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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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»Verschwörungs«-Aufarbeitung

Ich kann mich gut an die Anfän­ge der Coro­na-Pan­de­mie erin­nern und die damit ver­bun­de­nen Krä­che mit bis­her besten Freun­din­nen. Eine Abwehr­stra­te­gie war z. B. das »Argu­ment«, dass die Kri­ti­ker Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker sei­en. Mein Argu­ment, dass es sehr wohl in der Geschich­te Ver­schwö­run­gen gab, wur­de pau­schal abge­wehrt. Unsinn! So etwas ist natür­lich das Ende jeder Dis­kus­si­on, und da hilft auch nicht, dass es in der Geschich­te sehr wohl Bei­spie­le gab. Las­sen wir die bekann­te­sten bei uns weg (Hit­ler-Atten­tä­ter) und wen­den uns der Wirt­schafts­ge­schich­te zu. Wer im Muster­land der Demo­kra­tie nach Ver­schwö­run­gen sucht, wird hier fün­dig: Gustavus Myers: Die gro­ßen ame­ri­ka­ni­schen Ver­mö­gen (2 Bde.), März 1969 (zuerst 1916). Dass kei­nes der gro­ßen US-Ver­mö­gen auf ehr­li­che Wei­se, durch ehr­li­che Arbeit erwor­ben wur­de, soll­te man schon wis­sen. Neben­bei, zu den Wah­len schrieb der hell­sich­ti­ge Sozia­list schon Anfang des letz­ten Jahr­hun­derts: »Die Mas­sen des Vol­kes waren in die­sen poli­ti­schen Kämp­fen blo­ße Schach­fi­gu­ren, aber nur weni­ge von ihnen sahen ein, dass die Erre­gung, die Par­tei­ge­schäf­tig­keit und der Enthu­si­as­mus, in den sie sich war­fen, kei­ne ande­re Bedeu­tung hat­te als die, sie noch fester in ein System zu ver­ket­ten, des­sen Nutz­nie­ßer immer­fort mehr Rech­te beka­men auf Kosten des Vol­kes, und deren Reich­tum daher in beschleu­nig­tem Tem­po wuchs.«

Ich mache mir ger­ne den »Spaß« in hei­te­rer Run­de zu fra­gen, ob jemand weiß, wie vie­le aus­län­di­sche Staats­ober­häup­ter die US-Regie­rung ermor­den ließ – direkt oder indi­rekt. Wenn Sie nicht auf min­de­stens drei kom­men, sehe ich schwarz für Ihre poli­ti­sche Bildung.

Aber zurück zum The­ma. Eine beson­ders schön-bun­te(!) »Ver­schwö­rung« kann man in die­sem Buch nach­le­sen: Fran­ces Stonor Sau­n­ders: Wer die Zeche zahlt. Der CIA und die Kul­tur im Kal­ten Krieg, Sied­ler Ver­lag 2001. So wur­de im Gehei­men nach dem Zwei­ten Welt­krieg der »Kon­gress für kul­tu­rel­le Frei­heit« initi­iert, um der west­li­chen Intel­li­genz »ihre laten­te Sym­pa­thie für Mar­xis­mus und Kom­mu­nis­mus aus­zu­trei­ben, um sie so nach und nach an den Ame­ri­can Way her­an­zu­füh­ren«. Übri­gens sehr erfolg­reich, wozu aber auch die Ent­deckung von Sta­lins Ter­ror bei­trug. Es gehö­ren schon bei­de Sei­ten dazu. Dass es auch einen ande­ren Kom­mu­nis­mus und Mar­xis­mus gab (in der Tra­di­ti­on von Rosa Luxem­burg), spiel­te lei­der kei­ne oder kaum eine Rol­le. (Die ent­spre­chen­de Namens­ge­bung für eine Stif­tung ist etwas pein­lich und/​oder ein lee­res, gebro­che­nes Versprechen.)

Man kann ohne oder nur mit gerin­ger Über­trei­bung sagen, dass die moder­ne Kunst in die­sem Kul­tur­kampf eine gro­ße Rol­le spiel­te, als Mit­tel zu einem bestimm­ten Zweck: näm­lich den Rea­lis­mus aus der Kunst aus­zu­trei­ben. Dass es dabei rich­tig tra­gisch zuging, und die Künst­ler oft nicht wuss­ten, wie ihnen geschah, inzwi­schen kann man das wis­sen, z. B.: Ser­ge Guil­baut: Wie New York die Idee der moder­nen Kunst gestoh­len hat. Abstrak­ter Expres­sio­nis­mus, Frei­heit und Kal­ter Krieg, Ver­lag der Kunst 1997 (zuerst 1983).

So, und nun fra­ge ich mich, was muss dazu bei­tra­gen, dass man aus der Geschich­te lernt? Sich nicht vor Angst ver­rückt machen las­sen, wäre schon was, aber wem sage ich das?

PS: »Ich bin über­zeugt, dass die Kul­tur sehr effek­tiv dar­an arbei­tet, tat­säch­li­che Ver­bin­dun­gen unsicht­bar, wenn nicht ›unmög­lich‹ zu machen, die zwi­schen der Welt der Ideen und der Wis­sen­schaft auf der einen Sei­te und der Welt roher Poli­tik, unter­neh­me­ri­scher und staat­li­cher Macht und mili­tä­ri­scher Stär­ke auf der ande­ren Sei­te exi­stie­ren« (Edward W. Said). Ja, Said hät­ten wir uns gewünscht, um den »Skan­dal« der letz­ten docu­men­ta zu kom­men­tie­ren, von jün­ge­ren Ereig­nis­sen ganz zu schwei­gen. Des­halb mein letz­ter Tipp: Edward W. Said: Kul­tur und Impe­ria­lis­mus. Ein­bil­dungs­kraft und Poli­tik im Zeit­al­ter der Macht, S. Fischer 1994.