Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Was die Klimakrise kostet

In der FAZ vom 2.11.24 wur­de – sicher auch aus Anlass der Hoch­was­ser­er­eig­nis­se in Spa­ni­en – über stei­gen­de Schä­den berich­tet, die sich bei Ver­si­che­run­gen und Rück­ver­si­che­rern als Scha­dens­sum­men auf­tür­men. Die betrof­fe­nen Men­schen kann man selbst­ver­ständ­lich nur bedau­ern, obwohl etli­che sol­cher Schä­den mit dem wach­sen­den Reich­tum in Ver­bin­dung zu brin­gen sind.

Vie­le die­ser »Natur­ka­ta­stro­phen« sind gewis­ser­ma­ßen haus­ge­macht, etwa weil kana­li­sier­te Fluss­läu­fe mit engem Durch­schnitt durch einen Ort lau­fen und u.U. nie­mand je dar­an gedacht hat­te, für die­se Flüs­se Ent­la­stungs­ka­nä­le und Sperr­wer­ke anzu­le­gen, um bei Hoch­was­ser nicht die gan­ze Flut im Ort abar­bei­ten zu müs­sen. Das sol­che Maß­nah­men grund­sätz­lich erfor­der­lich sind, kann man an alten Orten wie z. B. Lüne­burg beob­ach­ten, wo die Ilmen­au im Ort sehr zen­tral zwei Müh­len mit Was­ser­kraft spei­ste und des­halb der Was­ser­stand regu­liert wer­den muss­te. Dies geschieht schon über Dez­en­ni­en hin­weg durch einen »Löse­gra­ben«, der bei hohem Was­ser­stand geflu­tet wer­den kann.

In einem Vor­trag vor der Phi­lo­so­phi­schen Gesell­schaft in Bre­mer­ha­ven trat kürz­lich, am 15.11.24, ein Spe­zia­list der Was­ser­wirt­schaft auf, Prof. Mar­tin Gram­bow, und refe­rier­te zu dem The­ma, die Land­schaft neu den­ken zu müs­sen. Er lenk­te dabei den Blick auf die moder­ne Land­wirt­schaft, die ver­rück­ter­wei­se zu den größ­ten Umwelt­sün­dern gehört. Über Jahr­zehn­te hin­weg sei die Qua­li­tät der land­wirt­schaft­li­chen Böden durch den Ein­satz von Pesti­zi­den und Fun­gi­zi­den geschä­digt wor­den. Vie­le land­wirt­schaft­li­che Flä­chen sei­en prak­tisch tot, Regen­wür­mer bei­spiels­wei­se, die mit ihrem Fress­ver­hal­ten unzäh­li­ge win­zi­ge Kanä­le in den Boden boh­ren, gibt es dort nicht mehr. Im Ergeb­nis kön­nen die­se Böden bei Regen kaum noch Was­ser spei­chern, das Regen­was­ser fließt also weit­ge­hend an der Ober­flä­che ab, wodurch Kanä­le und Flüs­se blitz­schnell über­la­stet wer­den kön­nen. Im Neben­ef­fekt wer­den Sedi­men­te mit weg­ge­spült, wes­we­gen die Bil­der bei Regen­fäl­len schnell brau­ne Flu­ten zei­gen, die sich durch Orte ergießen.

Die Land­wirt­schaft ist bei den als Was­ser­spei­cher kaum mehr taug­li­chen Böden dann schnell auf die Idee gekom­men, Pflan­zen­kul­tu­ren zu bewäs­sern. Pikan­ter­wei­se zum Teil nur, um die soge­nann­te Qua­li­tät der Pro­duk­te zu sichern, also etwa bei Kar­tof­feln die für die Pom­mes­her­stel­ler erfor­der­li­che Grö­ße. Übri­gens wird für sol­che Bewäs­se­rung inzwi­schen mehr Was­ser benö­tigt als für das Trink­was­ser der Bevölkerung.

Der Refe­rent beton­te, dass eine Neu­bil­dung von Grund­was­ser kaum noch statt­fin­det, das Worst-Case-Sze­na­rio ist lan­ge schon erreicht und steht mit den toten Böden in einem engen Zusam­men­hang. Nach den Flur­be­rei­ni­gun­gen vor 60 Jah­ren, als die Land­wirt­schafts­kam­mern noch die Abhol­zung von Streu­obst­wie­sen emp­fah­len, ent­stan­den rie­si­ge Flä­chen, geeig­net für schwe­re Maschi­nen, ohne Baum und Strauch. Die frü­her übli­chen Hecken hat­ten selbst wie­der eine wich­ti­ge Funk­ti­on, näm­lich Was­ser aus der Luft zu »ern­ten« und es damit dem Boden zur Ver­fü­gung zu stel­len. Wir ken­nen aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern inzwi­schen Staub­stür­me über den Fel­dern, die die Boden­ero­si­on dra­stisch ver­stär­ken. Auch dort wird kein Was­ser mehr gehalten.

In Spa­ni­en bei­spiels­wei­se wer­den heu­te groß­flä­chig unter rie­si­gen Pla­stik­zel­ten z. B. Erd­bee­ren und Toma­ten mög­lichst früh oder gar ganz­jäh­rig ange­baut. Wo ein Pla­stik­zelt steht, trifft kein Regen­trop­fen mehr auf den Boden, aber die Kul­tu­ren wer­den unge­hemmt bewäs­sert. In den Sub­stra­ten wird kein Regen­wurm sein Leben fri­sten kön­nen. Natür­lich spielt bei vie­len Wet­ter­ereig­nis­sen die Erwär­mung des Mit­tel­mee­res eine Rol­le, aber es kann sicher nicht scha­den, den Blick auf die Bedin­gun­gen an Land zu rich­ten; heu­ti­ge Ereig­nis­se mono­kau­sal zu inter­pre­tie­ren, ist ein gra­vie­ren­der Denkfehler.

Zusam­men­fas­send wird man also die »Natur­ka­ta­stro­phe« als mit­ver­ur­sacht durch unzu­rei­chen­des Was­ser-, Boden- und Wald­ma­nage­ment bezeich­nen müs­sen. Die Kata­stro­phe lag mit­hin lan­ge vor der Kata­stro­phe – in lan­gen Jahr­zehn­ten des Raub­baus an der Natur und einer grund­le­gen­den Natur­ver­ges­sen­heit. Unser Kul­tur­be­griff hat sich längst auf Häu­ser, Bau­wer­ke und Enter­tain­ment aller Arten reduziert.