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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Vom Himmel gefallen: Kein Meister

Deutsch­land hat zum ersten Mal in der Geschich­te der Fuß­ball-Bun­des­li­ga kei­nen Mei­ster. Was am letz­ten Spiel­tag auf dem Rasen zunächst anders aus­sah, ent­schied sich auf einer gehei­men Sit­zung des Prä­si­di­ums der Deut­schen Fuß­ball­li­ga am Pfingst­sonn­tag. Die eigent­li­che Ent­schei­dung war weni­ge Zen­ti­me­ter unter­halb des Rasens von Köln-Mün­gers­dorf am Vor­tag gefal­len. Aber der Rei­he nach. Dem Ver­fas­ser lie­gen alle nöti­gen Bewei­se vor, wes­halb die Sen­sa­ti­on hier exklu­siv gemel­det wer­den kann.

Wie wir alle wis­sen, hat­ten zwei Ver­ei­ne in der abge­lau­fe­nen Spiel­zeit ver­sucht, auf kei­nen Fall Mei­ster zu wer­den. Bei­de waren lan­ge erfolg­reich, wobei eine Nicht­mei­ster­schaft nie allein in der eige­nen Hand liegt, immer das Nicht­ver­sa­gen des Kon­kur­ren­ten dafür benö­tigt wird. Die Erfol­ge des FC Bay­ern ein­zeln auf­zu­zäh­len, fehlt hier der Platz. Von Borus­sia Dort­mund sei wenig­stens an die Tri­ump­fe in Bochum (1:1) und gegen Stutt­gart (3:3 nach zwei­mal unbe­ab­sich­tig­ter Füh­rung) erin­nert. Am vor­letz­ten Spiel­tag pas­sier­te es dann: Durch ein löwen­star­kes Bay­ern­ver­sa­gen gegen Leip­zig schlug der BVB zwei Punk­te vor dem Kon­kur­ren­ten auf. Das Deba­kel der Mei­ster­schaft war kaum noch zu verhindern.

Bekannt ist der Ver­lauf des letz­ten Spiel­tags. Ein sei­ten­ver­kehr­ter Rob­ben-Move von Kings­ley Coman – Grund­schul­auf­ga­be für jede Ver­tei­di­gung – brock­te den Bay­ern die Fern­du­ell­füh­rung ein. Der BVB löste sei­ne Auf­ga­be klar bes­ser als vor dem 0:1 zwei Dort­mun­der um die Wet­te vor dem Ball davon­lie­fen, sodass Han­che-Ohl­sen den Kopf­ball set­zen konn­te. Oni­si­wo wur­de durch kon­se­quen­te Mann-Nicht­deckung erfolg­reich zum 0:2 ein­ge­la­den. Auf bei­den Plät­zen von da an das glei­che Ball­ge­schie­be ent­lang der Straf­raum­li­nie. Ein Unter­schied viel­leicht: Die Roten wähl­ten die eige­ne, die Gel­ben die geg­ne­ri­sche Linie zum Schie­ben. In bei­den Fäl­len waren eige­ne Tref­fer aus­ge­schlos­sen und dem Geg­ner jeder­zeit Tür und Tor geöffnet.

Zwi­schen­durch gab es einen Elf­me­ter für Dort­mund, oben­drein noch berech­tigt – Schwarz­gelb in höch­ster Not. Dabei ereig­ne­te sich eine von zwei Schlüs­sel­sze­nen, die zur Deut­schen Nicht­mei­ster­schaft geführt haben. Seba­stien Hal­ler, dem Elf­me­ter­schüt­zen, fal­len vor den Augen von Mil­lio­nen TV-Zuschau­ern plötz­lich bei­de Augen­deckel run­ter. Er tritt im Grun­de blind auf den Ball und hät­te trotz­dem fast getrof­fen, aber Dah­men hält. Der Kelch bezie­hungs­wei­se Pokal geht knapp am BVB vor­bei. Plötz­lich schwenkt die Kame­ra der sky-Bild­re­gie zu einer ver­stö­ren­den Sze­ne auf die Tri­bü­ne: Mat­thi­as Sam­mer atmet erleich­tert auf, beugt sich zu dem benach­bar­ten Hans-Joa­chim Watz­ke und zieht des­sen rech­tes Bein von des­sen lin­kem Bein her­un­ter. Ganz lang­sam, damit wir es alle ver­ste­hen: Herrn Watz­ke scheint es trotz sei­ner vor­ge­zo­ge­nen Toten­star­re gelun­gen zu sein, eines sei­ner Bei­ne über das ande­re sei­ner Bei­ne zu schla­gen oder, falls das nicht über­trie­ben klingt, regel­recht zu legen! Und Herr Sam­mer greift nach dem ver­schos­se­nen Elf­me­ter nicht etwa an ein eige­nes Bein, nein, er nimmt ganz deut­lich und bei­na­he selbst­ver­ständ­lich das rech­te Bein von Hans-Joa­chim Watz­ke, hebt es von des­sen lin­kem Bein her­un­ter und stellt es neben Hans-Joa­chim Watz­ke auf den Tribünenboden.

Hal­ten wir die Span­nung die­ser Sze­ne für einen Moment aus und schau­en noch ein­mal auf den ande­ren Platz des Fern­du­ells, nach Köln. Dort ist der FC die bes­se­re Mann­schaft und kann jeden Augen­blick den für Bay­ern Mün­chen erlö­sen­den Aus­gleich schie­ßen. Die 73. Minu­te bricht an. Drei Köl­ner ver­ab­re­den sich zu einem Kon­ter und stür­men auf Jan Som­mers Kasten zu. Da geschieht das Unfass­ba­re. Im Köln-Mün­gers­dor­fer Rasen – weni­ge Meter vor dem Straf­raum – schie­ßen zwei Rasen­sprink­ler aus ihren Ver­sen­kun­gen, rol­len wild mit den Düsen und sprit­zen die Angrei­fer scharfs­trah­lig nass! Der Schieds­rich­ter pfeift ab, der Angriff miss­lingt und die Bay­ern füh­ren wei­ter, ohne zu wis­sen warum.

Es fal­len noch die rest­li­chen Tore. Dann ist die Bun­des­li­ga­sai­son zu Ende und Bay­ern Mün­chen Deut­scher Mei­ster. Alles scheint wie immer zu sein. Auf der Bay­ern-Pres­se­kon­fe­renz lenkt man vom Fuß­ball ab auf das Gei­sti­ge. Tho­mas Tuchel spricht, nach ihm Uli Hoe­neß über das von Tuchel Gespro­che­ne: »Eine druck­rei­fe Aus­drucks­wei­se. Das ist Bay­ern Mün­chen. Er hat die­sen Ver­ein in zwei Tagen ver­in­ner­licht.« Die bei Borus­sia Dort­mund ver­sam­mel­te Pres­se gra­tu­liert Hans-Joa­chim Watz­ke zum Errei­chen des Sai­son­ziels und erin­nert an des­sen Aus­sa­ge vor dem Spiel: Edin Ter­zic sei ein Mann, »der die See­le von Borus­sia Dort­mund kennt«. Der FAZ-Kol­le­ge zitiert sich aus der Sams­tags­aus­ga­be selbst: »Beson­de­re Kennt­nis­se des Inner­sten des Arbeit­ge­bers sind ja über­all hilf­reich.« Auf wel­chem Weg er denn ins Inner­ste sei­nes Arbeit­ge­bers gedrun­gen sei, fragt er Ter­zic. Des­sen Augen sind leer, der Blick ist tot. Als Ant­wort genügt das. In Dort­mund sind alle zufrieden.

Bis der Pfingst­sonn­tag anbricht. Hans-Joa­chim Watz­ke ruft das Prä­si­di­um der Deut­schen Fuß­ball­li­ga zusam­men und gesteht: Er hat den letz­ten Spiel­tag mani­pu­liert. Der Geist Got­tes habe ihm vor zwei Stun­den befoh­len die Wahr­heit zu sagen.

Und die sehe aus wie folgt: Die Steue­rung der Sprink­ler­an­la­ge in Köln-Mün­gers­dorf habe er per­sön­lich gehackt. Aus sei­ner ersten Berufs­tä­tig­keit für ein Unter­neh­men, das Feu­er­wehr­schläu­che her­stellt, ver­fü­ge er über eini­ges Wis­sen im Bereich Bewäs­se­rungs­tech­nik. Mit­ge­hol­fen habe Edin Ter­zic, des­sen Vater Schlos­ser gewe­sen sei und dem Sohn außer Fuß­ball­tricks auch tech­ni­sche Kennt­nis­se ver­mit­telt habe. Die Stür­mer des 1. FC Köln habe man gechipt und die Sprink­ler­an­la­ge des Sta­di­ons so pro­gram­miert, dass per WLAN gemel­de­te Köl­ner Angrif­fe über einer bestimm­ten Harm­lo­sig­keits­schwel­le durch Aus­fah­ren der Sprink­ler­köp­fe gestoppt wür­den. Allein auf die eige­ne Unfä­hig­keit habe Borus­sia Dort­mund sich die­ses Jahr nicht ver­las­sen kön­nen. Bay­ern Mün­chen sei dies­be­züg­lich zu einem ech­ten Kon­kur­ren­ten »her­an­ge­reift«, wie Watz­ke sich aus­drücken wolle.

Dann müs­se den Bay­ern die Mei­ster­schaft aberkannt wer­den, befand man. Und weil Dort­mund Urhe­ber der Mani­pu­la­ti­on sei, könn­ten auch sie nicht Mei­ster werden.

Genau, sag­te Watz­ke. Und mora­lisch gehe das auch nicht, füg­te er hin­zu, weil näm­lich er und Mat­thi­as Sam­mer einen Fluch über Seba­stien Hal­ler ver­hängt hät­ten vor des­sen Elf­me­ter. Er, Hans-Joa­chim Watz­ke, habe sein rech­tes (in über­tra­ge­ner Bedeu­tung: Hal­lers Schuss-)Bein über sein lin­kes Bein gelegt, wodurch die Schuss­kraft von Seba­stien Hal­ler blockiert wor­den sei. Das sei Voo­doo, er habe das von einem Men­tal­trai­ner des Ver­eins. Anschlie­ßend habe Mat­thi­as Sam­mer ihm gehol­fen, sein Bein wie­der von sei­nem ande­ren Bein her­un­ter­zu­krie­gen, was für die Wirk­sam­keit des Fluchs sehr wich­tig, ihm aber wegen Alters­be­schwer­den nicht selbst gelun­gen sei. Mat­thi­as Sam­mer sei daher als Mit­tä­ter anzusehen.