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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Vom Gefängnis ins Parlament

Nor­ma­ler­wei­se ist die kon­sti­tu­ie­ren­de Sit­zung eines neu­ge­wähl­ten Par­la­ments eine Rou­tin­ever­an­stal­tung, nur die 13. am 21. Mai war es nicht. Von den 350 Abge­ord­ne­ten des spa­ni­schen Par­la­ments wur­den die Volks­ver­tre­ter Ori­ol Jun­que­r­as, Jor­di Sàn­chez, Josep Rull und Jor­di Turull sowie der Sena­tor Raül Rome­va vom Gefäng­nis Soto del Real mit vier zivi­len Fahr­zeu­gen zum Par­la­ment in die Car­rera San Jeró­ni­mo gefah­ren. Bil­der davon zeig­te nur der regio­na­le Fern­seh­sen­der Tele­vi­sió de Catalu­nya, obwohl auch der lan­des­wei­te Sen­der TVE1 live berichtete.

Für die Teil­nah­me der fünf hat­te der Ober­ste Gerichts­hof stren­ge Auf­la­gen fest­ge­legt, ist es doch das erste Mal in Euro­pa, das gewähl­te Gefan­ge­ne an ener Par­la­ments­sit­zung teil­neh­men. Die Inhaf­tier­ten hat­ten aus dem Gefäng­nis mit Video­kon­fe­ren­zen ihren beschwer­li­chen Wahl­kampf geführt.

Sàn­chez, Rull, Turull und Rome­va sind Mit­glie­der von Jun­ts per Catalu­nya (JxCat), Sena­tor Jun­q­guera Mit­glied der links­re­pu­bli­ka­ni­schen Par­tei Esquer­ra Repu­bli­ca­na de Catalu­nya (ERC). Bereits vor Beginn des Gerichts­pro­zes­ses am 12. Febru­ar hat­ten JxCat und ERC kei­ne gemein­sa­me poli­ti­sche Basis mehr, sind Kon­kur­ren­ten auf dem Weg zu einem von Spa­ni­en unab­hän­gi­gen Katalonien.

Die Wahl des Senats­prä­si­den­ten Manu­el Cruz – kata­la­ni­scher Sozia­list der PSOE – erfolg­te bereits im ersten Wahl­gang. Anders ver­lief die Wahl der Par­la­ments­prä­si­den­tin Merit­xell Batet – kata­la­ni­sche Sozia­li­stin der PSOE. Sie erreich­te erst im zwei­ten Wahl­gang die erfor­der­li­che Mehrheit.

Wohl­wol­lend wur­de mit den vier Abge­ord­ne­ten aus dem Gefäng­nis im Par­la­ment umge­gan­gen. Für die Abge­ord­ne­ten der Part­ido Popu­lar (PP) aller­dings ist die Tat­sa­che, dass vier inhaf­tier­te Abge­ord­ne­te den Sta­tus von Par­la­men­ta­ri­ern haben, »inak­zep­ta­bel und belei­di­gend«. PP-Prä­si­dent Pablo Casa­do for­der­te: »Wir müs­sen mehr denn je unse­re Ver­fas­sung, Demo­kra­tie und Frei­hei­ten ver­tei­di­gen.« Anders die VOX-Par­tei. Sie woll­te mit einem Staats­streich ins Par­la­ment ein­bre­chen, so das Wahl­kampf­ver­spre­chen, doch das pas­sier­te nicht.

Dafür setz­te sich der Par­tei­vor­sit­zen­de Sant­ia­go Abas­cal als »Publi­ci­ty-Gag« sofort hin­ter der Regie­rungs­bank auf den Sitz, den tra­di­tio­nell der Spre­cher der PSOE einnimmt.

Nach Ende der Sit­zung von Par­la­ment und Senat wur­den die fünf Gefan­ge­nen zurück ins Gefäng­nis gefah­ren. Merit­xell Batet setz­te die Abge­ord­ne­ten­man­da­te der vier Kata­la­nen aus und begrün­de­te den Schritt damit, dass sie wegen mut­maß­li­cher Rebel­li­on und wei­te­rer Vor­wür­fe in Unter­su­chungs­haft säßen. Das Vor­ge­hen steht im Ein­klang mit dem spa­ni­schen Recht. Unklar ist, ob die Sit­ze frei blei­ben oder ande­re Kata­la­nen nachrücken.