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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Verschwiegene Kunst

Sie weiß es, Feli­ce Fey, eine jun­ge, im »Westen« auf­ge­wach­se­ne Kunst­wis­sen­schaft­le­rin: »Die öffent­li­che Wahr­neh­mung von Kunst aus der DDR blieb noch für lan­ge Zeit von der par­tei­li­chen Kunst­ge­schichts­schrei­bung und Kunst­kri­tik geprägt.« So heißt es in ihrem gera­de im Deut­schen Kunst­ver­lag Berlin/​München erschie­ne­nen, groß­for­ma­ti­gen Band auf Kunst­druck­pa­pier: »Ver­schwie­ge­ne Kunst. Die inter­na­tio­na­le Moder­ne in der DDR«, auf des­sen Cover ein Gemäl­de von Gerd Sonn­tag prangt, eines Künst­lers, der nach eige­nen Wor­ten sich kaum um Poli­tik geküm­mert hat, nur sei­ne Kunst im Sinn hat­te. Man freut sich ob der Aner­ken­nung sol­cher Leu­te wie Peter Graf etwa, des­sen Name auch heu­te noch weit­ge­hend unbe­kannt ist. Bis auf weni­ge Aus­nah­men, etwa Ger­hard Alten­bourg, Max Uhl­ig und Carl­fried­rich Claus, galt im ver­ei­nig­ten Deutsch­land kaum mehr als das, was die zahl­rei­chen »Aus­ge­rei­sten« gemacht hat­ten. End­lich erfährt man auch mehr über die Kunst der aus wel­chen Grün­den auch immer »Hier­ge­blie­be­nen«.

Dass das aller­dings nicht der eigent­li­che Zweck des Buches ist, wird aus dem Vor­wort des Pro­jekt­lei­ters der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin, Jochen Staadt, deut­lich sowie am Haupt­spon­sor, der Bun­des­stif­tung zur Auf­ar­bei­tung der SED-Dik­ta­tur. Feli­ce Fey hat bereits durch die wis­sen­schaft­lich kor­rekt recher­chier­te Roger-Loe­wig-Bio­gra­fie (Lukas Ver­lag Ber­lin, 2011), eines in der DDR Unan­ge­pass­ten, ihre Kom­pe­tenz auch auf dem Feld der poli­ti­schen Betrach­tungs­wei­se bewie­sen. Wenn im Vor­wort die­ses neu­en Buchs jedoch steht, dass eine erste Fas­sung vom For­schungs­ver­bund kor­ri­giert wur­de, wun­dert man sich nicht über die hier über­aus star­ke Poli­ti­sie­rung des The­mas, an der eine gan­ze Pro­jekt­grup­pe betei­ligt war. Dabei wird nicht in Abre­de gestellt, dass auch die Kunst vom jewei­li­gen gesell­schafts­po­li­ti­schen Ambi­en­te geprägt ist. Es nervt jedoch die Fül­le an Zita­ten von immer wie­der inhalt­lich glei­chen State­ments von Par­tei­funk­tio­nä­ren der DDR aus allen hier­ar­chi­schen Ebe­nen und die pau­scha­le Abwer­tung von ver­dienst­vol­len Per­sön­lich­kei­ten etwa mit Kenn­zeich­nun­gen wie »par­tei­loy­al«. Letz­te­res stellt sich dann an ver­schie­de­nen Stel­len des Buches als durch­aus ambi­va­lent her­aus, wenn nach­ge­wie­sen wird, wie sich sol­che Künst­ler wie Fritz Cremer oder Muse­ums­di­rek­to­ren wie Lud­wig Justi, Wer­ner Timm und Wer­ner Schmidt für moder­ne Kunst ein­setz­ten. Nach 30 Jah­ren noch Kal­ter Krieg? Wir, die mit den Par­tei­phra­sen auf­ge­wach­se­nen ehe­ma­li­gen DDR-Bür­ger, haben hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand vom Holz­ham­mer gesprochen.

Das Buch ist chro­no­lo­gisch auf­ge­baut und ori­en­tiert sich an poli­ti­schen Ereig­nis­sen, etwa in Ungarn 1956, an dem Mau­er­bau 1961, an Prag 1968, Polen, Viet­nam, der SU. Es weist nach, wie sich damit jeweils der mit­un­ter mit mas­si­ven Repres­sa­li­en aus­ge­üb­te Druck auf die Kul­tur­schaf­fen­den ver­schärf­te, der über Par­tei­ta­ge und zum Bei­spiel das 11. Ple­num 1965, auch Kahl­schlag­ple­num genannt, legi­ti­miert wer­den soll­te. Auch die Tau­wet­ter­pe­ri­oden wer­den benannt, etwa im Zusam­men­hang mit dem Deutsch­land­tref­fen der Jugend 1964 und dem Regie­rungs­wech­sel Ulb­richt /​ Hon­ecker 1971.

Der posi­ti­ve Ansatz des Buches liegt dar­in, wie Jochen Staadt schreibt, Künst­ler vor­zu­stel­len, »deren Phan­ta­sie und Krea­ti­vi­tät die staat­li­che Kul­tur­po­li­tik der SED kei­ne Gren­zen set­zen konn­te«. Gestal­te­risch arbei­te­ten sich Par­tei und Künst­ler unter ande­rem an Picas­so ab, die einen, weil sie For­ma­lis­mus gegen Sozia­li­sti­schen Rea­lis­mus wit­ter­ten, die ande­ren, weil er die künst­le­ri­sche Frei­heit ver­kör­per­te. Es wird deut­lich her­aus­ge­stellt, dass es eine offi­zi­el­le Kunst gab und eine inof­fi­zi­el­le, wobei letz­te­re immer im ein­ge­schlos­se­nen Land mit allen neu­en Kunst­strö­mun­gen der Welt, ob sozia­li­sti­sches oder kapi­ta­li­sti­sches Aus­land, im Aus­tausch stand. Was auch als das Ver­dienst des Buches gel­ten kann, ist die Dar­stel­lung der Kon­flik­te, die jeder ein­zel­ne, mit Kul­tur­pro­zes­sen in der DDR Ver­bun­de­ne im eige­nen Land aus­zu­tra­gen hat­te. Je nach Men­ta­li­tät, fami­liä­ren Bin­dun­gen, diplo­ma­ti­schem Geschick rebel­lier­ten die einen mehr oder weni­ger offen, duck­ten sich die ande­ren weg oder setz­ten, wie der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Micha­el Weck schon 1992 fest­stell­te, »den lebens­prak­ti­schen Wider­stand aus der ›Nischen­ge­sell­schaft‹ (Gün­ter Gaus) ent­ge­gen« (Kurs­buch 109, S. 135).

Feli­ce Fey stellt die Situa­ti­on der Kul­tur­schaf­fen­den der DDR als sehr schwie­rig dar, wenn sie von einer »heik­len Diplo­ma­tie« bei Sit­te schreibt, an einer Stel­le die Fra­ge auf­wirft, wo der Unter­schied zwi­schen ange­passt und oppo­si­tio­nell war (S. 100) und fest­stellt, dass die Schei­dung der Künst­ler »in für oder gegen die DDR« sel­ten ein­deu­tig war (S. 111). Sie bezieht die Situa­ti­on der Künst­ler in der BRD ein, etwa mit ihren Pro­test­ak­tio­nen für den Frie­den, wirft einen Blick auf die west­li­che Lin­ke, etwa auf die Zeit­schrift Ten­den­zen, stellt die Bezie­hung zur Lite­ra­tur her mit Lutz Rathe­now, Jür­gen Fuchs und Wolf Bier­mann und geht auf mehr oder weni­ger ille­ga­le Künst­ler­grup­pen wie »Lücke« ein. An vie­len inter­es­sant und leben­dig erzähl­ten Ein­zel­schick­sa­len, oft ver­bun­den mit Erin­ne­run­gen der Betei­lig­ten aus heu­ti­ger Sicht, ist es der Autorin gelun­gen, ein viel­far­bi­ges Bild von der Moder­ne in der DDR zu malen. Ver­dient hat es jeder Künst­ler, und fast jedes ein­zel­ne Kapi­tel birgt das Poten­ti­al in sich zu einem eige­nen Buch.

Feli­ce Fey: Ver­schwie­ge­ne Kunst. Die inter­na­tio­na­le Moder­ne in der DDR. Deut­scher Kunst­ver­lag Berlin/​München, 368 Sei­ten, 48 .