Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

»We Feed the World«

Das ist der Titel – dem Wer­be­spruch eines Saat­gut­kon­zerns ent­lehnt – eines nun­mehr 20 Jah­re alten Doku­men­tar­films des öster­rei­chi­schen Regis­seurs Erwin Wagen­ho­fer, der die ver­hee­ren­den Fol­gen der Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­ti­on in der Euro­päi­schen Uni­on und den USA anhand zahl­rei­cher Bei­spie­le ein­drück­lich beschreibt.

Hun­der­tau­sen­de Zuschaue­rin­nen und Zuschau­er waren bestürzt – etwa über sub­ven­tio­nier­te Nah­rungs­expor­te, die afri­ka­ni­sche Märk­te rui­nie­ren, über Soja-Plan­ta­gen, Tier­fa­bri­ken, Fisch­fang­flot­ten oder die welt­wei­te Was­ser­pri­va­ti­sie­rung. Nichts dar­an hat sich nach zwei Jahr­zehn­ten geän­dert. Erst kürz­lich (z. B. laut einem Bericht der Tages­schau vom 15.10.2024) warn­te das Welt­ernäh­rungs­pro­gramm (WFP) der Ver­ein­ten Natio­nen vor der schlimm­sten Hun­ger­kri­se im süd­li­chen Afri­ka seit Jahr­zehn­ten, die sich zu einer huma­ni­tä­ren Kata­stro­phe ent­wickeln könn­te. 27 Mil­lio­nen Men­schen sei­en betrof­fen, berich­te­te das WFP in Genf, 21 Mil­lio­nen davon sei­en Kin­der. Vie­le müss­ten bereits jetzt mit nur einer Mahl­zeit am Tag aus­kom­men. Damit nicht genug. In einem kürz­lich ver­öf­fent­lich­ten Bericht des WFP und der UN-Ernäh­rungs- und Land­wirt­schafts­or­ga­ni­sa­ti­on (FAO) wur­de die Lage im Sudan und Süd­su­dan, in Mali, Hai­ti, Nige­ria, dem Tschad, dem Jemen, Mosam­bik, Myan­mar, Syri­en und dem Liba­non als besorg­nis­er­re­gend bezeich­net, mit der Wahr­schein­lich­keit von Hun­gers­nö­ten. In Mexi­ko wie­der­um ent­lud sich in die­sem Som­mer die Wut auf Nest­lé. Auf­ge­brach­te Pro­du­zen­tin­nen und Pro­du­zen­ten ver­brann­ten auf offe­ner Stra­ße gan­ze Säcke vol­ler Kaf­fee, weil der Kon­zern statt der ver­spro­che­nen höhe­ren Ein­kom­men der Ein­hei­mi­schen nun zu gesun­ke­nen Prei­sen und unter der nöti­gen Min­dest­men­ge ein­kau­fen will.

Die Kon­zer­ne der EU und der USA haben seit Jahr­zehn­ten an einer öko­no­mi­schen Festung gebaut und zugleich behaup­tet, sie ernähr­ten damit »die Welt«. Statt­des­sen pro­du­zie­ren sie deren Hun­ger. Wäh­rend nun die Bewoh­ner die­ser »Welt« aus die­sen und damit im Zusam­men­hang ste­hen­den Grün­den in die Festung zu ent­kom­men ver­su­chen, geht es bei den media­len Auf­ge­regt­hei­ten in Euro­pa aus­schließ­lich um die Arten der Gewalt des Drau­ßen­hal­tens der Anstür­men­den. Wobei auch all jene kei­ne Rezep­te anzu­bie­ten haben, die mit Paro­len wie »Gren­zen töten« gegen frem­den­feind­li­che »Faschi­sten« hau­sie­ren gehen, statt die Wirt­schafts­wei­se unter Beschuss zu neh­men. Selbst wenn die Dia­gno­se »Faschi­sten« stim­men soll­te, dürf­te Ber­tolt Brecht wohl eher recht gehabt haben mit der Fest­stel­lung: »Der Faschis­mus kann nur bekämpft wer­den als Kapi­ta­lis­mus, als nack­te­ster, frech­ster, erdrückend­ster und betrü­ge­risch­ster Kapi­ta­lis­mus« (Fünf Schwie­rig­kei­ten beim Schrei­ben der Wahr­heit, 1935).