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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Was Besseres

Das Bestre­ben jeg­li­cher Krea­tur, vom Guten zum Bes­se­ren zu kom­men, in allen Ehren. Bes­se­rung zu gelo­ben, ist ein Cha­rak­ter­merk­mal demü­ti­ger Beschei­den­heit. Sich selbst für etwas Bes­se­res zu hal­ten, steht auf einem ande­ren Blatt. Ist es im Lau­fe der Jah­re domi­nie­rend aufs gro­ße Blatt der Geschich­te die­ser Bun­des­re­pu­blik gelangt? Ja, die­ser auf deut­schem Ter­ri­to­ri­um als Rechts­nach­fol­ge­rin des Deut­schen Rei­ches gewach­se­nen staat­li­chen Ein­heit? Das nun geschicht­lich gese­hen zum deut­schen Ide­al­staat hoch­ge­prie­se­ne Gebil­de ver­leiht der Bewoh­ner­schaft ein gewis­ses Gefühl. Man spürt es: Erha­ben zu sein über andere.

Dar­in liegt ein Fluch: Das Grund­be­wusst­sein der deut­schen Bür­ge­rin­nen und Bür­ger ist eine vage Selbst­ge­wiss­heit: die oft ledig­lich als Bes­ser­wis­se­rei glos­sier­te Vor­stel­lung, immer und über­all etwas Bes­se­res zu sein. Der Kom­pa­ra­tiv wirft die Fra­ge auf: »Bes­ser als?« Er ver­flucht dazu, immer irgend­wo das weni­ger Gute, ja, das Schlech­te auf­zu­spü­ren. Not­falls, und das ist oft, muss man das ande­re eben schlecht machen. Man muss sich schüt­teln vor lau­ter Ekel im Ange­sicht des ande­ren – das bringt die edel­sten Gefüh­le der Über­le­gen­heit zum Wal­len. Man setzt dann nach dem gewin­nen­den Lächel-Lachen der »Win­ner« gern die Mie­ne des Mokie­rens über die »Loser« auf.

Das eng­li­sche »lose« bedeu­tet über das Ver­lie­ren hin­aus immer auch das Ange­schmiert-Sein des vom Unglück im Spiel Ver­folg­ten. Das deut­sche Wort »Los« steht da durch­aus Pate. Man zieht ein Los, ver­liert und lei­det dann unter dem Los. Glücks­rit­ter und Erfolg-Erstrei­te­rin­nen dür­fen ange­sichts des­sen schon eine Über­le­gen­heits­po­se ris­kie­ren. Der Erfolg ist schließ­lich Maß­stab für ein Recht­ha­ben. Der Kör­per streckt sich, die Gesichts­zü­ge heben sich, und der Blick wech­selt von oben her­ab nach unten. Welch erha­be­ner Anblick, muss man jenen ent­ge­gen­hal­ten, die da vor­schnell eine Arro­ganz dia­gno­sti­zie­ren. Dabei weiß man doch: Wer ein­mal den Begriff Tole­ranz so recht ver­in­ner­licht hat, ist immun gegen­über der­sel­ben. Und er wird die Igno­ranz immer nur bei den ande­ren verorten.

Nun heben die mensch­li­chen Lebe­we­sen die­ser Her­kunft oder Zuord­nung sich halt ein wenig ab von den die nach­bar­li­chen Bezir­ke besie­deln­den Leu­ten. Gemeint ist das klar ein­ge­grenz­te Are­al des von 1949 bis 1989 bestehen­den Staa­tes. Wer im stets so zutrau­lich als inner­deutsch bezeich­ne­ten Ter­rain öst­lich davon zuhau­se ist, wird nach dem unrühm­li­chen Ende des dort eta­blier­ten Staa­tes noch auf Distanz gehal­ten. In jahr­hun­der­te­lan­ger Erb­fol­ge gleich­ge­stellt ange­stamm­tes Gebiet wird als »Fünf neue Bun­des­län­der« extra sor­tiert. Selbst­be­stim­mung der Ein­woh­ner­schaft? Nun gut, sie ist nun föde­ral auf­ge­teilt, also ein­ge­schränkt. Bestimmt über sie wird da, wo gesetz­mä­ßig das Bes­se­re zuhau­se ist – west­lich davon.

Teil­ha­ben an allem, was die Bes­se­ren erlebt haben oder momen­tan erle­ben, dür­fen sie jedoch, als ob es das eige­ne Erleb­nis wäre. Die Erfol­ge waren halt stets dort aus­zu­ma­chen. Aber sobald etwas schief­läuft, ist die Gemein­sam­keit gefragt. Die Öst­li­chen rei­ben sich die Augen, wenn auch sie – oder womög­lich vor­zugs­wei­se sie – dem Ras­sis­mus oder dem Sexis­mus gefrönt haben oder frö­nen sol­len. Mer­ke: Fein­de müs­sen im Gegen­satz zu Freun­den immer gemein­sam gewe­sen sein. Wie sch­ofel behan­del­te der Osten den ver­eh­rens­wer­ten Hoch­adel! Die Hohen­zol­lern total zu ent­eig­nen! Wie konn­ten sie das wagen? Es war nicht ihr ein­zi­ger Feh­ler. Per­ma­nent müs­sen sie nun eines Bes­se­ren belehrt wer­den. Ein gutes Stück Arbeit, wel­ches die Kräf­te vie­ler gelehr­ter Poten­zen und Emi­nen­zen ver­zehrt. Auf­op­fe­rungs­vol­le Ein­sät­ze mit ener­gie­ge­la­de­nem Auf­tre­ten wer­den abver­langt. Ohne eine lukra­ti­ve Beloh­nung spielt sich da nichts ab.

Somit muss eben abge­war­tet wer­den, bis alle Nach­züg­ler end­lich das glei­che hohe Niveau erreicht haben. Rich­tig ange­lei­tet von einem bewähr­ten Füh­rungs­per­so­nal, ist das zu schaf­fen. Immer­hin wer­den in die­sen Lehr- und Lern­pro­zess die öst­lich angren­zen­den Mit­glied­staa­ten der EU mit ein­be­zo­gen. Von dort ist preis­wer­tes Per­so­nal für Arbeits­markt und Lust­sphä­re zu gewin­nen. Das Manage­ment der Inve­sto­ren ist gefragt. Geschäfts­mä­ßig lukra­tiv tätig wer­den, ist die Devi­se. Gewöhn­li­che Per­so­nen agie­ren da mit froh ent­spann­ter Mie­ne. Die gefor­der­ten außer­ge­wöhn­li­chen Per­sön­lich­kei­ten beflei­ßi­gen sich eher einer hoheits­mä­ßig gestei­ger­ten Mimik. Böse Zun­gen behaup­ten, dabei etwas von Guts­her­ren­art zu beob­ach­ten. Da ist eben noch etwas von der in der Dik­ta­tur gepfleg­ten Übel­neh­me­r­ei zu spüren.

Ande­re Völ­ker, ande­re Sit­ten. Wenn deren Volks­an­ge­hö­ri­ge als Bitt­stel­ler vor der Tür ste­hen, so sind sie her­ein­zu­las­sen. Geht es in gro­ßem Maß­stab um Schul­den­er­lass oder im klei­nen um Asyl, so soll­ten sie sich umge­hend alle hier gel­ten­den Sit­ten und Unsit­ten zu eigen machen. Unter Umstän­den sind sie dann in der Lage, das Her­ab­las­sen­de des Geba­rens ihrer Gönner(innen) gleich mit dem Erler­nen der neu­en müt­ter­li­chen Spra­che zu ver­in­ner­li­chen. Deren Brü­der und Schwe­stern öst­li­cher Her­kunft neh­men das auf alle Fäl­le ver­wun­dert zur Kennt­nis. Gestan­de­ne euro­päi­sche Nach­barn – von oben her­ab behan­delt, wer­den sie plötz­lich stör­risch und unleid­lich. Mer­ke: Ver­wand­te sind nur mit Vor­be­halt freund­schaft­lich zu begrü­ßen. Das Sprich­wort spricht nicht umsonst vom Guten als Feind des Bes­se­ren. Und umge­kehrt trifft es wahr­lich oft genug eben­falls zu.

Fort­schrit­te sind ganz objek­tiv gese­hen den­noch zu ver­zeich­nen. Bestimm­te Voka­beln der Arro­ganz sind nicht mehr en vogue. Wer spricht etwa noch von öst­lich unse­rer Gren­zen wohn­haf­ten »Unter­men­schen«. Inzwi­schen gibt es anders bezeich­ne­te, eben­falls nicht genau loka­li­sier­ba­re, ver­ach­tens­wer­te Ziel­grup­pen. Omi­nö­se »Rech­te« lau­ern hier­zu­lan­de an jeder Stra­ßen­ecke. Gras­sie­ren­der, über­stei­ger­ter Femi­nis­mus macht ganz schnell im männ­li­chen Teil der Bevöl­ke­rung zum Feind­bild mutie­ren­de Gestal­ten aus. Die Gleich­be­rech­ti­gung der Qua­si-Gou­ver­nan­te dem Qua­si-Gou­ver­neur gegen­über dürf­te doch legi­tim sein. Viel­leicht schafft die Bes­se­re im Ver­gleich zu dem Bes­se­ren das Pro­gramm noch bes­ser. Und kommt auf der Stra­ße der Besten viel weiter.