Spaniens Küsten verschwinden. Dort wo der Ebro, der zweitgrößte Fluss des Landes, über sein Delta ins Mittelmer fließt, lässt sich beobachten, wie die Iberische Halbinsel bedroht wird. Es ist das Mittelmeer, dessen Wasserspiegel steigt. Im Sommer 2024 veröffentlichte Studien der Umweltorganisation Greenpeace riefen in Spanien eine große Beunruhigung hervor. Es sind die Wellen des steigenden Meeres, die an den Stränden nagen, besonders in Katalonien und der Nachbarprovinz Valencia. Davon sind hier bereits mehr als 60 Prozent der Strände betroffen.
Das Ebro-Delta wirbt als »Paraíso de la biodiveridad« – Paradies der Biodiversität – und seinen endlosen Reisfeldern und einsamen Stränden. In dem Zusammenspiel zwischen dem Ebro und dem Mittelmeer entstand ein einmaliges, aber äußerst empfindliches Ökosystem. Durch die Feuchtgebiete staksen Flamingos, Zugvögel lieben das Reisanbaugebiet des Deltas. Hier überwintern mehr als 360 Vogelarten. Bisher bremsten die Strände und Dünenketten auch das Meerwasser aus, das ist nun vorbei, jetzt dringt es in die Böden. Aber Reis kann nur in Süßwasser wachsen, ein weitverzweigtes Wassersystem liefert es aus dem Landesinneren ins Delta. Bis spätestens 2030, so Greenpeace, wird sich das Ansteigen des Wassers von Mittelmeer und Atlantik an den Küsten bemerkbar machen: Almeria, Málaga wie am Atlantik in Cádiz, Huelva, Vigo, A Coruña, Gijón, Santander, Bilbao, den Kanaren und den Balearen.
Auch das Unwetter, das am 29. Oktober mit bis zu 445 Litern Regen pro Quadratmeter auf Valencia, La Mancha und Andalusien als eine Jahrhundertkatastrophe herabstürzte, hat seine Ursache im Mittelmeer und ist eine Folge des Klimawandels. Zwischen den steigenden Wassertemperaturen im Mittelmeer und dem Starkregen über Valencia besteht ein direkter Zusammenhang. Die sich über dem Mittelmeer bildenden Tiefdruckgebiete ziehen zur Iberischen Halbinsel und sorgen für heftige Niederschläge – so auch am 29. Oktober. Die Wassermassen kamen rasend schnell, überraschten Anwohner trotz höchster Warnstufe des staatlichen Wetterdienstes Agencia Estatal de Meteorología (AEMET); die Warnung wurde von zahlreichen LKW- und Autofahrern nicht beachtet. Ausgelöst hat das Unwetter das Wetterphänomen »gota fría«, zu Deutsch »kalter Tropfen«, in Spanien DANA genannt. Das Phänomen tritt häufig in der spanischen Mittelmeerregion im September und Oktober auf und entsteht, wenn kalte Luft auf Luft über dem Mittelmeer trifft, mit der Folge von heftigen Regenfällen. Nur diesmal wurde das Phänomen zu einer Katastrophe. Betroffen waren Valencia, Murcia, Andalusien und Kastilien – La Mancha. Die ersten Toten der tödlichen Flut wurden gemeldet. Unterbrochen der Zugverkehr Valencia-Madrid wie auch der Flughafen von Valencia. Das Wasser stand auf dem Rollfeld. Die Menschen waren und sind ohne Elektrizität, so fallen Telefon, Internet und das Handy aus. Insgesamt wurden mehr als 150 Straßen und Autobahnen für den Verkehr gesperrt.
Staatstrauer von drei Tagen wurde ausgerufen. Beim Besuch am 3. November von König Felipe VI. und Frau sowie Ministerpräsident Pedro Sánchez im Epizentrum Paiporta mit 62 Toten unweit von Valencia kommt es zu Krawallen. Jugendliche aus dem rechtsradikalen Umfeld, kenntlich mit Symbolen von Francos Blauer Division, werfen Lehmkugeln auf den König und Sánchez. Nach zunächst 10.000 Polizisten und Soldaten werden weitere 10.000 in die verwüste Region um Valencia geschickt. Tätig sind bereits 1800 Feuerwehrmänner aus Madrid im Katastrophengebiet. Tausende Menschen, darunter zahlreiche Jugendliche, sind aufgebrochen um in Solidarität zu Helfen. Mit Besen, Wasserkanister, die Rucksäcke gefüllt mit Lebensmitteln und Medikamenten, ziehen durch Straßen, die oft kilometerlang nur zu Fuß passierbar sind. Das wahre Ausmaß der Schäden ist noch immer unbekannt. Nach einem Bericht der Handelskammer sind rund 4.500 Geschäfte, Gastronomiebetriebe und Dienstleister geschädigt, davon 1.600 komplett. Etliche Fabriken der Metall- und Holzindustrie wurden von den Wassermassen zerstört. In den am stärksten betroffenen Gebieten von Valencia leben 850.000 Menschen, das ist ein Drittel der Bevölkerung der Provinz Valencia. In der Orangenhauptstadt, wo jährlich mehr als 2,5 Millionen Tonnen Zitrusfrüchte geerntet werden, ist zu Beginn der Ernte unbekannt, wie viele Plantagen unter Wasser stehen, was geerntet werden kann, wie hoch der Schaden ist.
Bisher wurden 219 Tote gefunden, nach weiteren Vermissten wird noch gesucht. Es wird eine Weile dauern, bis hier wieder Normalität einkehrt. Noch immer wird aufgeräumt, tausende von Autos warten auf ihre Verschrottung. Die Kosten des Oktober Unwetters sind noch nicht ermittelt, werden aber beachtlich sein.