Es scheint bisher keine Partei ein Mittel gefunden zu haben, die Wahlerfolge der AfD abzuwenden. Ohne eine tiefer gehende Ursachenanalyse ihres Wählerzuspruchs, der ja in der westlichen Welt ein besorgniserregender Trend geworden ist, wird eine politische Gegenbewegung, von welcher Partei auch immer, in einer gefährlichen Defensive und Sackgasse enden. Eines jedenfalls dürfte klar sein: Wer Grundpositionen der neuen Rechten nur ansatzweise übernimmt, statt überzeugende alternative Lösungswege anzubieten, für Probleme, die ja vielen Wählern unter den Nägeln brennen, reißt die angebliche »Brandmauer« gegen sie endgültig ein. Die AfD wirbt nicht von ungefähr um ein Bündnis mit dem bürgerlichen Lager und profiliert sich als deren Vorkämpfer. Bloße Übernahme ihrer Forderungen oder Beschwichtigungspolitik bedeutet: Befeuerung ihres Aufstiegs. Das Grundproblem aller Parteien, die die Rechten zurückdrängen wollen, ohne Grundbausteine ihrer rechten Ideologie zu entlarven oder sogar, indem sie deren angebliche »Alternativen« übernehmen, um diese zu »exekutieren«, wie etwa radikale Abschiebungen, Aufrüstung, Entstaatlichung, Abbau des Sozialstaats, kurzum: Ellenbogengesellschaft, läuft ins Leere und befeuert diesen Aufstieg noch. Bisher hat m. E. keiner der gegnerischen Parteien wirklich begriffen, was die Glocke national und international geschlagen hat. Die AfD ist nur die Speerspitze des entfesselten Kapitalismus – deshalb auch die Nähe zum Trumpismus. Aber die Rechten bieten keine menschenwürdigen Alternativen an, weil ihr Denken mit der NS-Ideologie verwandt ist. Deshalb müssen folgende politische Grundfragen neu gestellt und beantwortet werden:
- Was sind Hauptursachen für die ständigen Kriege seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, und wie können sie realistisch beendet werden? Diese Kriege, ob in Jugoslawien, Irak, Libyen, Afghanistan, Syrien, Gaza, Jemen und schließlich in der Ukraine, sind federführend von den USA und ihren Nato-Verbündeten nach 1990 geführt worden, um angeblich die betroffenen Völker in ihrem Unabhängigkeitskampf gegen autoritäre und undemokratische Systeme und gegen den internationalen Terrorismus zu unterstützen. In Wirklichkeit sind dabei Millionen Menschen ums Leben gekommen oder geflohen und diese Länder zerstört worden. Auch die westliche Welt ist davon selbst unsicherer geworden; tödliche Anschläge, ethnische und soziale Spaltungen, Inflation usw. haben auch die westlichen Gesellschaften destabilisiert und die Staatsverschuldungen ins Unermessliche gesteigert. Profitiert haben davon vor allem die Rüstungsaktionäre. Die westliche Globalstrategie versucht nach ihrem »Sieg« im »Kalten Krieg« und dem Zusammenbruch des Sowjetsystems die globale Vorherrschaft immer weiter auszudehnen. So sind jetzt auch die Ambitionen Trumps in Panama, Kanada und Grönland nur eine Weiterentwicklung davon. Dennoch ist diese Weltpolitik auf Dauer zum Scheitern verurteilt, weil der versuchte Export des westlichen Systems gegen den friedensstiftenden Kern der UN-Charta verstößt, die Welt immer mehr spaltet und damit den stärker werdenden Widerstand der Mehrheit der Weltbevölkerung hervorruft, die sich etwa in den BRICS-Staaten organisierten. Die Illusion westlicher Ideologie und Praxis basiert darauf, dass ihre Globalisierung – kriegerische Expansion und Aufrüstung – die Welt friedlicher und lebenswerter machen könnte. Das Gegenteil davon ist der Fall! Nur der globalen Wandel durch gegenseitige politische, wirtschaftliche und kulturelle Annäherung und Durchdringung, mit Hilfe der durch Abrüstung frei werden Steuerbillionen, kann diese Welt friedlicher machen und die Gewalt auslösenden universellen Spaltungen, die Gefahr eines 3. Weltkrieges zurückdrängen. Deshalb ist die Stärkung der Weltfriedensbewegung über alle Grenzen gesellschaftlicher Organisationen und Parteien hinweg das alternativlose Hauptmittel gegen diese selbstmörderische westliche Vorwärts-Strategie.
- Was haben die Flüchtlingskrisen damit zu tun, die den Rechten besonders in die Hände spielen, und wie können sie menschenwürdig bewältigt werden? Es ist verständlich, dass die Millionen Flüchtlinge, die aus Kriegs- und Elendsgebieten, zunehmend auch durch die ökologische Krise, nach Nordamerika, nach Mittel-, Süd-, Nord- und Westeuropa drängen, die dort lebende, einheimische Bevölkerung immer stärker beunruhigen und soziale Ängste auslösen, die dann von den Rechten geschürt werden, um damit Stimmen zu gewinnen. Sie werden als Migranten in die überstrapazierten Sozialsysteme, als Konkurrenten um teurer werdende Wohnungen und um Arbeitsplätze wahrgenommen und tragen in der öffentlichen (und veröffentlichten) Wahrnehmung dazu bei, die Gewaltkriminalität zu erhöhen. Die Ursachen, ihrer Flucht werden dabei weitgehend auch von den herrschenden politischen Klassen, im Verein mit den Rechten, verdrängt. Die Wut wird auf die Flüchtlinge projiziert, nicht aber auf die Verursacher ihrer realen Misere. Die Worte »Abschiebung« oder »Remigration« suggerieren deshalb Scheinlösungen, weil damit nur Symptome bekämpft werden. Denn die meist vom Westen mitverschuldeten Fluchtursachen in den einst kolonialen Herkunftsländern werden dadurch nicht gelöst, sondern nur durch eine friedensstiftende Entwicklungs-, Wirtschafts- und Außenpolitik zurückgedrängt.
- Welche Interessen stecken hinter der neoliberalen Wirtschaftsstrategie kapitalistischer Globalisierung, die die ökologische Krise verschärft, und was kann gegen diese sozial-ökologische Ausbeutung getan werden? Die Haupttriebkräfte hinter diesem erneut entfesselten, globalisierten Kapitalismus lassen sich – so klar wie noch nie zuvor – an der Zusammensetzung der jetzigen USA-Regierung erkennen, wo ohne jegliche Tarnung, Multi-Milliardäre, wie Musk, Zuckerberg und Trump den Ton angeben. Sie versuchen sich und ihresgleichen von staatlicher und internationaler Regulierung zu befreien. Der Ausstieg aus dem Weltklima-Abkommen und der Weltgesundheitsorganisation, das extensive Bohren nach Gas, Öl usw. wird die ökologische Krise und die soziale Spaltung skandalös anheizen. Diese Politik wird die Reichen weiter immer reicher und die Armen immer ärmer machen, allen illusionären Versprechungen zum Trotz. Das symbolisiert ein reaktionäres Menschen- und Gesellschaftsverständnis, das »Recht des Stärkeren«, das in die Zeiten des Manchester-Kapitalismus zurückweist. Es ist nur zu hoffen, dass sich dadurch die Widerstandsbewegung der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft und aller demokratischen Kräfte in einer multipolaren Welt viel stärker als bisher solidarisieren und der Versuchung widerstehen, einer illusionären Beschwichtigungspolitik der »offenen Hände« zu vertrauen.
- Warum sind ein solider Sozialstaat und die Überwindung desolater Infrastrukturen, die mehr soziale Sicherheit gewährleisten, mit einem Schuldenstaat unmöglich? Die Kernforderung demokratischer Volksherrschaft, im Gegensatz zu autokratischer Alleinherrschaft wohlhabender Minderheiten, ist die Sicherung des Gemeinwohls für die Mehrheit der Bevölkerung. Das heißt nicht nur mehr Teilhabe durch gerechte Löhne und Gehälter, sondern Finanzierung eines soliden Sozialstaates und einer intakten Infrastruktur. Das aber ist nicht durch einen Schuldenstaat oder durch Schuldenbremsen, gar Steuererleichterungen auf Kosten der Allgemeinheit zu leisten. Deshalb ist die Durchsetzung von progressiven Steuern das A und O, die zugleich technologischer Modernisierung und dem notwendigen ökologischen Umbau zugutekommen können. Ein Schuldenstaat, der auch noch Billionen für Aufrüstung und desaströse Kriege zur Bereicherung der Rüstungsaktionäre verschleudert, kann diesen Aufgaben niemals gerecht werden. Deshalb hängen der politische Kampf um gerechte Steuerpolitik, ökologischer Umbau und Friedenspolitik untrennbar zusammen.
- Inwiefern weist die Strategie der neuen Rechten, Parallelen zur NS-Ideologie auf, und warum helfen dagegen nur breite Bündnisse? Wer Wähler der neuen Rechte zurückzugewinnen versucht, kommt nicht umhin, die ideologischen Scharniere zur NS-Ideologie offenzulegen, die trotz aller modernisierten Rhetorik deutlich vorhanden sind. Diese Gesinnung beruht auch auf tiefen Schwächen der Erinnerungskultur nach 1945. Der Nationalismus erfüllt die alte und neue Funktion, den Kampf zwischen Herrschenden und Beherrschten zum Kampf gegen die Migranten umzulenken, so wie einst gegen die Juden, um sie zu »remigrieren«. Die Migrationsursachen werden verdrängt. Geschürt wird dagegen ein nationales, patriotisches Gemeinschaftsgefühl, das mit den Herrschenden Bündnisse sucht, weil das angeblich der Nation zugutekommt, weil alle angeblich in »einem Boot« sitzen. Der Populismus stellt sich scheinbar gegen die herrschenden Eliten auf die Seite des »kleinen Mannes« und behauptet von sich, den wahren Willen des Volkes zu repräsentieren. Trump und die AfD inszenieren sich zugleich als »Opfer« des Rechtsstaates, obwohl sich in ihren Reihen kriminelle Täter und Volksverhetzer befinden, die die Artikel demokratischer Verfassungen aushebeln wollen. Die Autokratie will einen patriarchalischen Führerkult implantieren, der auf den lange tradierten Untertanengeist und die Autoritätsgläubigkeit der Bevölkerung setzt, die im täglichen Existenzkampf oft nicht in der Lage ist, ausreichendes politisches Wissen und Kompetenz zu erwerben. Der Imperialismus ist das radikale außenpolitische Programm der Rückkehr zum deregulierten Kapitalismus, so wie einst die USA entstand und zur Weltmacht aufstieg, als die Macht des »weißen Mannes« über die Schwächeren, die Indigenen und anderer Konkurrenten weltweit den »Sieg« davontrug. Die Freiheitsstatue im Hafen von New York, mit der erhobenen Fackel in der rechten Hand und der sieben zackigen Krone, symbolisiert den imperialen Anspruch der Herrschenden in den USA, wie einst die Freiheitsgöttin im alten Rom, nunmehr ihre bürgerlichen Freiheiten über die sieben Weltmeere und sieben Kontinente zu verbreiten. Das bedeutet heute: »Make Amerika great again!«
Wie die Illusionen des Römischen Imperiums und sein Zerfall schließlich endeten, wissen wir heute sehr genau: Die Unabhängigkeitsbewegungen der Völker in den römischen Kolonien, die zugleich an dem geraubten Reichtum partizipieren wollten, brachten schließlich eine neue Gesellschaftsordnung hervor.