behörden und Ministerien schriftlich folgende Fragen gestellt:
Welche konkreten Erkenntnisse hat Ihre Behörde über die Hintergründe und die Funktion der Air Base Ramstein bei dem Einsatz von US-Kampfdrohnen?
Hat Ihre Behörde in diesem Zusammenhang ihren Einfluss geltend gemacht und gegenüber der US-Army die Einhaltung der in Deutschland geltenden Straf- und Verfassungsnormen eingefordert?
Hat Ihre Behörde die deutschen Strafverfolgungsbehörden über die in diesem Zusammenhang in Rede stehenden Rechtsverstöße informiert?
Bei der Begründung ihrer (Nicht)Beantwortung dieser Fragen erweckten die Behörden einen auffallend stereotyp-ausweichenden Eindruck, wie die nachfolgenden Antworten verdeutlichen: a) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: »Das BMJV hat keine eigenen Erkenntnisse über die Rolle der Air Base Ramstein bei dem Einsatz von US-Kampfdrohnen.« b) Landesamt für Verfassungsschutz (Mainz): »Die Landesbehörde für Verfassungsschutz hat keine Erkenntnisse hierzu vorliegen.« c) Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz: »Wir haben als Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz keine konkreten Erkenntnisse über die Hintergründe und die Funktion der US Air Base Ramstein bei einem Einsatz von US-Kampfdrohnen.« d) Der Bundesnachrichtendienst (Berlin), das Bundeskriminalamt (Wiesbaden), das Bundesamt für Verfassungsschutz (Köln) und der Militärische Abschirmdienst (Köln) lehnten eine Beantwortung der Fragen unisono ab, da sie als Geheimdienste nach den Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes hierzu nicht verpflichtet seien. Das Ministerium für Justiz (Mainz) begründete seine ablehnende Haltung damit, da es sich um Fragen handele, die Gegenstand eines laufenden Ermittlungsverfahrens seien, weshalb die Bestimmungen des Landestransparenzgesetzes abschlägig zu beurteilen seien. Beim Verwaltungsgericht Mainz ist eine diesbezügliche Klage anhängig (1 K 412/21.MZ). Das Auswärtige Amt (Berlin) erklärte: »Die Informationen, zu denen Zugang beantragt wird, betreffen eine Militäreinrichtung der Vereinigten Staaten von Amerika in Ramstein. Die Bundesrepublik Deutschland unterhält diplomatische Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Dass dann, wenn Zugang zu Informationen mit Bezug auf militärische Einrichtungen eines anderen Staates gewährt wird, die Beziehungen zu diesem Staat negativ beeinflusst werden können, liegt auf der Hand. (…) Sobald die Behörde feststellt, dass ein Informationszugang dazu geeignet sein könnte, sich nachteilig auf internationale Beziehungen auszuwirken, ist kein Spielraum vorhanden, diesen Zugang dennoch zu gewähren. Ein Spielraum der Behörde besteht allenfalls insoweit, als die Behörde prognostizieren muss, ob ein Informationszugang tatsächlich dazu geeignet sein könnte, sich auf internationale Beziehungen nachteilig auszuwirken. Das Auswärtige Amt gelangt vorliegend zu der Einschätzung, dass das Potenzial einer nachteiligen Auswirkung besteht.« Beim Verwaltungsgericht Berlin wurde Klage gegen dieses Vorgehen eingereicht (VG 2 K 283/21), Rechtsanwältin Anna Gilsbach (Berlin) hat die anwaltliche Vertretung übernommen. Das Bundesministerium der Verteidigung (Bonn/Berlin) hat hinsichtlich der bei verschiedenen Bundeswehreinrichtungen erfolgten Anfragen die Haltung vertreten, dass dort »keine antragsgegenständlichen Informationen vorliegen«, weshalb beim Verwaltungsgericht Köln zwei Klagen anhängig sind (13 K 5775/21 + 13 K 5958/21). In mindestens einem der Verfahren soll der verwaltungsrechtliche Instanzenweg bestritten werden, um damit das Recht auf Zugang zu den erbetenen Informationen einzuklagen.
Das juristische Ausloten des Anspruchs auf Zugang zu Informationen in der Causa Ramstein vor den angerufenen Verwaltungsgerichten verspricht spannend zu werden, geht es dabei doch um Fragen nach der Beteiligung einer in Deutschland stationierten militärischen Relaisstation an extralegalen Tötungen. Dass Hinrichtungen mit US-Kampfdrohnen (außerhalb kriegerischer Konflikte) mit dem in Deutschland geltenden Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar sind, bedarf keiner weiteren Erklärung. Es lohnt aber dennoch ein Exkurs in die historischen Hintergründe jenes Rechtsstaatsprinzips, die sehr eng mit den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs verknüpft sind. Die Publizistin Hannah Arendt hat den Begriff des fundamentalen »Rechts auf Rechte« geprägt, worauf als Lehre aus den totalitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts nach ihrer Auffassung jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt einen unwiderrufbaren Anspruch hat. Und mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wurde bereits 1948 beklagt, dass die zurückliegende Missachtung der Menschenrechte zu »Akten der Barbarei« und extremen moralischen Entgrenzungen geführt habe, die das »Gewissen der Menschheit mit Empörung erfüllen«. Daraus folgend gewann der Begriff der Menschenwürde innerhalb der Rechtswissenschaft zunehmend an Bedeutung, was auch im Grundgesetz stark verankert worden ist: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt« (Art. 1 Abs. 1 GG). Und auch die Europäische Menschenrechtskonvention formuliert unmissverständlich: »Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt. Niemand darf absichtlich getötet werden, außer durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe vorgesehen ist« (Art. 2 EMRK). Daraus folgt die Verpflichtung eines Staates, geeignete präventive Maßnahmen zu treffen, um Personen zu schützen, deren Leben bedroht ist. All das klingt relativ einfach und wirft die Frage auf, warum die politischen und zivilgesellschaftlichen Bemühungen nach einer umfassenden Aufklärung der Rolle Ramsteins im US-Drohnenkrieg bisher weitestgehend ins Leere gelaufen sind. Das vorgenannte informationsverweigernde Verhalten der Behörden kontrastiert das noch einmal auf ernüchternd-erschreckende Art und Weise. Der Philosoph Rolf Zimmermann schreibt in seinem Buch »Philosophie nach Auschwitz«: »Meine moral-philosophische These besteht darin, dass mit Auschwitz eine Grenzüberschreitung eingetreten ist, die ich einerseits als Gattungsbruch, andererseits als Gattungsversagen betrachte.« Folglich seien unsere »Grundrechte das wesentliche Strukturmerkmal des demokratischen Rechtsstaates«, deren Einhaltung der Rechtsstaat zu garantieren habe. In der Causa Ramstein stellt sich die Frage, warum die deutschen Strafverfolgungsbehörden hier derart kläglich versagen. Wo doch gleichzeitig gerade vor dem Oberlandesgericht Koblenz erstmals ein Syrer wegen schweren Menschenrechtsverletzungen nach dem Weltrechtsprinzip zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden ist! Müsste das Weltrechtsprinzip nicht auch auf die Causa Ramstein angewendet werden? Die anhängigen Verwaltungsgerichtserfahren werden darauf vielleicht eine Antwort geben können.