Ich kann mich gut an die Anfänge der Corona-Pandemie erinnern und die damit verbundenen Kräche mit bisher besten Freundinnen. Eine Abwehrstrategie war z. B. das »Argument«, dass die Kritiker Verschwörungstheoretiker seien. Mein Argument, dass es sehr wohl in der Geschichte Verschwörungen gab, wurde pauschal abgewehrt. Unsinn! So etwas ist natürlich das Ende jeder Diskussion, und da hilft auch nicht, dass es in der Geschichte sehr wohl Beispiele gab. Lassen wir die bekanntesten bei uns weg (Hitler-Attentäter) und wenden uns der Wirtschaftsgeschichte zu. Wer im Musterland der Demokratie nach Verschwörungen sucht, wird hier fündig: Gustavus Myers: Die großen amerikanischen Vermögen (2 Bde.), März 1969 (zuerst 1916). Dass keines der großen US-Vermögen auf ehrliche Weise, durch ehrliche Arbeit erworben wurde, sollte man schon wissen. Nebenbei, zu den Wahlen schrieb der hellsichtige Sozialist schon Anfang des letzten Jahrhunderts: »Die Massen des Volkes waren in diesen politischen Kämpfen bloße Schachfiguren, aber nur wenige von ihnen sahen ein, dass die Erregung, die Parteigeschäftigkeit und der Enthusiasmus, in den sie sich warfen, keine andere Bedeutung hatte als die, sie noch fester in ein System zu verketten, dessen Nutznießer immerfort mehr Rechte bekamen auf Kosten des Volkes, und deren Reichtum daher in beschleunigtem Tempo wuchs.«
Ich mache mir gerne den »Spaß« in heiterer Runde zu fragen, ob jemand weiß, wie viele ausländische Staatsoberhäupter die US-Regierung ermorden ließ – direkt oder indirekt. Wenn Sie nicht auf mindestens drei kommen, sehe ich schwarz für Ihre politische Bildung.
Aber zurück zum Thema. Eine besonders schön-bunte(!) »Verschwörung« kann man in diesem Buch nachlesen: Frances Stonor Saunders: Wer die Zeche zahlt. Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg, Siedler Verlag 2001. So wurde im Geheimen nach dem Zweiten Weltkrieg der »Kongress für kulturelle Freiheit« initiiert, um der westlichen Intelligenz »ihre latente Sympathie für Marxismus und Kommunismus auszutreiben, um sie so nach und nach an den American Way heranzuführen«. Übrigens sehr erfolgreich, wozu aber auch die Entdeckung von Stalins Terror beitrug. Es gehören schon beide Seiten dazu. Dass es auch einen anderen Kommunismus und Marxismus gab (in der Tradition von Rosa Luxemburg), spielte leider keine oder kaum eine Rolle. (Die entsprechende Namensgebung für eine Stiftung ist etwas peinlich und/oder ein leeres, gebrochenes Versprechen.)
Man kann ohne oder nur mit geringer Übertreibung sagen, dass die moderne Kunst in diesem Kulturkampf eine große Rolle spielte, als Mittel zu einem bestimmten Zweck: nämlich den Realismus aus der Kunst auszutreiben. Dass es dabei richtig tragisch zuging, und die Künstler oft nicht wussten, wie ihnen geschah, inzwischen kann man das wissen, z. B.: Serge Guilbaut: Wie New York die Idee der modernen Kunst gestohlen hat. Abstrakter Expressionismus, Freiheit und Kalter Krieg, Verlag der Kunst 1997 (zuerst 1983).
So, und nun frage ich mich, was muss dazu beitragen, dass man aus der Geschichte lernt? Sich nicht vor Angst verrückt machen lassen, wäre schon was, aber wem sage ich das?
PS: »Ich bin überzeugt, dass die Kultur sehr effektiv daran arbeitet, tatsächliche Verbindungen unsichtbar, wenn nicht ›unmöglich‹ zu machen, die zwischen der Welt der Ideen und der Wissenschaft auf der einen Seite und der Welt roher Politik, unternehmerischer und staatlicher Macht und militärischer Stärke auf der anderen Seite existieren« (Edward W. Said). Ja, Said hätten wir uns gewünscht, um den »Skandal« der letzten documenta zu kommentieren, von jüngeren Ereignissen ganz zu schweigen. Deshalb mein letzter Tipp: Edward W. Said: Kultur und Imperialismus. Einbildungskraft und Politik im Zeitalter der Macht, S. Fischer 1994.