Wie bei vielen Veranstaltungen wird auch beim RUDOLSTADT-Festival, einst Tanzfest, ein Blick zurück geworfen. Die Historie von Instrumenten und die Geschichte von Arbeiter- und Volksliedern standen bisher meist im Mittelpunkt. 2019 ist man gehalten, an den Umbruch vor 30 Jahren zu erinnern. Aus diesem Grunde stellte der Christoph Links Verlag mit seinem namengebenden Verleger den Band »Kein Land in Sicht – Gespräche mit Liedermachern und Kabarettisten der DDR« von Michael Kleff und Hans-Eckardt Wenzel im kleinen, also überfüllten Klubtheater vor. Die beiden Herausgeber sind Tanzfest-Urgesteine. Ihr Buch vereint gut zwei Dutzend Künstlersichten aus den Jahren 1990 und 1992 – mit einem Vorwort von Kleff und dem Wenzel-Essay »Unser Lied die Ländergrenzen überfliegt«. Dass in der Zeit von – oft opportunistisch gefärbten – Rückschauen Originaldokumente ihre eigene Wahrheit haben, wurde bei dieser Buchpremiere deutlich.
Weil es zu jedem Festival auch ein besonders beachtetes Gastland gibt, ist die diesjährige Wahl – nämlich Iran beziehungsweise dessen historischer Vorgänger Persien – bemerkenswert. Wurde dies doch vor über einem Jahr beschlossen, als Trump noch Nordkorea zürnte und das Atomabkommen mit dem Iran noch als beschlossen galt. Quasi in vorauseilendem Ungehorsam hatten die Festivalmacher das bedeutende Musikland zum diesjährigen Favoriten erkoren. Kritik an dem ideologisch fernen Land wird nicht verschwiegen: Mullah-Regime, Diskriminierung von Frauen, Zensur, Hinrichtungen – nein, nicht die im Todesurteil-Trumpland sind gemeint. Iran hat vor allem eines zu sein: Schurkenstaat Nr. 1.
Nun wohnt in Rudolstadt ein überaus rühriger Ire namens Karol, der nicht nur die alljährliche grüne Erleuchtung der Heidecksburg, des Stadtwahrzeichens, anregte, zum Festival die Einrichtung eines irischen Pubs besorgte und alle Welt bereiste. Der sprach kürzlich öffentlich auch über den Iran. Und er sagte das, was ich schon von allen, wirklich allen Iran-Reisenden hörte: Im Iran lebe ein überaus hilfsbereites, gastfreundliches, gebildetes Volk, wenn man dafür nicht gar den Superlativ nutzen müsste. Bleibt die Frage: Wer hat es erlaubt, in der neuen Konfrontationszeit den Iran zu ehren?