In der FAZ vom 2.11.24 wurde – sicher auch aus Anlass der Hochwasserereignisse in Spanien – über steigende Schäden berichtet, die sich bei Versicherungen und Rückversicherern als Schadenssummen auftürmen. Die betroffenen Menschen kann man selbstverständlich nur bedauern, obwohl etliche solcher Schäden mit dem wachsenden Reichtum in Verbindung zu bringen sind.
Viele dieser »Naturkatastrophen« sind gewissermaßen hausgemacht, etwa weil kanalisierte Flussläufe mit engem Durchschnitt durch einen Ort laufen und u.U. niemand je daran gedacht hatte, für diese Flüsse Entlastungskanäle und Sperrwerke anzulegen, um bei Hochwasser nicht die ganze Flut im Ort abarbeiten zu müssen. Das solche Maßnahmen grundsätzlich erforderlich sind, kann man an alten Orten wie z. B. Lüneburg beobachten, wo die Ilmenau im Ort sehr zentral zwei Mühlen mit Wasserkraft speiste und deshalb der Wasserstand reguliert werden musste. Dies geschieht schon über Dezennien hinweg durch einen »Lösegraben«, der bei hohem Wasserstand geflutet werden kann.
In einem Vortrag vor der Philosophischen Gesellschaft in Bremerhaven trat kürzlich, am 15.11.24, ein Spezialist der Wasserwirtschaft auf, Prof. Martin Grambow, und referierte zu dem Thema, die Landschaft neu denken zu müssen. Er lenkte dabei den Blick auf die moderne Landwirtschaft, die verrückterweise zu den größten Umweltsündern gehört. Über Jahrzehnte hinweg sei die Qualität der landwirtschaftlichen Böden durch den Einsatz von Pestiziden und Fungiziden geschädigt worden. Viele landwirtschaftliche Flächen seien praktisch tot, Regenwürmer beispielsweise, die mit ihrem Fressverhalten unzählige winzige Kanäle in den Boden bohren, gibt es dort nicht mehr. Im Ergebnis können diese Böden bei Regen kaum noch Wasser speichern, das Regenwasser fließt also weitgehend an der Oberfläche ab, wodurch Kanäle und Flüsse blitzschnell überlastet werden können. Im Nebeneffekt werden Sedimente mit weggespült, weswegen die Bilder bei Regenfällen schnell braune Fluten zeigen, die sich durch Orte ergießen.
Die Landwirtschaft ist bei den als Wasserspeicher kaum mehr tauglichen Böden dann schnell auf die Idee gekommen, Pflanzenkulturen zu bewässern. Pikanterweise zum Teil nur, um die sogenannte Qualität der Produkte zu sichern, also etwa bei Kartoffeln die für die Pommeshersteller erforderliche Größe. Übrigens wird für solche Bewässerung inzwischen mehr Wasser benötigt als für das Trinkwasser der Bevölkerung.
Der Referent betonte, dass eine Neubildung von Grundwasser kaum noch stattfindet, das Worst-Case-Szenario ist lange schon erreicht und steht mit den toten Böden in einem engen Zusammenhang. Nach den Flurbereinigungen vor 60 Jahren, als die Landwirtschaftskammern noch die Abholzung von Streuobstwiesen empfahlen, entstanden riesige Flächen, geeignet für schwere Maschinen, ohne Baum und Strauch. Die früher üblichen Hecken hatten selbst wieder eine wichtige Funktion, nämlich Wasser aus der Luft zu »ernten« und es damit dem Boden zur Verfügung zu stellen. Wir kennen aus Mecklenburg-Vorpommern inzwischen Staubstürme über den Feldern, die die Bodenerosion drastisch verstärken. Auch dort wird kein Wasser mehr gehalten.
In Spanien beispielsweise werden heute großflächig unter riesigen Plastikzelten z. B. Erdbeeren und Tomaten möglichst früh oder gar ganzjährig angebaut. Wo ein Plastikzelt steht, trifft kein Regentropfen mehr auf den Boden, aber die Kulturen werden ungehemmt bewässert. In den Substraten wird kein Regenwurm sein Leben fristen können. Natürlich spielt bei vielen Wetterereignissen die Erwärmung des Mittelmeeres eine Rolle, aber es kann sicher nicht schaden, den Blick auf die Bedingungen an Land zu richten; heutige Ereignisse monokausal zu interpretieren, ist ein gravierender Denkfehler.
Zusammenfassend wird man also die »Naturkatastrophe« als mitverursacht durch unzureichendes Wasser-, Boden- und Waldmanagement bezeichnen müssen. Die Katastrophe lag mithin lange vor der Katastrophe – in langen Jahrzehnten des Raubbaus an der Natur und einer grundlegenden Naturvergessenheit. Unser Kulturbegriff hat sich längst auf Häuser, Bauwerke und Entertainment aller Arten reduziert.