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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Was tun? Einheit herstellen!

Die impe­ria­li­sti­sche Kon­kur­renz, der Krieg in der Ukrai­ne und eine mul­ti­ple Wirt­schafts­kri­se haben die poli­ti­schen Struk­tu­ren in Deutsch­land ins Rut­schen gebracht. Das doku­men­tie­ren die letz­ten Wah­len in Bran­den­burg, Sach­sen und Thü­rin­gen. Die innen­po­li­ti­sche Situa­ti­on scheint sich, schnel­ler als gedacht, in Rich­tung eines »auto­ri­tä­ren Natio­nal­ra­di­ka­lis­mus« (Wil­helm Heit­mey­er) der AfD zu ver­än­dern. Die faschi­sti­schen Kräf­te in der Par­tei betei­li­gen sich dar­an, ohne ihr Ziel einer faschi­sti­schen Dik­ta­tur aus den Augen zu ver­lie­ren. Den tra­di­tio­nel­len Par­tei­en gelingt es nur noch mit Mühe, der AfD den Zutritt zur Regie­rungs­be­tei­li­gung in den Län­dern und bald auch im Bund zu ver­weh­ren, und es ist nur noch eine Fra­ge der Zeit, bis sich das ändern wird. Zugleich scheint die Ver­än­de­rung in den poli­ti­schen Struk­tu­ren das bis­he­ri­ge, von den tra­di­tio­nel­len Par­tei­en gebil­de­te Macht­zen­trum zu zer­stö­ren, in dem die­se sich bis­her die Rol­len von Regie­rung und Oppo­si­ti­on wech­sel­wei­se zuwie­sen. Es blei­ben, so die Hoff­nung, noch min­de­stens vier bis fünf Jah­re, bevor die AfD und ihre Mit­läu­fer an Schalt­he­bel der Macht in der Lan­des- und Bun­des­po­li­tik kom­men wer­den, ver­mut­lich in einer Koali­ti­on mit der CDU.

In die­sem Sze­na­rio ist das BSW mit sei­nen Wahl­er­fol­gen in den ost­deut­schen Län­dern eine Wahl-Alter­na­ti­ve, vor allem in der Frie­dens­fra­ge. »Das BSW ist auf der lin­ken Sei­te die ein­zig ver­blie­be­ne par­la­men­ta­ri­sche Anti­kriegs-Kraft, die kräf­te­ver­stär­kend mit einer brei­ten Frie­dens­be­we­gung zusam­men­wir­ken kann« (Kath­rin Otte und ihr »Was tun!?«-Netzwerk). Zudem eröff­net es mit sei­nen Wahl-Pro­zen­ten noch ein­mal die Mög­lich­keit einer Regie­rungs­bil­dung ohne die AfD. Weder die Par­tei­en des tra­di­tio­nel­len Macht­zen­trums noch die Medi­en sind bereit, die­se Lei­stung anzu­er­ken­nen. Die Par­tei »Die Lin­ke« (PdL) tut so, als sei­en ihre Wahl-Pro­zen­te ande­ren Kräf­ten zum Opfer gefal­len und nicht der Kon­kur­renz mit der Grup­pie­rung um Wagen­knecht. Lin­ke tun aber gut dar­an, das BSW als Teil der Lin­ken ernst zu neh­men und nicht gleich mit Hil­fe soge­nann­ter »ana­ly­ti­scher« Dif­fe­ren­zie­run­gen aus­zu­gren­zen. Das BSW ver­tritt tra­di­tio­nell sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Zie­le, Wer­te und Per­spek­ti­ven und ver­ei­nigt der­zeit noch genug Rand­stän­dig­keit, Wider­spruchs­geist, Unbe­stech­lich­keit (Fabio de Masi) und Spiel­räu­me, um trotz und wegen sei­ner ver­ein­fa­chen­den Wer­be­slo­gans für vie­le Men­schen wähl­bar zu sein. Wie erfolg­reich das ist, zeig­te sich dar­an, dass das BSW mehr Stim­men gewann, als die PdL ver­lor. Aller­dings wird das BSW ver­mut­lich durch die Regie­rungs­be­tei­li­gun­gen in den ost­deut­schen Län­dern beschä­digt wer­den, da es Kom­pro­mis­se ein­ge­hen muss, die ihm nicht zum Vor­teil gereichen.

Die Stim­men für das BSW soll­ten zukünf­tig Stim­men für eine sozia­li­sti­sche, anti­mi­li­ta­ri­sti­sche Lin­ke wer­den. Die vor­ran­gi­ge Auf­ga­be der kom­men­den vier bis fünf Jah­re scheint zu sein, auch und gera­de mit Blick auf die Frie­dens­be­we­gung, neue Orga­ni­sa­ti­ons- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men unter­halb der Par­tei­en zu ent­wickeln (vgl. Vol­ker Külow, »Wir brau­chen eine Debat­te über Grund­fra­gen lin­ker Par­tei­en­theo­rie«), mit denen eine anti­mi­li­ta­ri­sti­sche und sozia­li­sti­sche Lin­ke, so hete­ro­gen sie auch in vie­ler­lei Hin­sicht sein mag, poli­tisch und sozi­al die Erb­schaft von PdL und BSW antre­ten kann. Dafür muss sie, auch wenn das über­trie­ben klin­gen mag, eine Par­tei »neu­en Typs« (Porsch, ND, 16.10.2024) ent­wickeln, die mehr und nach­hal­ti­ger Erfolg hat als die PdL Das Schlag­wort ruft zwar histo­ri­sche Bezü­ge auf, die erdrückend sind und die aktu­el­len Auf­ga­ben nicht bes­ser sicht­bar machen. Aber es geht dar­um, ange­sichts der Gefahr eines auto­ri­tä­ren Regimes in Deutsch­land die Lin­ke so weit zu (re)organisieren, dass sie sich einen und wider­stands­fä­hi­ge, gesell­schafts­po­li­ti­sche Per­spek­ti­ven ent­wickeln kann.

Lin­ke Ein­heit ist daher als ent­schei­den­des stra­te­gi­sches Ziel zu ver­ste­hen, das sich in einem orga­ni­sa­to­ri­schen Pro­zess mani­fe­stie­ren muss. Histo­risch meint die »Ein­heit« lin­ker Par­tei­en die Zusam­men­füh­rung des sozia­li­sti­schen und des kom­mu­ni­sti­schen »Flü­gels« der Lin­ken. Die­se bei­den Flü­gel waren aller­dings schon Aus­druck von Sta­gna­ti­on, rech­te SPD und ultra­lin­ke KPD bekämpf­ten sich in der Wei­ma­rer Repu­blik. Heu­te geht es dar­um, unter­schied­li­che Grup­pen und Orga­ni­sa­tio­nen zu inte­grie­ren, die mit ihrem theo­re­tisch-stra­te­gi­schem Framing der gegen­wär­ti­gen Situa­ti­on gerecht zu wer­den ver­su­chen. Die­se Inte­gra­ti­on kann nicht durch Kon­kur­renz um die »rich­ti­ge« Ein­schät­zung der aktu­el­len poli­ti­schen Lage statt­fin­den, das ruft Dif­fe­ren­zen immer wie­der neu auf. Viel­mehr geht es um die Auf­ga­be, sol­che Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Orga­ni­sa­ti­ons­for­men zu ent­wickeln, die die erfor­der­li­che Annä­he­rung nicht zur Vor­aus­set­zung, aber zur mög­li­chen Fol­ge jedes Orga­ni­sie­rungs­schritts machen. »Rich­ti­ge« Ein­schät­zun­gen zur aktu­el­len poli­ti­schen Lage kön­nen dann immer noch gemein­sam ent­wickelt werden.

Ein inte­grie­ren­der, sozia­li­sti­scher Orga­ni­sa­ti­ons­an­satz müss­te also einer­seits unab­ding­ba­re Tages­auf­ga­ben klä­ren und orga­ni­sie­ren, ande­rer­seits die Dif­fe­ren­zen der ver­schie­de­nen Grup­pen und Ansät­ze berück­sich­ti­gen und frucht­bar machen. Es wären also zum einen die unab­ding­ba­ren, aktu­el­len Ele­men­te lin­ker Tages­po­li­tik als gemein­sa­mer Akti­ons­plan fest­zu­schrei­ben, zum ande­ren die Dif­fe­ren­zen so zu orga­ni­sie­ren, dass bei ver­blei­ben­der Auto­no­mie der teil­neh­men­den Grup­pen ein gemein­sa­mer Orga­ni­sa­ti­ons­kern ent­steht, der klärt, wel­che Schrit­te als näch­stes zu gehen und wel­che Pro­ble­me zu klä­ren sind. Ent­schei­dend wäre dabei, die Koope­ra­ti­on ohne den klas­si­schen Kampf um Mehr­hei­ten zu gestal­ten. Par­al­lel könn­ten orga­ni­sa­to­ri­sche For­men geschaf­fen wer­den, in denen die diver­gen­ten Akti­ons­for­men und Posi­tio­nen geklärt werden.

Die­se Orga­ni­sa­ti­on »neu­en Typs« der sozia­li­sti­schen, anti­mi­li­ta­ri­sti­schen Lin­ken wird viel­leicht denk­bar, wenn sie sich am histo­ri­schen Räte­mo­dell mit sei­ner Aus­rich­tung von unten nach oben ori­en­tiert. Das könn­te im ersten Schritt so funk­tio­nie­ren, dass sich lin­ke Grup­pen vor Ort an einem loka­len »sozia­li­sti­schen Rat« betei­li­gen und dort ein gemein­sa­mes tages­po­li­ti­sches Pro­gramm aus­han­deln, danach auch auf regio­na­ler Ebe­ne und Lan­des­ebe­ne. Im Ide­al­fall könn­te die viel­glied­ri­ge Lin­ke sich jen­seits des herr­schen­den Par­tei­en­mo­dells tages­po­li­tisch ver­ein­heit­li­chen, lokal ver­an­kern und demo­kra­tisch orga­ni­sie­ren. Zudem wür­den künf­ti­ge Orga­ni­sa­ti­ons­for­men einer Räte­de­mo­kra­tie vor­weg­ge­nom­men. Vor Ort könn­te die­se Orga­ni­sa­ti­on neu­en Typs durch Kon­tak­te, Gesprä­che und Aktio­nen der ver­schie­de­nen lin­ken Grup­pen vor­be­rei­tet wer­den, um die soli­da­ri­sche Ver­stän­di­gung mit­ein­an­der zu entwickeln.