Genossen haben wir dieses Weihnachtsfest. Die Kinder haben wie im Rausch ihre Geschenke ausgepackt. Die knusprig gebratene Ente mit den selbstgemachten Semmelknödeln war noch köstlicher als das Raclette am Vortag. Der Altglascontainer in unserem kleinen Dorf quoll die Tage nach dem Fest über von grünen und braunen Flaschen, in denen noch bis wenige Tage vor dem Fest guter Rotwein auf das Entkorken gewartet hatte.
Viele Weihnachten habe ich schon erlebt. Die in meiner Jugend waren geprägt vom erleichtert ausgesprochenen Wort von der »Nachkriegsweihnacht«, die fast wieder so schön sei wie die Weihnachtsfeste »vor dem Krieg«. Sie machte die Tage vergessen, in denen sich die Freude über den warmen Kerzenschein gemischt hatte mit der bangen Furcht um »die an der Front« – ob sie das Paket, das in den Adventstagen auf die Reise nach Osten geschickt worden war, denn auch erhalten hätten, vor allem aber, ob sie noch lebten.
Inzwischen gehen wieder Pakete nach Osten – nach Afghanistan und an die sich langsam an die russischen Grenzen vorschiebenden NATO-Garnisonen östlich von Polen. Die fast widerstandslos beschlossenen dramatischen Erhöhungen der Rüstungsausgaben werden sich, wenn ihr Tempo beibehalten wird, noch zu unseren Lebzeiten in einem dritten großen Krieg entladen.
Von Kriegs- oder auch Nachkriegsweihnachten redet heute niemand mehr – die Erinnerung an die bangen Nächte der ersten Hälfte der vierziger Jahre beginnt spürbar zu verblassen in diesem Volk. Von Zwischenkriegsweihnachten war nie die Rede – zu stabil schien vor allem dank der besonnenen Stärke des Warschauer Paktes der Friede in den goldenen Jahrzehnten des Kapitalismus.
Anderen mag es anders gehen: Ich bekenne, dass sich zwischen Ente und Rotwein und mit bangem Blick auf meine vielen Kinder das Wort von der Vorkriegsweihnacht, die wir genießen durften, immer lästiger in meinem Kopf eingenistet hat.