Der journalistische Niedergang der altehrwürdigen Frankfurter Rundschau (FR) veranlasste den ehemaligen Niedersachsen-Korrespondenten der FR – Eckart Spoo – seinerzeit zur Schaffung des kritischen Mediums Ossietzky. Nach einigen Besitzerwechseln ist die FR jetzt kaum noch wiederzuerkennen. Die Ippen-Gruppe ist Haupteigner und die Karl-Gerold-Stiftung hält 10 Prozent. In Zeiten der Herstellung deutscher »Kriegstüchtigkeit« segelt die FR überwiegend auf Nato-Kurs und fremdelt mit dem Frieden und der Losung »Die Waffen nieder«.
Dass sich jetzt z. B. ein Panzer-Bataillon aus der hessischen Kaserne in Schwarzenborn auf dem Weg nach Litauen bewegt, wird durch einen dpa-Bericht mitgeteilt. Das Bataillon ist Teil der »Heeres-Brigade-Litauen«. Eine Brigade besteht aus bis zu 5.600 Soldaten. Diese »Zeitenwende-Brigade« ist auch in das aktuell laufende Großmanöver der Nato mit knapp 100.000 Soldaten eingebunden. Die »Ostflanke«, in unmittelbarer Nähe zur russischen Grenze, soll durch »glaubhafte Abschreckung« Russlands verteidigt werden. Koste es, was es wolle. Aktuell wird eine Milliarde Euro versenkt. Bis 2025 soll die Brigade zur Nato-»Panzer-Division-2025« – »kaltstartfähig und kriegstauglich« – angewachsen sein. Die Klimaschädlichkeit, der unsinnige Ressourcenverbrauch, die giftigen Gase des Manövers, der Stationierung etc. – »Klima« ist ansonsten Zentralthema der FR – spielt schon überhaupt keine mediale Rolle mehr.
Jetzt wird auch in der FR »Klartext« gesprochen und geschrieben. In dieses Konzept passen keine (kriegs-)kritischen Leserbriefe. Wurden vor Monaten noch täglich auf 2 Seiten (!) Leserbriefe – auch abweichend von der Blattlinie – veröffentlicht, ist in den letzten zwei Monaten nur alle 2 bzw. 3 Tage eine (!) Leserbrief-Seite veröffentlicht worden. Seit einer Woche werden gar keine Leserbriefe mehr publiziert. Leider reiht sich das in das »journalistische« Gebaren der FR-Jung-Redakteure ein. Exemplarisch soll der journalistische Irrsinn an drei »woken« Großthemen festgemacht werden, an denen sich die »Jungredakteure« im Lokal- und Hessenteil versucht haben.
Der Frankfurter SPD-Stadtverordnete Bäppler-Wolf (und jetzt ehemalige kulturpolitische Sprecher der SPD!) begab sich als Künstler auf vermintes Gelände. Ihm wurden »rassistische Ausfälle« seitens der FR unterstellt, mit Hinweis auf eine Programm-Ankündigung seiner – so die FR – »Bäppi La Belle«-Kunstfigur. Diese lautete: »›Alt, weiß, männlich – Lieder unserer Jugend‹ von Ernst Neger bis Zigeunerjunge. Da bleibt kein Wokeauge trocken«. Dann kam der Shit-Storm, und FR-Redakteur Georg Leppert beteiligte sich daran eifrig: Bäppler-Wolf provoziere »mit rassistischen Begriffen wie dem N- oder Z-Wort« (FR vom 20.02.2024).
Die Faktenbasis: Ernst Neger (geb. 14.1.1909, gest. 15.1.1989) war bekannter Mainzer Karnevalist und galt als der »singende Dachdeckermeister«. Den Älteren unter uns ist sein Lied »Heile, heile Gänsje« gut bekannt. Das sehnsuchtsvolle Lied »Zigeunerjunge« sang die frühverstorbene »Alexandra« in den 1960er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in unmittelbarer Zeit nach den Verbrechen an Sinti und Roma; es hatte mit Rassismus rein gar nichts zu tun. »Alexandra« hatte Kontakt zu Yves Montand und wollte lieber slawische Lieder singen. Noch bekannter war ihr Lied »Mein Freund, der Baum ist tot« Das machte sie zur Ikone einer frühen Umweltbewegung. – Solche Hinweise hätte sich die SPD-Fraktionsvorsitzende – Frau Ursula Busch – in einem FR-Interview zu eigen machen können, um sich schützend vor die Meinungs- und Kunstfreiheit ihres Kollegen zu stellen. Feige ließ sie ihren »Genossen« im medialen Beschuss stehen (vgl. Stadt-FR-Interview vom 23.02.2024).
Von ähnlichem Kaliber ist der »Wirbel um rassistische Gesänge« und »Völkischen Wahn« im Studienseminar der hessischen Finanzverwaltung von FR-Hessen-Landeskorrespondent Hanning Voigts (Stadt-FR vom 10.+11.02.2024). Auf einer Party in der nordhessischen Kleinstadt Rotenburg an der Fulda am 23.1. soll allerlei »gegrölt« worden sein. Zwischenüberschrift: »Studierende der Finanzverwaltung sollen ›Ausländer raus‹ gegrölt haben/Polizei ermittelt«. Diese Parole soll zur Melodie eines Popsongs gesungen worden sein. So richtig lässt sich nicht eingrenzen, wer da überhaupt feierte. Derselbe Autor muss dann Ende März 2024 kleinlaut mitteilen: »Keine Beweise für rechte Parolen – Ermittlungen zu Rassismus am Studienzentrum Rotenburg bleiben ohne Ergebnis« (FR-Hessen vom 22.03.2024).
FR-Landeskorrespondent Hanning Voigts lässt sich aber nicht entmutigen. Jetzt werden »Hitlergrüße im Forstamt« skandalisiert (FR-Hessen vom 14.03.2024): »Auf einer Feier von Nachwuchs-Förstern in Weilburg sollen rechte Parolen gefallen sein.« Weil es um »rechtsextreme Vorfälle geht, hat die Staatsschutzabteilung der Kriminalpolizei in Weilburg die Arbeit übernommen«. Darunter ist jetzt nichts mehr zu machen. Jetzt sind »Vier Auszubildende unter Verdacht« (FR-Hessen vom 27.03.2024). Unklar bleibt, »ob die Beschuldigten überhaupt Mitarbeiter des Landesbetriebs Hessenforst sind, weil das Forstamt Weilburg hessenweit als Ausbildungsstätte und Berufsschule für angehende Forstwirte zuständig ist«.
Man hört jetzt nichts mehr. Ich hoffe, dass die Feiern auf »pädagogische Art« mit den jungen Auszubildendendiskutiert und bearbeitet werden. Solche »Vorfälle« lassen sich unterschiedlich fassen: hypersensibel oder pädagogisch. In Zeiten, in denen z. B. mit Etikettierungen wie »Nazi« oder »Faschist« inflationär und häufig unzutreffend hantiert wird, täte es dem politischen Klima im Lande gut, wenn erst einmal verbal abgerüstet wird und es mal wieder zu echtem und menschlichem Austausch kommt. – Wollte das Bäppler-Wolf?
»Israel bombardieren« sei auf der diesjährigen Ostermarsch-Kundgebung in Frankfurt/Main im Chor gerufen worden. So macht es jedenfalls der FR-Lokalredakteur Stefan Behr glauben (FR-Frankfurt vom 2.04.2024, »Krieg um Frieden«). Er versucht damit, eine Spaltung unter den FR-lesenden Friedensfreunden zu stiften: »Der Ostermarsch zum Frankfurter Römerberg zeigt: Die Bewegung ist gespalten.« Es wäre jetzt natürlich vermessen, zu behaupten, der Mann hat etwas mit den Ohren und benötigt ein Hörgerät. Was tatsächlich – im Übrigen bundesweit – zwar zugespitzt, aber inhaltlich vollkommen korrekt, skandiert wurde, ist: »Israel bombardiert. Deutschland finanziert.« Nun will aber Herr Behr dringend und passgenau etwas anderes gehört haben. Die gerufene Parole ist glasklar auf den Krieg Israels gegen die unschuldige Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens bezogen. Auf dem Römerberg in Frankfurt am Main wurde jedenfalls nicht gerufen, was dem FR-Redakteur Behr so gut gepasst hätte. Ostermarsch-Organisator Willi van Ooyen hat es ja bereits im Interview mit der FR korrigiert. Die Korrektur konnte der erfahrene Friedenskämpfer van Ooyen in einem FR-Interview von Georg Leppert vornehmen (FR-Interview vom 3.04.2024 – »Die Friedensbewegung ist nicht gespalten«).