Als er am 9. November 1848 standrechtlich erschossen wurde, trauerte ganz Deutschland. Der Publizist und Verleger Robert Blum (geb. 1807) war der wohl populärste Politiker der 1848er-Revolution. Nach seiner Erschießung begann ein Mythos zu wuchern, gewissermaßen das zweite Leben des Robert Blum. Heute ist er dagegen nahezu vergessen, dabei hatte er Ideen von Deutschland und Europa, die erst im 20. Jahrhundert Gemeingut wurden.
Der Historiker Ralf Zerback hatte bereits 2007 zum 200. Geburtstag im Leipziger Lehmstedt Verlag eine Blum-Biografie vorgelegt, die binnen zwei Jahren komplett vergriffen war. Anlässlich des 175. Jahrestages der Revolution von 1848/49 erlebt sie nun eine Neuauflage. Auf der Grundlage zahlreicher neu erschlossener Quellen erzählt der Autor detailreich und mit einem ausgeprägten Sinn für Dramaturgie den stürmischen Aufstieg Blums vom arbeitslosen Handwerkergesellen zum Wortführer der Linken im ersten deutschen Parlament, von seinem Wirken in der Revolution, von seiner Festnahme als Barrikadenkämpfer in Wien und schließlich von seiner Hinrichtung. Im Gegensatz zu den meisten politischen Gefährten und den Abgeordneten der Frankfurter Paulskirche kam er aus kleinen Verhältnissen, profilierte sich zunächst als Theaterdiener und erreichte dann als Publizist und Volksredner, als politischer Agitator eine immer größere Öffentlichkeit. In der Nationalversammlung forderte Blum eine Emanzipation der arbeitenden Klassen durch Bildung und Beteiligung an politischen Entscheidungen. Außerdem unterstützte er das Konzept eines in allen Teilen freien Europas.
Als das Paulskirchen-Parlament jedoch immer stärker unter konservativen Einfluss geriet, schloss sich Blum den Aufständischen in Wien an, wo er verhaftet, zum Tode verurteilt und einen Tag vor seinem 41. Geburtstag hingerichtet wurde. Seine letzten Worte waren: »Ich sterbe für die deutsche Freiheit, für die ich gekämpft. Möge das Vaterland meiner eingedenk sein.« Jahrzehntelang wurde er zum »Märtyrer der Revolution« und »Erschossen wie Robert Blum« fortan zu einem geflügelten Wort.
Zerback schildert Blum aber nicht nur als europäischen Visionär, sondern zugleich als Pragmatiker und nüchternen Realpolitiker. Auf den dreihundert Seiten gelingt es ihm, neben dem Menschen und dem nimmermüden Aktivisten Robert Blum auch einen lebendigen Eindruck von der bewegten und bewegenden Epoche des Vormärz, der Revolution von 1848 und dem Versagen der ersten deutschen Nationalversammlung zu vermitteln. Ergänzt wird die Biografie durch zahlreiche zeitgenössische Illustrationen und Porträts von Robert Blum.
Ralf Zerback: Einigkeit und Recht und Freiheit – Das Leben des Robert Blum, Lehmstedt Verlag, Leipzig 2023, 2. Aufl., 359 S., 25 €.
In der »Edition Paulskirche« erschien ebenfalls kürzlich ein Buch mit Originaltexten und einem Vorwort von Gabriele Gillen. Robert Blum: Es ist 5 Uhr und um 6 werde ich erschossen, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023, 192 S., 15 €.