Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Was ist »rechts«?

Die cor­rec­tiv-Recher­che gegen die AfD soll »Geheim­plä­ne« und ein »gehei­mes« Tref­fen aus dem Novem­ber 2023 an das grel­le Licht der Öffent­lich­keit im Janu­ar 2024 gebracht haben. Lei­der wird es nie kon­kret. Des­halb kann sich aus Dis­kus­sio­nen über »Re-Migra­ti­on« ein (gefähr­li­ches!) Fan­ta­sie­ren über »Depor­ta­tio­nen« von einem Vier­tel der deut­schen (die »migran­ti­sche«?) Wohn­be­völ­ke­rung ent­wickeln. Der AfD wird auch das zuge­traut: die mas­sen­haf­te »Depor­ta­ti­on«. Das bringt Hun­dert­tau­sen­de auf die Stra­ße, die jetzt Schlim­me­res zu ver­hin­dern trach­ten und die­ses Mal recht­zei­tig da sind. Der Innen­mi­ni­ste­rin Faeser, die sich der »Demo­kra­tie­för­de­rung« – auch in ein Gesetz gegos­sen – ver­pflich­tet sieht, stellt sich hier an die vor­der­ste Front. Man hat den Ein­druck, dass der rea­le Faschis­mus mar­schiert. Der »Faschis­mus an der Macht« (ich soll mir hier jetzt die AfD vor­stel­len?!) will einen »Mada­gas­kar-Plan 2.0« und eine Neu­auf­la­ge der »Wann­see-Kon­fe­renz« umset­zen. – Jetzt gibt es kein Hal­ten mehr: AfD-Spit­zen­po­li­ti­kern sol­len gemäß Arti­kel 18 Grund­ge­setz Grund­rech­te ent­zo­gen wer­den. Der poli­ti­sche Kon­kur­rent AfD soll durch Par­tei­ver­bot und Ent­zug staat­li­cher Mit­tel (Arti­kel 21 (3) Grund­ge­setz) ins Abseits gescho­ben wer­den. Ver­schämt wird dann aller­dings ein­ge­stan­den: Es geht nicht so schnell; »es« braucht Jah­re – ich sage: gott­sei­dank –, weil jeweils das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ent­schei­den muss. Doch jetzt soll auch das – per super­gro­ßer Koali­ti­on – durch Her­um­fin­gern am Grund­ge­setz geän­dert wer­den. Dafür ist eine 2/​3 Mehr­heit erforderlich.

Das »Grund­ge­setz – GG« rückt des­halb in den Blick; es ist drin­gend zur (Re-)Lektüre emp­foh­len und nüch­tern zu betrach­ten. Denn was bei allem Gewe­se unge­klärt bleibt: Auf wel­chem »Humus« konn­te die AfD so erstar­ken? War­um ist die­se Par­tei in der Wäh­ler­gunst – nicht nur der Ost­deut­schen – so gewach­sen? Selbst­kri­tik der »Ampel-Par­tei­en«? Fehl­an­zei­ge! Inne­hal­ten bei der Par­tei Die Lin­ke? Fin­det nicht statt. In der Kri­se ist sie nicht Pro­fi­teur, son­dern die »Par­tei der Nicht­wäh­ler« (zwi­schen 40-50 %) Haben die Men­schen alle Hoff­nung fah­ren las­sen? In Hes­sen ist die AfD zweit­stärk­ste Par­tei. Dort hat­te Faeser dazu bei­getra­gen, dass die SPD in den letz­ten 10 Jah­ren 50 Pro­zent ihrer Wäh­ler und Mit­glie­der verlor.

Das Grund­ge­setz in Arti­kel 116 (Arti­kel-Über­schrift: »Begriff des ›Deut­schen‹; natio­nal­so­zia­li­sti­sche Aus­bür­ge­rung«) bestimmt schlicht, dass ein »Deut­scher« sei, der »die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit« besitzt. Die Pra­xis der »Nazi-Aus­bür­ge­rung« wird geheilt. Die ein­ge­bür­ger­ten Migran­ten gehö­ren also selbst­ver­ständ­lich dazu und sind Teil des »Deut­schen Vol­kes«. Ich habe zudem das größ­te Ver­trau­en, dass es im »Deut­schen Volk« kei­ne gro­ße Grup­pe gibt, die den Nach­barn, den Arbeits­kol­le­gen, den Sport- und Ver­eins­freund etc. »depor­tie­ren« oder »aus­bür­gern« möch­te! Arti­kel 16 Grund­ge­setz (Arti­kel-Über­schrift: »Aus­bür­ge­rung, Aus­lie­fe­rung«) bestimmt zudem ganz stark: »Die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit darf nicht ent­zo­gen werden.«

Im denk­wür­di­gen Arti­kel 1 Grund­ge­setz fin­det sich in Absatz 1 der fol­gen­rei­che Satz: »Die Wür­de des Men­schen ist unan­tast­bar.« – Wenn die »Wür­de des Men­schen« unan­tast­bar ist, war­um muss­te das grund­ge­setz­lich gere­gelt wer­den? – Im Absatz 2 »bekennt« sich des­halb das »Deut­sche Volk« (ein beson­de­res Rechts­sub­jekt): »Das Deut­sche Volk bekennt sich dar­um zu unver­letz­li­chen und unver­äu­ßer­li­chen Men­schen­rech­ten als Grund­la­ge jeder mensch­li­chen Gemein­schaft, des Frie­dens und der Gerech­tig­keit in der Welt.« – Das klingt doch gut und »fried­lich«!?

Über den Gleich­heits­satz des Arti­kel 3 wer­den im Kon­text der herr­schen­den Mei­nung auch Grund­rech­te, die nur »Deut­schen« vor­be­hal­ten sind (Art. 8 – Ver­samm­lungs­frei­heit, Art. 9 – Ver­ei­ni­gungs­frei­heit, Art. 11 – Frei­zü­gig­keit, Art. 12 – Berufs­frei­heit) zu »Jeder­manns­recht«. – Auch als Kon­se­quenz aus der Nazi-Zeit ist Arti­kel 3 (3) GG zu lesen: »Nie­mand darf wegen sei­nes Geschlech­tes, sei­ner Abstam­mung, sei­ner Ras­se, sei­ner Spra­che, sei­ner Hei­mat und Her­kunft, sei­nes Glau­bens, sei­ner reli­giö­sen oder poli­ti­schen Anschau­un­gen benach­tei­ligt oder bevor­zugt wer­den.« Und jeder weiß genau, was hier unter »Ras­se« zu ver­ste­hen ist; des­halb kein »Her­um­fin­gern« am Grundgesetz!

Die »Ent­na­zi­fi­zie­rungs­vor­schrif­ten« wer­den durch Arti­kel 139 Grund­ge­setz hin­aus erwei­tert. Dort heißt es: »Die zur »Befrei­ung des deut­schen Vol­kes vom Natio­nal­so­zia­lis­mus und Mili­ta­ris­mus« erlas­se­nen Rechts­vor­schrif­ten wer­den von den Bestim­mun­gen die­ses Grund­ge­set­zes nicht berührt.« – »deut­sches Volk« hier nicht als Eigen­na­me, son­dern »inklu­siv« gemeint: Der aus­ge­bür­ger­te Kom­mu­nist und die durch die Dik­ta­tur des Drit­ten Rei­ches aus­ge­grenz­ten Juden wur­den selbst­ver­ständ­lich ein­be­zo­gen! – Auch unter Bezug­nah­me auf die­sen Arti­kel kann gegen Faschis­mus bzw. faschi­sti­sche Umtrie­be vor­ge­gan­gen werden.

Weil wir jetzt in Kriegs- und Hoch­rü­stungs­zei­ten leben, sei auf die letz­te Grund­ge­setz-Ände­rung hin­ge­wie­sen. Die »Zei­ten­wen­de« brach­te in Arti­kel 87a Grund­ge­setz (Arti­kel-Über­schrift: »Streit­kräf­te«) den Absatz (1a): »Zur Stär­kung der Bünd­nis- und Ver­tei­di­gungs­fä­hig­keit kann der Bund ein Son­der­ver­mö­gen für die Bun­des­wehr mit eige­ner Kre­dit­er­mäch­ti­gung von ein­ma­lig bis zu 100 Mil­li­ar­den Euro errich­ten« – »kann« bedeu­tet nicht muss. Eine agi­le Frie­dens­be­we­gung soll­te kämp­fe­risch dazu bei­tra­gen, dass der maxi­ma­le Betrag nicht aus­ge­schöpft wird. So kann auch eine sol­che Bestim­mung in einem Not­stands­ar­ti­kel noch abge­mil­dert werden!?

Im Arti­kel 56 Grund­ge­setz (GG) ist auch der Amts­eid des Bun­des­prä­si­den­ten vor­ge­ge­ben. Er gilt über Arti­kel 64 Absatz 2 Grund­ge­setz glei­cher­ma­ßen für den Bun­des­kanz­ler und die Bun­des­mi­ni­ster. Der Wort­laut des »Amts­ei­des«: »Ich schwö­re, dass ich mei­ne Kraft dem Woh­le des deut­schen Vol­kes wid­men, sei­nen Nut­zen meh­ren, Scha­den von ihm wen­den, das Grund­ge­setz und die Geset­ze des Bun­des wah­ren und ver­tei­di­gen, mei­ne Pflich­ten gewis­sen­haft erfül­len und Gerech­tig­keit gegen jeder­mann üben werde.«

»Gerech­tig­keit gegen jeder­mann üben« – schließt AfD-Mit­glie­der und -Wäh­ler mit ein. Wie lie­ße sich das konkretisieren?

Mei­nem – als Nicht­ju­rist und Nicht­staats­recht­ler – dilet­tan­ti­schen Ritt durch das Grund­ge­setz und eigen­sin­nig nicht-»antideutschen« Blick auf das Grund­ge­setz möch­te ich mit einem Plä­doy­er enden las­sen: Suchen wir das mensch­li­che Gespräch mit (mög­li­chen) Wäh­lern der AfD. Dazu zäh­len auch vie­le Gewerk­schafts­mit­glie­der, die wir nicht »rechts« lie­gen las­sen dür­fen. Nut­zen wir die »Waf­fen« der Über­zeu­gung und des guten Argu­men­tes, der mensch­li­chen Ver­nunft und freund­li­chen und höf­li­chen Anspra­che. Die The­men müs­sen auf den Tisch und qua­li­fi­ziert dis­ku­tiert und ver­han­delt wer­den. Die Anspra­che als »Nazi« oder »Faschist« ist infla­tio­när, grund­falsch und ver­hin­dert Aus­tausch. – Als (»alter­na­ti­ves«) Pro­test­stimm­ver­hal­ten kann ich guten Gewis­sens das »Wahl­bünd­nis Sahra Wagen­knecht« empfehlen.

Die AfD ist eine klei­ne Par­tei von 40.000 Mit­glie­dern. Ihr feh­len die Kader, die Per­so­nal­decke ist sehr dünn. Sie ver­folgt ihre poli­ti­schen Geg­ner nicht mili­tant und mör­de­risch. Sie ver­fügt über kei­ne gro­ßen Vor­feld-Orga­ni­sa­tio­nen (SA-ähn­li­che Struk­tu­ren). Sie sitzt im Bun­des­tag mit knapp 80 Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten; 250 Abge­ord­ne­te hat sie in den Län­der­par­la­men­ten. Wird sie vom Groß­ka­pi­tal – wie die NSDAP – gespon­sert und ist sie Lieb­ling der Mono­pol­pres­se (Hugen­berg-Impe­ri­um!)? Die AfD – sie ist ernst zu nehmen!

Die Pro­te­ste der letz­ten Wochen ver­fe­sti­gen Hal­tun­gen. Ein erster empi­ri­scher Befund: Die Nach­wahl in Ber­lin im Febru­ar 2023 brach­te eine erschreckend nied­ri­ge Wahl­be­tei­li­gung von 51 Pro­zent. Trotz­dem konn­te die AfD-Kan­di­da­tin, die seit über einem Jahr in Unter­su­chungs­haft wegen des »Rol­la­tor-Put­sches« unter Füh­rung des Hein­rich XIII. Prinz Reuß sitzt, Bir­git Mal­sack-Win­ke­mann, bei der teil­wei­sen Wie­der­ho­lung der Bun­des­tags­wahl in Ber­lin ihr Ergeb­nis sogar aus­bau­en; und das nach allen Protesten …