Wieder einmal kreißte der Berg neun Stunden bis zur Verkündigung. Ein Zwergmäuslein ward geboren. Es ist nicht die Zeit, Satiren zu schreiben. Das Leben selbst textet sie. Strapazierte PC-Tastaturen in ministeriellen Amtsstuben von Kiel bis München, von Düsseldorf bis Potsdam und mittenmang Berlin samt Kanzlerinnenamt. Heinrich Heine würde meinen: »Ich kenne den Text und auch die Herren Verfasser.« Gendern war zu seiner Zeit nicht angesagt.
Der Bundestag stellte am 4. März die »Epidemische Lage von nationaler Tragweite« fest. Seit über einem Jahr geht das so. Freibrief für Regierungschefin und Landesfürsten*innen, um locker vom Hocker einen Wechselkurs zu steuern – im Zickzack oder vor und zurück oder beides zugleich. Hinterher bereiten die 16 Landesautoritäten*innen den Menümix nach ihrer Art auf. Was sie und der Bund ausbaldowert haben, das lohnt meist kaum die Druckfarbe. 500 Millionen Gratis-Schnelltests waren avisiert. Wer hat die Beschaffung versprochen? Niemand will’s gewesen sein. Aldi & Co. sprangen flugs in die Bresche.
So lauern hinter allen deutschen Ecken »große Herausforderungen«, gesteigert mit äußerst schwierig oder sehr kompliziert. Mal kein Impfstoff plus leere Impfzentren. Mal reichlich AstraZeneca, keiner will es haben. Kurzarbeit allenthalben. Boni, Aktionäre und Vorstandsbezüge bleiben verschont. Erst waren es nur ihrer zwei MdB aus CSU und CDU, dann deren fünf auf der nach oben offenen Skala der Korruptionsverdächtigen. Der OB von Halle/Saale und andere stylten sich zu Rettern unverbrauchter Impfdosen. Nehmen ist eben seliger als Geben.
Im Spahn’schen Chaos-Hotspot gilt Winston Churchills Devise: »Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe.« So zählt abstruse Zahlenrechnerei mehr als Kompetenz aus dem Robert-Koch-Institut, von Ärztekammern, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen. Der Schluss liegt nahe, dass letztlich die Einwohnerzahl D mit 83,2 Millionen Bürgern zu hoch ist, um Covid-19 und den Mutationen Paroli zu bieten zu können. Nicht zu vergessen sind Gute-Bilanz-Behinderer wie 90+. Erfreulich, dass wenigstens Gorbatschow bei den Moskowitern sesshaft blieb, wo mit Sputnik V immunisiert wird. Ministerpräsident Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt hätte das gern für sich und seine Landsleute. 38 Länder wie Ägypten, Mexiko, Ungarn und die Slowakei sind weltweit mit von der Partie. Die EU-Oberen ratschlagen noch, ob sie das russische Teufelszeug zulassen werden.
Zurück in die Realität. Seit Beginn der Pandemie erkrankten in der Bundesrepublik mehr als zweieinhalb Millionen Menschen. Das ist mathematisch ein sehr niedriger Prozentsatz, zumal davon über 2,3 Millionen wieder genesen sind. Dank des verdienstvollen Höchsteinsatzes von Ärzteschaft und Pflegekräften. Die Zahl der vollständig geschützten »Impflinge« mit und ohne Gendersternchen bleibt sehr bescheiden: Es bleibt ein langer Weg bis 60 oder gar 70 Prozent der Bürger geimpft worden sind und »Herdenimmunität« erreicht sein dürfte.
Egal wie hart die Zeiten sind, die föderalistische deutsche Staatsbürokratie zirkuliert in ihrem Teufelskreis der dekretierten Regularien. Die wahren Ursachen für die Kalamitäten werden nicht benannt. Das staatlich strangulierte Gesundheitswesen ist zuallererst zu nennen. Kliniken und Krankenhäuser en masse wurden privatisiert. Die Gesundheitsämter sind personell nicht nur am Limit, sondern weit darunter. Zudem sind Patientendaten so topsecret, dass kein Gesundheitsamt sie von Kliniken, Krankenhäusern und Krankenkassen nutzen kann, um vor Ort nicht weiter im Dunkeln zu tappen und Infektionsherde zu ermitteln. Von einer durchgängigen Kontrolle angeordneter Quarantäne gar nicht erst zu reden. Auch deshalb sind schon rund 75.000 Todesfälle zu beklagen. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Bocholt, Aschaffenburg oder Brandenburg an der Havel. Seit 30 Jahren Gesundheit auf Sparflamme und als profitgeiles Geschäftsmodell. Auch, weil der Gegenpol DDR mit seiner Sozialpolitik 1990 eliminiert worden war. Schwester Agnes siedelt nur noch im Filmmuseum.
Von Amtswegen vorsorglich total quarantänisiert, lebt der Bundesbürger freiheitsbeschränkt super. Das Lesen und Recherchieren der Episteln für Aufenthalt im Freien, Besuch und Schule, das arbeitgeberfreundliche Homeoffice plus nerviges Homeschooling beschränkt Corona-widriges Verhalten. Im Nahverkehrs-armen, wolfsbesiedelten ländlichen Raum läuft eh nix. Schlimm trifft es bei den behördlichen Regularien nur Lehrer*innen. Woher sollten ausgerechnet sie wissen, wann und wie Schulen zu öffnen sind, wie Wechselunterricht zu betreiben wäre, Kinder aller Jahrgänge »beschult« werden können und die Klassenräume zu belüften sind. Physik-, Mathe-, Deutsch-, Bio- und Chemiebesserwisser bedürfen alle unbedingt nachdrücklicher ministerieller Lebensnachhilfe.
Als Neuestes wurde die selten gewordene Spezies Hausärztin und Hausarzt entdeckt. Sie kenne risikobehaftete Patienten*innen wohl am besten. Von Betriebsärzten war nebenbei die Rede. Ein bundeshoheitlich gnädigst erteiltes Placet steht an. Dann dürfen sie zur Spritze greifen und den heilsamen Piecks setzen. Zurzeit arbeiten sie sozusagen auf Probe in Impfzentren. Eine große Anzahl kompetenter Wissensträger wie Amts- und Kassenärztliche Vereinigungen sowie Krankenkassen blieb vielfach gänzlich verborgen. Eine Studie soll sich in der Planungsphase befinden. Das Procedere kann 20 Jahre dauern. Solange nämlich, wie der Oberbürgermeister von Potsdam vor laufenden Kameras die Bauzeit einer dritten Havelbrücke in seiner Stadt mit allem bürokratischen Drum und Dran prognostizierte. Hoffentlich wird bei dieser Zeitprognose eine vernünftige Medizin gegen das Virus germanicus foederatus grapheocraticus gefunden (frei übersetzt: Virus deutscher verbündeter Bürokratie). Es lässt jede gefährliche Covid-19-Mutation britischer, südafrikanischer oder anderer Genesis Lichtjahre weit hinter sich.
Das erfuhr der Ostprignitzer Landrat Ralf Reinhardt. Er startete einfach gut organisiert mit den Kommunen und fachlich versierten Verbündeten das Modell Impfbus. Das Projekt wurde allerdings vom Potsdamer Gesundheitsministerium – vornehm umschrieben – »nicht gerade mit Zustimmung überhäuft«. Der Amtssegen der Bedenkenträger kam erst hinterher. Sollte wieder einmal eine »Verwaltungsreform« anstehen, so wäre für ähnlich tätige Gesundheitsminister*innen*ien der kw-Vermerk angebracht. Ersatzweise könnten sich in PPP (Public Private Partnership) Rossmann, Lidl, REWE & Co. geschäftsführend bewerben. Der deutsche Föderalismus liegt auf der Intensivtherapiestationen, krank an Haupt und Gliedern. Bitte, Staatsrechtler dringendst ans Krankenbett!