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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Weltrechtsprinzip? Die Causa Ramstein

Wenn es um Aus­kunfts­ge­su­che zur Rol­le der Air Base Ram­stein beim Droh­nen­krieg der US-Army und der CIA geht, blei­ben Behör­den und Mini­ste­ri­en nur all­zu oft auf­fal­lend stumm. Das ver­deut­li­chen wie­der vier bei den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten Mainz, Köln und Ber­lin anhän­gi­ge Kla­gen, mit denen behörd­li­che Ver­stö­ße gegen die Bestim­mun­gen des Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­set­zes gerügt werden.

Im Früh­jahr 2021 wur­den einer Rei­he von Behör­den und Mini­ste­ri­en schrift­lich fol­gen­de Fra­gen gestellt:

Wel­che kon­kre­ten Erkennt­nis­se hat Ihre Behör­de über die Hin­ter­grün­de und die Funk­ti­on der Air Base Ram­stein bei dem Ein­satz von US-Kampfdrohnen?

Hat Ihre Behör­de in die­sem Zusam­men­hang ihren Ein­fluss gel­tend gemacht und gegen­über der US-Army die Ein­hal­tung der in Deutsch­land gel­ten­den Straf- und Ver­fas­sungs­nor­men eingefordert?

Hat Ihre Behör­de die deut­schen Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den über die in die­sem Zusam­men­hang in Rede ste­hen­den Rechts­ver­stö­ße informiert?

Bei der Begrün­dung ihrer (Nicht)Beantwortung die­ser Fra­gen erweck­ten die Behör­den einen auf­fal­lend ste­reo­typ-aus­wei­chen­den Ein­druck, wie die nach­fol­gen­den Ant­wor­ten ver­deut­li­chen: a) Bun­des­mi­ni­ste­ri­um der Justiz und für Ver­brau­cher­schutz: »Das BMJV hat kei­ne eige­nen Erkennt­nis­se über die Rol­le der Air Base Ram­stein bei dem Ein­satz von US-Kampf­droh­nen.« b) Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (Mainz): »Die Lan­des­be­hör­de für Ver­fas­sungs­schutz hat kei­ne Erkennt­nis­se hier­zu vor­lie­gen.« c) Lan­des­kri­mi­nal­amt Rhein­land-Pfalz: »Wir haben als Lan­des­kri­mi­nal­amt Rhein­land-Pfalz kei­ne kon­kre­ten Erkennt­nis­se über die Hin­ter­grün­de und die Funk­ti­on der US Air Base Ram­stein bei einem Ein­satz von US-Kampf­droh­nen.« d) Der Bun­des­nach­rich­ten­dienst (Ber­lin), das Bun­des­kri­mi­nal­amt (Wies­ba­den), das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (Köln) und der Mili­tä­ri­sche Abschirm­dienst (Köln) lehn­ten eine Beant­wor­tung der Fra­gen uni­so­no ab, da sie als Geheim­dien­ste nach den Bestim­mun­gen des Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­set­zes hier­zu nicht ver­pflich­tet sei­en. Das Mini­ste­ri­um für Justiz (Mainz) begrün­de­te sei­ne ableh­nen­de Hal­tung damit, da es sich um Fra­gen han­de­le, die Gegen­stand eines lau­fen­den Ermitt­lungs­ver­fah­rens sei­en, wes­halb die Bestim­mun­gen des Lan­des­trans­pa­renz­ge­set­zes abschlä­gig zu beur­tei­len sei­en. Beim Ver­wal­tungs­ge­richt Mainz ist eine dies­be­züg­li­che Kla­ge anhän­gig (1 K 412/21.MZ). Das Aus­wär­ti­ge Amt (Ber­lin) erklär­te: »Die Infor­ma­tio­nen, zu denen Zugang bean­tragt wird, betref­fen eine Mili­tär­ein­rich­tung der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka in Ram­stein. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land unter­hält diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen zu den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka. Dass dann, wenn Zugang zu Infor­ma­tio­nen mit Bezug auf mili­tä­ri­sche Ein­rich­tun­gen eines ande­ren Staa­tes gewährt wird, die Bezie­hun­gen zu die­sem Staat nega­tiv beein­flusst wer­den kön­nen, liegt auf der Hand. (…) Sobald die Behör­de fest­stellt, dass ein Infor­ma­ti­ons­zu­gang dazu geeig­net sein könn­te, sich nach­tei­lig auf inter­na­tio­na­le Bezie­hun­gen aus­zu­wir­ken, ist kein Spiel­raum vor­han­den, die­sen Zugang den­noch zu gewäh­ren. Ein Spiel­raum der Behör­de besteht allen­falls inso­weit, als die Behör­de pro­gno­sti­zie­ren muss, ob ein Infor­ma­ti­ons­zu­gang tat­säch­lich dazu geeig­net sein könn­te, sich auf inter­na­tio­na­le Bezie­hun­gen nach­tei­lig aus­zu­wir­ken. Das Aus­wär­ti­ge Amt gelangt vor­lie­gend zu der Ein­schät­zung, dass das Poten­zi­al einer nach­tei­li­gen Aus­wir­kung besteht.« Beim Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin wur­de Kla­ge gegen die­ses Vor­ge­hen ein­ge­reicht (VG 2 K 283/​21), Rechts­an­wäl­tin Anna Gils­bach (Ber­lin) hat die anwalt­li­che Ver­tre­tung über­nom­men. Das Bun­des­mi­ni­ste­ri­um der Ver­tei­di­gung (Bonn/​Berlin) hat hin­sicht­lich der bei ver­schie­de­nen Bun­des­wehr­ein­rich­tun­gen erfolg­ten Anfra­gen die Hal­tung ver­tre­ten, dass dort »kei­ne antrags­ge­gen­ständ­li­chen Infor­ma­tio­nen vor­lie­gen«, wes­halb beim Ver­wal­tungs­ge­richt Köln zwei Kla­gen anhän­gig sind (13 K 5775/​21 + 13 K 5958/​21). In min­de­stens einem der Ver­fah­ren soll der ver­wal­tungs­recht­li­che Instan­zen­weg bestrit­ten wer­den, um damit das Recht auf Zugang zu den erbe­te­nen Infor­ma­tio­nen einzuklagen.

Das juri­sti­sche Aus­lo­ten des Anspruchs auf Zugang zu Infor­ma­tio­nen in der Cau­sa Ram­stein vor den ange­ru­fe­nen Ver­wal­tungs­ge­rich­ten ver­spricht span­nend zu wer­den, geht es dabei doch um Fra­gen nach der Betei­li­gung einer in Deutsch­land sta­tio­nier­ten mili­tä­ri­schen Relais­sta­ti­on an extra­le­ga­len Tötun­gen. Dass Hin­rich­tun­gen mit US-Kampf­droh­nen (außer­halb krie­ge­ri­scher Kon­flik­te) mit dem in Deutsch­land gel­ten­den Rechts­staats­prin­zip nicht ver­ein­bar sind, bedarf kei­ner wei­te­ren Erklä­rung. Es lohnt aber den­noch ein Exkurs in die histo­ri­schen Hin­ter­grün­de jenes Rechts­staats­prin­zips, die sehr eng mit den Erfah­run­gen des Zwei­ten Welt­kriegs ver­knüpft sind. Die Publi­zi­stin Han­nah Are­ndt hat den Begriff des fun­da­men­ta­len »Rechts auf Rech­te« geprägt, wor­auf als Leh­re aus den tota­li­tä­ren Kata­stro­phen des 20. Jahr­hun­derts nach ihrer Auf­fas­sung jeder Mensch zu jedem Zeit­punkt einen unwi­der­ruf­ba­ren Anspruch hat. Und mit der All­ge­mei­nen Erklä­rung der Men­schen­rech­te wur­de bereits 1948 beklagt, dass die zurück­lie­gen­de Miss­ach­tung der Men­schen­rech­te zu »Akten der Bar­ba­rei« und extre­men mora­li­schen Ent­gren­zun­gen geführt habe, die das »Gewis­sen der Mensch­heit mit Empö­rung erfül­len«. Dar­aus fol­gend gewann der Begriff der Men­schen­wür­de inner­halb der Rechts­wis­sen­schaft zuneh­mend an Bedeu­tung, was auch im Grund­ge­setz stark ver­an­kert wor­den ist: »Die Wür­de des Men­schen ist unan­tast­bar. Sie zu ach­ten und zu schüt­zen ist Ver­pflich­tung aller staat­li­chen Gewalt« (Art. 1 Abs. 1 GG). Und auch die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on for­mu­liert unmiss­ver­ständ­lich: »Das Recht jedes Men­schen auf Leben wird gesetz­lich geschützt. Nie­mand darf absicht­lich getö­tet wer­den, außer durch Voll­streckung eines Todes­ur­teils, das ein Gericht wegen eines Ver­bre­chens ver­hängt hat, für das die Todes­stra­fe vor­ge­se­hen ist« (Art. 2 EMRK). Dar­aus folgt die Ver­pflich­tung eines Staa­tes, geeig­ne­te prä­ven­ti­ve Maß­nah­men zu tref­fen, um Per­so­nen zu schüt­zen, deren Leben bedroht ist. All das klingt rela­tiv ein­fach und wirft die Fra­ge auf, war­um die poli­ti­schen und zivil­ge­sell­schaft­li­chen Bemü­hun­gen nach einer umfas­sen­den Auf­klä­rung der Rol­le Ram­steins im US-Droh­nen­krieg bis­her wei­test­ge­hend ins Lee­re gelau­fen sind. Das vor­ge­nann­te infor­ma­ti­ons­ver­wei­gern­de Ver­hal­ten der Behör­den kon­tra­stiert das noch ein­mal auf ernüch­ternd-erschrecken­de Art und Wei­se. Der Phi­lo­soph Rolf Zim­mer­mann schreibt in sei­nem Buch »Phi­lo­so­phie nach Ausch­witz«: »Mei­ne moral-phi­lo­so­phi­sche The­se besteht dar­in, dass mit Ausch­witz eine Grenz­über­schrei­tung ein­ge­tre­ten ist, die ich einer­seits als Gat­tungs­bruch, ande­rer­seits als Gat­tungs­ver­sa­gen betrach­te.« Folg­lich sei­en unse­re »Grund­rech­te das wesent­li­che Struk­tur­merk­mal des demo­kra­ti­schen Rechts­staa­tes«, deren Ein­hal­tung der Rechts­staat zu garan­tie­ren habe. In der Cau­sa Ram­stein stellt sich die Fra­ge, war­um die deut­schen Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den hier der­art kläg­lich ver­sa­gen. Wo doch gleich­zei­tig gera­de vor dem Ober­lan­des­ge­richt Koblenz erst­mals ein Syrer wegen schwe­ren Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen nach dem Welt­rechts­prin­zip zu einer lebens­lan­gen Haft­stra­fe ver­ur­teilt wor­den ist! Müss­te das Welt­rechts­prin­zip nicht auch auf die Cau­sa Ram­stein ange­wen­det wer­den? Die anhän­gi­gen Ver­wal­tungs­ge­richts­er­fah­ren wer­den dar­auf viel­leicht eine Ant­wort geben können.