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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ursünde Neoliberalismus

Am Tag nach dem Wahl­sieg von Donald Trump am 5. Novem­ber 2024 stieg an der Bör­se, der ewi­gen Hure des Kapi­ta­lis­mus, der Akti­en­in­dex Dow Jones durch eine Stei­ge­rung um 3,5 Pro­zent auf den höch­sten Stand aller Zei­ten. Der deut­sche DAX sank dage­gen um 1,5 Pro­zent, und selbst der Schwei­zer SMI sank. Zwei Sei­ten der­sel­ben Medail­le. Die west­li­che Welt tickt nur noch nach dem Bör­sen­stand, einem unsi­che­ren, schwan­ken­den Indi­ka­tor, der durch Aus­blen­dung der öko­no­mi­schen Rea­li­tät und schö­nen Schein befeu­ert wird.

Lin­ke Par­tei­en wie Sozi­al­de­mo­kra­ten und ande­re hat­ten und haben dem gras­sie­ren­den Neo­li­be­ra­lis­mus nichts ent­ge­gen­zu­set­zen. Sie mach­ten mit, wahr­schein­lich weil ihre Sozi­al­po­li­tik schon vor­her arg redu­ziert war. Heut­zu­ta­ge gilt sei­ne Welt­an­schau­ung als gott­ge­ge­ben und ist im Bewusst­sein des Groß­teils der Bevöl­ke­run­gen der west­li­chen Staa­ten und dar­über hin­aus fest ver­an­kert. Zum ersten Mal aus­pro­biert wur­de die­se neue Staats­füh­rung in Pino­chets Chi­le nach dem Putsch gegen die gewähl­te Volks­front-Regie­rung unter Sal­va­dor Allen­de im Jahr 1973 – und zwar von den soge­nann­ten »Chi­ca­go-Boys« des Öko­no­men Mil­ton Fried­man. Fort­an wur­den der Staat auf die poli­ti­sche Repres­si­on redu­ziert und die sozia­le Kom­po­nen­te der Markt­öko­no­mie geop­fert. Und weil das unter der Mili­tär­dik­ta­tur so gut funk­tio­niert hat­te, wur­de die­ser Neo­li­be­ra­lis­mus von Mar­ga­ret That­cher in Groß­bri­tan­ni­en und Ronald Rea­gan in den USA übernommen.

Weil Lin­ke und Bür­ger­li­che dem nichts ent­ge­gen­set­zen, wer­den unter­des­sen vie­le Staa­ten Euro­pas von Rechts­po­pu­li­sten regiert. Von Vik­tor Orban, der sei­ne Macht in Ungarn fast zu einer Dik­ta­tur aus­ge­baut hat, über den frem­den­feind­li­chen Geert Wil­ders in den Nie­der­lan­den, der sei­ne bür­ger­li­chen Koali­ti­ons­part­ner vor sich her treibt, und Mari­ne Le Pen in Frank­reich, die aus tak­ti­schen Grün­den der­zeit Krei­de gefres­sen zu haben scheint, bis zu Signo­ra Melo­ni, Che­fin der post­fa­schi­sti­schen »fra­tel­li d›Italia«, die der Radio- und Fern­seh­an­stalt RAI ihr geneh­me Jour­na­li­sten und ein ande­res Pro­gramm ver­ord­nen will und sich auch mit der Kul­tur­sze­ne anlegt. Ähn­li­ches pas­siert übri­gens zur­zeit in der Slo­wa­kei des Mini­ster­prä­si­den­ten Robert Fico. In Ita­li­en gibt es tra­di­tio­nell vie­le lin­ke Schrift­stel­ler. Also hat das dies­jäh­ri­ge Gast­land Ita­li­en eine Schar von Möch­te­gern-Autoren auf staat­li­che Kosten zur größ­ten Buch­mes­se der Welt nach Frank­furt geschickt. Sowohl Autoren wie auch Jour­na­li­sten weh­ren sich vehe­ment gegen post­fa­schi­sti­sche Staats­kul­tur. Und schließ­lich gibt es da noch die deut­sche AfD, die beson­ders in den ost­deut­schen Bun­des­län­dern (wie bei den drei Land­tags­wah­len im Herbst) Wäh­ler an sich bin­det, die sich von den west­deut­schen Par­tei­en (nicht ganz zu Unrecht) über­gan­gen und abge­hängt fühlen.

Auch in Isra­el, dem tra­di­tio­nel­len Vor­po­sten der USA und Euro­pas im Nahen Osten, ist mit Ben­ja­min Netan­ja­hu eine ultra­or­tho­dox rechts­ra­di­ka­le Regie­rung im Amt, die den Krieg in Gaza, dem West­jor­dan­land und im Liba­non trotz zehn­tau­sen­der Toten schon des­halb immer wei­ter führt, weil Netan­ja­hu sich vor einer gericht­li­chen Ver­ur­tei­lung ret­ten will und zudem weiß, dass er nach Ende des Kriegs sowie­so abge­wählt wird, und weil sein kriegs­lü­ster­nes Kabi­nett die Ara­ber aus Gaza und dem West­jor­dan­land end­gül­tig ver­trei­ben will. Gegen ihn gibt es seit Mona­ten vehe­men­ten Pro­zess einer (im Gegen­satz zu den ara­bi­schen Nach­barn) selbst­be­wuss­ten Zivilgesellschaft.

Bei den jüng­sten Wah­len in den USA war der Aus­gang zwi­schen dem gericht­lich ver­ur­teil­ten Ex-Prä­si­dent Donald Trump und der Demo­kra­tin Kama­la Har­ris als äußerst knapp vor­aus­ge­sagt wor­den. Die Augu­ren haben sich schwer getäuscht, viel­leicht auch, weil die Wäh­ler bei den Umfra­gen mit ihrer Absicht hin­ter dem Berg gehal­ten hat­ten. Statt eines knap­pen Wahl­aus­gangs stand am Ende ein Erd­rutsch­sieg des Repu­bli­ka­ners Trump fest. Die Demo­kra­ten sind schon lan­ge kei­ne Arbei­ter­par­tei mehr. Statt­des­sen ver­such­ten sie mit Kli­ma­zie­len, Frau­en­rech­ten und aller­lei »Woke­ness« und der Dis­kri­mi­nie­rung der schwar­zen Bevöl­ke­rung und der Lati­nos zu punk­ten. Das ist offen­sicht­lich deut­lich dane­ben­ge­gan­gen, weil die wah­ren Pro­ble­me der Men­schen Infla­ti­on, hohe Prei­se und zu nied­ri­ge Löh­ne sind. Genau damit – mehr Geld, höhe­ren Zöl­len auf Impor­te und Abschot­tung des Lan­des gegen den Migran­ten­an­sturm aus dem Süden – haben die Repu­bli­ka­ner die Wah­len gewon­nen. Den Wäh­lern war offen­bar herz­lich egal, dass Trump ein Rüpel, sexi­sti­scher Frau­en­feind und ver­ur­teil­ter Gross­kotz ist. Und so wer­den die USA für ihren mili­tä­ri­schen Schutz für Euro­pa, der wohl auch unter Trump nicht flä­chen­deckend auf­ge­ho­ben wird, wei­ter­hin auf Pump, sprich auf Kosten der »frei­en« Welt leben.