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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Was Friedenspolitik voraussetzt

Es gab Zei­ten, da ana­ly­sier­ten vor allem die Par­tei­en und Strö­mun­gen der Arbei­ter­be­we­gung die Welt­la­ge als Vor­aus­set­zung für Poli­tik und Akti­ons­pro­gram­me. Der Sinn dafür ist abhan­den­ge­kom­men – ein wich­ti­ger Grund dafür, dass der Nähr­bo­den gedeiht, den Krieg als Mit­tel der Frie­dens­si­che­rung zu ver­klä­ren. Das Buch von Heinz Klip­pert wirkt dem mit syste­ma­ti­scher Ana­ly­se ent­ge­gen. Es beleuch­tet das Span­nungs­feld von Krieg und Frie­den ins­be­son­de­re nach dem Zwei­ten Welt­krieg. Klei­nert beginnt mit einer Kon­flikt­ana­ly­se, die zunächst »unter­schied­li­che Wahr­neh­mun­gen, Beweg­grün­de, Inter­es­sen und Deu­tungs­mu­ster« son­diert, kurz das Histo­ri­sche-Fak­ti­sche, um anschlie­ßend zu einem Ergeb­nis (Wert­ur­teil) zu gelan­gen. Heut­zu­ta­ge sind Begrif­fe wie »Ent­span­nungs­po­li­tik, Abrü­stung, Inter­es­sen­aus­gleich und fried­li­che Koexi­stenz« nicht nur Unwor­te, son­dern Aus­schluss­kri­te­ri­en bei Debat­ten. Klei­nert sieht eine »welt­wei­te Kriegs­trei­be­rei« am Wir­ken, wobei hier genau geschaut wer­den muss, wer da angeb­lich treibt, wer da hetzt. Aber Vor­sicht: Wis­sen­schaft­ler und Den­ker, die das tun und nicht die übli­chen Ver­däch­ti­gen benen­nen (Chi­na, Russ­land), wer­den schnell als »Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker« dif­fa­miert und aus der Debat­te ausgeschlossen.

Umso wich­ti­ger ist es, die­sem ideo­lo­gi­schen Angriff auf unse­re Demo­kra­tie ent­ge­gen­zu­wir­ken. Da kommt das Buch von Klip­pert gera­de recht, weil es syste­ma­tisch uns dabei hilft, in der »kom­ple­xen« Welt den Durch­blick zu orga­ni­sie­ren: mit der Metho­de, Schritt für Schritt die kom­ple­xen, schein­bar undurch­dring­ba­ren Zusam­men­hän­ge zu zer­le­gen, und eine »Anlei­tung« dafür zu lie­fern, wie Frie­den gesi­chert wer­den kann.

In einem ersten Schritt wer­den Ent­wick­lun­gen skiz­ziert, wie und wel­che Kräf­te aus dem Kal­ten Krieg nach 1945 mit Ent­span­nungs­po­li­tik den gro­ßen Krieg zwi­schen Ost- und West­block ver­hin­der­ten. In Deutsch­land ist das mit Namen wie Wil­ly Brandt und Egon Bahr verbunden.

Im zwei­ten Kapi­tel ent­fal­tet der Autor sei­nen erkennt­nis­theo­re­ti­schen Maß­stab, also sei­ne Theo­rie, mit der er die Fak­ten inter­pre­tiert (Ana­to­mie der mensch­li­chen Destruk­ti­vi­tät, Erich Fromm), um »Prä­gun­gen psy­cho­lo­gi­scher, schu­li­scher und gesell­schaft­li­cher Art« offen­zu­le­gen und dar­aus Stra­te­gien der Frie­dens­er­zie­hung zu ent­wer­fen. Aus die­ser Hin­ter­grund­ana­ly­se fol­gen Fra­gen, wie Gewalt­be­reit­schaft über­wun­den wer­den könn­te, wie der Mensch »Frie­den«, »Respekt« und »Tole­ranz« ler­nen kann, hin zu einem »reflek­tier­ten« Pazi­fis­mus mit dem Pri­mat der »Kriegs­ver­mei­dung«. Aus sei­nem Ansatz folgt zwin­gend, dass Bil­dung und Schu­le als Insti­tu­tio­nen der »Fried­fer­tig­keit« wei­ter­ent­wickelt wer­den müs­sen. Aller­dings darf nicht ver­ges­sen wer­den, wie die Appa­ra­te des Staa­tes und der Gesell­schaft (Mili­tär- und ande­re Gewalt­ap­pa­ra­te, Par­tei­en, Insti­tu­tio­nen) die­sen Ansatz kon­ter­ka­rie­ren. Der syste­ma­tisch und prak­tisch ange­leg­te Ansatz Klip­perts berei­chert und ermög­licht es, in der chao­tisch erschei­nen­den kom­ple­xen Welt­la­ge Fuß zu fas­sen und in die Rich­tung Frie­den ist mög­lich zu mar­schie­ren 

Heinz Klip­pert: Frie­den? Sichern! Anlei­tung zur Bele­bung pazi­fi­sti­schen Den­kens, West­end Ver­lag, Neu-Isen­burg 2024, 336 S., 24 €.