»Alle Personen dieses Buches stellen Typen dar, nicht Portraits.«
Klaus Mann
Wer sich des Spielfilms mit Klaus Maria Brandauer als Hendrik Höfgen (sprich Gustaf Gründgens) erinnert, vielleicht auch die kürzlich vom Norddeutschen Rundfunk ausgestrahlten Ausschnitte aus Klaus Manns Roman gehört hat, wird die jüngst erschienene Neuauflage des »Mephisto« begrüßen. Mag auch so manch einer dem Autor zustimmen: »Typen nicht Portraits« – im Film jedenfalls wurde Hendrik Höfgen überzeugend dargeboten, sehr wirklich, sehr sinnlich, das war alles andere als nur die Darstellung eines Typs. Auch wie im Rundfunk Höfgen dem Hörer nahegebracht wurde, war vollendet. Beim Lesen der Buchfassung jedoch tat ich mich schwer mit der Metamorphose des vom Kommunismus schwärmenden Schauspielers bis hin zum Mitläufer der Nazis und Günstling Görings. Auch schien mir der Mann zu verkommen angelegt, zu fies, charakterlich zu verwahrlost, um auf der Bühne einem Hamlet, einem Franz Moor gerecht werden zu können – doch dann: Mimen sind Mimen! Am Ende traute ich ihm sogar seine glanzvollen Abstecher ins komische Fach zu. Der Göring im Roman wirkte auf mich rundum überzeugend, auch der Schauspieler Otto Ullrichs, ein Kommunist, der in den Gestapo-Kellern standhaft bleibt bis in den Tod.
Aus heutiger Sicht erschien mir der Roman immer dort zu lang, wo Klaus Mann glaubte, über die Auswüchse des Faschismus dozieren zu müssen. Andererseits: Jungen Lesern, die von den Exzessen in Nazideutschland wenig wissen, werden durch solche Passagen die Augen geöffnet. Und wo Klaus Mann einen Göring, einen Goebbels satirisch zerpflückt, er die Volksverhetzer nach Strich und Faden auseinandernimmt, ist er äußerst aktuell. Mag sein, dass »Mephisto« nicht so heftige Wellen schlagen wird wie zu seiner Entstehungszeit – 1936 war der Roman eine Großtat! – seine Bedeutsamkeit bleibt. Das Buch sollte gerade heutzutage gelesen werden!
Klaus Mann: »Mephisto«, Roman, Rowohlt Verlag, 415 Seiten, 20 €