Eugen Ruge hatte Akteneinsicht, und was er zutage förderte, bleibt unbestritten: Vernehmungsprotokolle zuhauf, Todesurteile, Verbannungen. Der stalinistische Terror jener Moskauer Jahre 1936/37 war fürchterlich, er hat Nachwirkungen bis in die Gegenwart – allein die Vorstellung ist grauenvoll, dass in russischen Kerkern Kommunisten gefoltert und getötet wurden, darunter zahllose deutsche, die den Henkern der Nazis entkommen waren, nicht wenige auch, die im Auftrag der deutschen KP in der Komintern für die Weltrevolution wirken sollten. Von solchen Männern und Frauen erzählt Eugen Ruges Roman »Metropol«, er erzählt, wie sie verschwanden, ihre Schar zerrüttet und dezimiert wurde und wie jeder für sich aufs nachmitternächtliche Knacken des Aufzugs im Wohngebäude lauschte und dem dann folgenden Klopfen an der Tür: Holen sie jetzt dich oder den Genossen nebenan? Sie verschwanden im Glauben an Stalin, gingen in den Tod mit seinem Namen auf den Lippen – wenn Stalin davon wüsste, dachten sie, er würde es nicht dulden. Väterchen Stalin würde es verhindern! So gingen sie, einer nach dem anderen, den Weg zur Erschießung oder zur Verbannung. Auch wenn sie gestanden hatten, den Foltern erlegen waren, blieben sie sich ihrer Unschuld bewusst. Gegen Ende des Romans sind ihre Reihen gelichtet, und wer übrig blieb, fragte sich, warum er verschont wurde.
Egon Ruges Buch ist ein düsteres Buch, düsterer als Arthur Köstlers »Sonnenfinsternis« oder Nino Haratischwilis »Das achte Leben«. »Metropol« ist so kalt, so dunkel, dass der Alltag, das tägliche russische Leben (das ja weiterging, bei allem Tragischen weitergehen musste) völlig überschattet bleibt. Es drängt sich die Frage auf, was dieser neuerliche Dolchstoß gegen den Kommunismus bewirken soll. Stalin ist tot, der Stalinismus ist überwunden, die Sowjetunion gibt es nicht mehr. Soll die Schilderung jener mörderischen Vergangenheit dazu führen, das Jetzt und Heute unserer gegenwärtigen Welt zu akzeptieren? Das wird Eugen Ruge nicht gewollt haben. Was aber will er?
Eugen Ruge: »Metropol«, Rowohlt, 432 Seiten, 24 €