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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Von Gottes Gnaden

Eine sei­ner ersten Amts­hand­lun­gen galt der Begna­di­gung unschul­dig ein­ge­sperr­ter Men­schen. Donald Trump for­der­te den Gene­ral­staats­an­walt dazu auf, über 1.500 Straf­tä­ter frei­zu­las­sen. Nein, kei­ne Häft­lin­ge, die auf­grund frag­wür­di­ger Urtei­le in Bun­des­ge­fäng­nis­sen ein­sit­zen und deren Haft­zeit in Bewäh­rungs­stra­fen umzu­wan­deln der Prä­si­den ver­an­las­sen kann. Frei­zu­las­sen waren umge­hend Straf­tä­ter, die im Zusam­men­hang mit dem Sturm auf das Kapi­tol im Janu­ar 2021 ver­haf­tet wor­den waren, denn nach Aus­sa­gen Trumps han­delt es sich hier nicht um ver­ur­teil­te Straf­tä­ter, son­dern um »Gei­seln« der »Biden-Justiz«. Und nicht nur Kapi­tol-Stür­mer, auch radi­ka­le Abtrei­bungs­geg­ner wie Pau­let­te Har­low, die ver­ur­teilt wor­den war, weil sie den Zugang zu einer Abtrei­bungs­kli­nik blockiert hat­te, wur­den begna­digt. Trump wer­te­te ihre Ver­ur­tei­lung als Ver­fol­gung von Gläu­bi­gen. Statt­des­sen for­der­te er Gerech­tig­keit für die gegen Kir­chen »ver­üb­te Gewalt­ta­ten, Dieb­stäh­le und Brand­stif­tun­gen«, die sei­ner Mei­nung nach von der »Biden-Admi­ni­stra­ti­on« igno­riert wor­den sei­en. »Die vor­he­ri­ge Regie­rung nahm in unge­heu­er­li­cher Wei­se fried­li­che Chri­sten ins Visier.«,

Trump insze­niert sich als wah­ren Ver­tei­di­ger der christ­li­chen Wer­te. Er glaubt, dass die Men­schen »ohne Reli­gi­on nicht glück­lich sein kön­nen«. Sei­ne Mis­si­on: Er will sein Land wie­der als eine Nati­on unter Gott zusam­men­zu­füh­ren. »Lasst uns die Reli­gi­on zurück­brin­gen. Brin­gen wir Gott zurück in unser Leben.« Vor kur­zem lud er zum »Natio­na­len Gebets­früh­stück« ein – ein Anlass, den er nutz­te, um für die »Aus­mer­zung anti­christ­li­cher Vor­ur­tei­le« (Era­di­ca­ting Anti-Chri­sti­an Bias) zu wer­ben. Dabei kün­dig­te er auch die Grün­dung einer Task Force unter der Lei­tung der neu­en Justiz­mi­ni­ste­rin Pam Bon­di an, die gegen anti­christ­li­che Gewalt vor­ge­hen soll. Und er attackier­te – noch immer im Trump’schen Wahl­kampf-Sound – die Demo­kra­ten als eine Par­tei von Ungläu­bi­gen, denn: »Sie sind gegen Reli­gi­on. Sie sind gegen Gott.«

Das kommt an. Obwohl er kaum dem Ide­al­bild kon­ser­va­ti­ver Evan­ge­li­ka­ler ent­spricht, hal­ten die­se ihn teil­wei­se für eine Art Heils­brin­ger. Auch katho­li­sche Kle­ri­ker suchen sei­ne Nähe – zumin­dest äußern sie öffent­lich kei­ner­lei Kri­tik an Trumps pseu­do-reli­giö­ser Per­fo­mance. Ohne­hin sind für Trump Zwei­fel am Glau­ben gleich­zu­set­zen mit Zwei­fel an sei­ner Per­son – schließ­lich war es Gott höchst­per­sön­lich, der ihn bei dem Atten­tats­ver­such beschützt hat­te. Es über­rascht nicht, dass nur weni­ge Kir­chen­ver­tre­ter gegen die­se Anma­ßung pro­te­stier­ten. Statt­des­sen zoll­ten sie sei­nen Erlas­sen Bei­fall. Trump ver­steht es mei­ster­haft, auf der Kla­via­tur der christ­li­chen Rech­ten zu spie­len und sei­ne kon­ser­va­ti­ve, evan­ge­li­ka­le Basis zu umschmeicheln.

Rachel Laser, Prä­si­den­tin der Ame­ri­cans United for Sepa­ra­ti­on of Church and Sta­te, kri­ti­sier­te deut­lich: »Wenn es Trump wirk­lich um Reli­gi­ons­frei­heit und die Been­di­gung reli­giö­ser Ver­fol­gung gin­ge, wür­de er sich mit Anti­se­mi­tis­mus in sei­nem eige­nen Umfeld, anti­mus­li­mi­scher Bigot­te­rie, Hass­ver­bre­chen gegen Peo­p­le of Color und der Dis­kri­mi­nie­rung ande­rer reli­giö­ser Min­der­hei­ten aus­ein­an­der­set­zen.« Statt­des­sen, so Laser, sei die neue Task Force ein Ver­such, »Ame­ri­ka in eine ultra­kon­ser­va­ti­ve christ­lich-natio­na­li­sti­sche Nati­on zu verwandeln«.

Für einen US-Prä­si­den­ten völ­lig unge­wöhn­lich, hat Trump kei­ne Kir­chen­ge­mein­de, der er sich zuge­hö­rig fühlt. Er pflegt einen rein stra­te­gi­schen Umgang mit Reli­gi­on, sowohl poli­tisch als auch geschäft­lich. So ver­kauft Trump seit 2024 sei­ne eige­ne Bibel. Die­se kostet stol­ze 60 US-Dol­lar und hat einen klang­vol­len Namen: »God Bless the USA«-Bibel. In einem Video-Clip, in dem er für sei­ne Bibel wirbt, betont er, dass das Chri­sten­tum und die Reli­gi­on das sei­en, was den USA am mei­sten feh­le. Ame­ri­ka habe die Reli­gi­on ver­lo­ren. Er glau­be fest dar­an, dass der Glau­be den Men­schen zurück­ge­ge­ben wer­den müs­se. Und er, der Prä­si­dent, wer­de dafür sor­gen. Das zeigt sich auch in einem wei­te­ren Vor­ha­ben: Künf­tig soll es im Wei­ßen Haus ein eige­nes »Büro für den Glau­ben« geben, das unter der Lei­tung von Trumps lang­jäh­ri­ger geist­li­cher Bera­te­rin, der Fern­seh­pre­di­ge­rin Pau­la White, ste­hen soll.