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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Walter Kaufmanns Lektüre

Zwei­fel­los wird man der jun­gen Angie Tho­mas, die an der Bel­ha­ven Uni­ver­si­ty in Jack­son, Mis­sis­sip­pi ihren Bache­lor-Abschluss im Fach Krea­ti­ves Schrei­ben gemacht hat­te, ein gerüt­telt Maß an Richt­li­ni­en mit auf den Weg gege­ben haben: Fabel, Auf­bau, Glie­de­rung …, kurz­um Hin­wei­se zu allem, was einen Roman hand­fest und gut les­bar macht. Talent aber ist nicht lehr­bar. Angie Tho­mas hat See­le, hat Gespür, hat Sinn für Atmo­sphä­ri­sches, ist stets am Puls des Gesche­hens, und hin­hö­ren kann sie, dass es eine Lust ist – so spre­chen die Afro­ame­ri­ka­ner der Ghet­tos und so, wenn es sie in die Welt der Wei­ßen ver­schlägt. Und ihr Fami­li­en­sinn, die­ses Ein­an­der-Brau­chen, Für­ein­an­der-da-Sein – Angie Tho­mas stellt einen Zusam­men­halt dar, wie sie ihn von Kind­heit an erfah­ren haben wird. Der ist quer durch den Roman spür­bar. In »The Hate U Give« wirkt jede Bege­ben­heit authen­tisch. Und soll­te es im Leben der Angie Tho­mas nie einen Jugend­freund gege­ben haben, der von einem Strei­fen­po­li­zi­sten erschos­sen wor­den ist, ihre Schil­de­rung, wie eine sol­che Gewalt­tat abläuft, lässt glau­ben, dass die tat­säch­lich vor ihren Augen pas­sier­te: die Panik der Frau ange­sichts des blin­ken­den Blau­lichts (Starrs Panik im Buch); der Trotz des jun­gen Schwar­zen am Steu­er; die­se aus der Angst gebo­re­ne Schieß­wut des wei­ßen Poli­zi­sten – Mord im Dun­kel der Nacht auf einer öden Vor­stadt­stra­ße von Jack­son, Mis­sis­sip­pi. Stel­le den an den Anfang des Romans, und dann stei­ge­re die Span­nung bis hin zu den Pro­test­kra­wal­len. So wird man es ihr gera­ten, so wird sie es sich selbst gera­ten haben, und folg­lich ist ein Roman ent­stan­den, der packen­der nicht sein kann, nicht aktu­el­ler bei all den Poli­zi­sten­mor­den in den USA, ein Buch über jun­ge Schwar­ze aus dem Ghet­to von Jack­son, das von einem Dro­gen­boss und sei­ner Gang tyran­ni­siert wird, und über jun­ge Wei­ße aus wohl­ha­ben­der Gegend, die in Vil­len woh­nen und in teu­ren Autos zum Unter­richt gefah­ren wer­den. Ein Buch rund­um über jun­ge Leu­te, dabei durch­aus nicht nur für eine der­ar­ti­ge Leser­schaft. Es gibt kur­ze Roma­ne, die lang, und lan­ge Roma­ne, die kurz sind – die fünf­hun­dert Sei­ten von »The Hate U Give« lesen sich wie im Fluge.