Und es begab sich zu der Zeit, als um das Häuschen im Sauerland der Knöterich zu wachsen begann, der jedes Jahr höher ward und endlich fast das ganze Haus so umzog und darüber hinauswuchs, dass kaum noch etwas, ja, selbst der Schornstein auf dem Dache nicht, zu sehen war. Es ging aber die Sage in dem Land von dem nicht immer schlafenden Häuschen, dass von Zeit zu Zeit Leute kämen und durch das Hönnetal und den Knöterich zu dem Häuschen vordrängen. So war es dann auch an einem Wochenende im Augusto des Jahres der Menschen 1982. Und siehe da, der Knöterich öffnete sich, und es waren dort Blumen an grünen Stängeln und auch solche aus braunen Flaschen in roten Kästen. Und die Sonne schien, und nach einem langen Spaziergang durch die nahen Wälder tafelten die Leute auf der kleinen Wiese vor dem Häuschen. Und der Knöterich neigte seine Fangarme über die Häupter der diskutierenden Leute und streute seine weißen Blüten über sie, als wäre es denn der Lorbeer, der den Künstlern gebühren sollte. Denn um solche handelte es sich, wenn auch keiner von ihnen sein Brot mit derlei Tätigkeiten verdienen konnte, und sie sich alle anderweitig zu unwürdigen Bedingungen in Knechtschaft begeben mussten. Doch hatten sich etliche von ihnen in einem Werkstatt-Bund zusammengeschlossen, um durch ihre Kunst auf allerlei Missstände im Lande aufmerksam zu machen. Und es erwies sich, dass ein jeglicher und eine jegliche zu Hause fleißig gewesen war und sich Gedanken gemacht hatte, wie denn nun eine künstlerische Friedensaktion gegen die drohende Einlagerung von fürchterlichen Waffen in unserem Lande, wie sie eine mit den Mächtigen im Lande angeblich freundschaftlich verbundene Schutzmacht plante, aussehen könnte. Weil aber unsere Freunde und Freundinnen zwar Mut zum Träumen hatten, um Kraft zum Kämpfen zu erlangen, aber trotz alledem keine weltfremden Träumer waren, hatten sie sich auch zwei (oder waren es gar drei?) des Bergsteigens kundige Leute mitgebracht. Nachdem nun alles weidlich und ausgiebig besprochen, dargelegt und vorbereitet ward, begaben sich unsere Leute – die Sonne begann unterzugehen und die Schatten des Knöterichs an der Hauswand wurden lang und länger – ins Innere des Häuschens, entfachten ein gar lustiges Holzfeuer und erfreuten sich der Hoffnung auf eine friedliche Zukunft.
Kaum aber war die Sonne endgültig hinter dem Horizont verschwunden und der Mond noch nicht aufgegangen oder hinter Wolkenschleiern verborgen, kurzum, der Nacht dunkelste Stunde angebrochen, als ein geheimnisvolles Tun und Treiben begann. Schattengleich entfernten sich Gestalten mit allerlei Gerät und Farben von dem Häuschen und kehrten erst im Morgengrauen erschöpft zurück. Die Daheimgebliebenen hatten ihnen mit deftigem Schinken und auch Wurst ein gewaltiges Frühstück bereitet, so dass sie bald wieder zu Kräften kamen. Derweilen staunten Sonntagsfahrer, Touristen und Wochenendausflügler nicht schlecht, als sie hoch an den steilen Kalkfelsen des Hönnetals, schier unerreichbar von unten und oben, eine große weiße Friedenstaube auf blauem Untergrunde entdeckten. Gar mancher hielt ein Weilchen an und machte Rast, um sich das Bild einzuprägen oder in einer Kamera einzufangen. Die Sonne zeigte sich wieder von ihrer besten Seite, und ruhig schwebte die große weiße Taube über den Köpfen der Menschen, damit es friedlich werde und bleibe im Lande.
Selbst in jener Hansestadt am Hellwege, genannt Dortmund, brachten es die Marktschreier in ihren Blättern und kündeten von dem Ereignis. Und die Handlanger der Mächtigen im Lande brauchten etliche Wochen, um den Frieden zu stören und die friedliche Taube am hohen Felsen im Tal mit schwarzer Farbe zu übermalen. Man sah aber lange Jahre noch das runde Emblem als bleibenden Schatten auf der Felswand.
Doch das war viel später. Jetzo prangte sie in aller Farbenpracht und kündete den Menschen vom Frieden. Alldieweil gaben sich unsere Freunde und Freundinnen dem Labsal des schäumenden Gerstensaftes hin. Und so wurde denn in aller Freude gefeiert, und sie lebten vergnügt bis ans Ende des Wochenendes.
Und noch viel später, wenn einer unsere Freunde oder eine unserer Freundinnen einmal wieder durch das Hönnetal fuhr, mit dem Auto oder der Eisenbahn, konnten sie entdecken, dass langsam die schwarze Farbe abblätterte und die siegreiche Friedenstaube wieder zum Vorschein kam. Was wegen vieler Dinge, die im Hönnetal und anderswo geschehen sind und geschehen, sehr sinnvoll ist.