Die Antworten der Gysi-Geschwister Gabriele und Gregor auf Fragen zu ihrem Vater lassen das Bild einer eng verbundenen Familie erkennen, in der sich die Geschwister geborgen wussten, abgeschirmt gegen die Widrigkeiten des Alltags und zugleich frei und ungebunden. Beide äußern sich liebevoll über ihren Vater, Klaus Gysi. Sie erinnern sich bildhaft an ihn, und das oftmals mit Humor, zuweilen aber auch sanft-kritisch. Der Vater war kein Mustervater, war viel unterwegs und selten greifbar. Doch wenn er sich Zeit für sie nahm, dann mit Verve, er ging auf ihre Eigenwilligkeiten ein und ließ konträre Ansichten an sich heran. Er hörte zu, wägte ab, und nicht selten reagierte er auf ihre Fragen mit einer Gegenfrage. Sohn und Tochter, erkannten sehr wohl, was für ein Filou er sein konnte, ein Schlaukopf, ein Schelm. Dabei erfüllten sie seine Leistungen mit Stolz, die würden sie von niemanden schmälern lassen: Sie wussten, prägende Erfahrungen hatten den Vater zum Kommunisten gemacht – als Junge musste er erleben, wie ein demonstrierender Arbeiter von einem Polizisten angeschossen wurde und leblos auf dem Pflaster liegen blieb –, und sie begriffen, warum er die Ideale seiner Jugend hochgehalten und seinen Überzeugungen stets treu geblieben war, als Illegaler in Nazideutschland, im Widerstand seinen Mann stehend, und später als Kulturminister und Botschafter der DDR und auf manch anderen Posten noch. Funktionär und Feingeist, Genosse und Genießer, so hatten ihn viele gesehen, und so sahen ihn Gabriele und Gregor Gysi auch. Und das, just das, macht das Interview mit den Geschwistern so lesenswert. Und betont sei letztlich, wie luzid Gregor Gysi sich gegen die Frage verwehrte, ob sein Vater der Funktionär eines Unrechtsstaats gewesen wäre. Das sei keine Frage, sondern eine Unterstellung, entgegnete Gysi dem Fragesteller scharf. Sei es denn denkbar, dass einer der gegen den Unrechtsstaat der Nazis gekämpft hatte, nach dem Sieg am Aufbau eines gleichgearteten Staates teilhaben würde?
Gabriele und Gregor Gysi: »Unser Vater«, ein Gespräch herausgegeben von H. D. Schütt, Aufbau Verlag, 152 Seiten, 16 €