Sie war eine der verehrten und beliebtesten Schauspielerinnen in der DDR: Jutta Wachowiak. Das vor allem wegen der Hauptrolle in dem DEFA-Film »Die Verlobte« (1980) in der Regie von Günter Reich und Günther Rücker. Zu Beginn der 1990er Jahre war es ruhig geworden um sie. Nach Engagements in Essen kehrte sie nun zurück nach Berlin an das Deutsche Theater.
In dem Stück »Jurassik Park« von dem österreichischen Autor Eberhard Petschinka und dem Schweizer Regisseur Rafael Sanchez soll die »Siegergeschichte« über die DDR ein wenig geradegerückt werden. Die beiden haben die DDR nicht selbst erlebt, konnten also unvoreingenommen zu Werke gehen. Jutta Wachowiak sieht dies als großen Vorteil. Muss sie doch mit ansehen, dass viele westdeutsche Kollegen meinen, sie würden ihre Biographie besser kennen als sie selbst. Zugleich habe Petschinka eine erfreulich radikale Art, mit Dingen umzugehen. Das sei eine glückliche Konstellation, denn Nachsicht mit der DDR betrachtet Wachowiak auch als unangebracht.
Jutta Wachowiak spielt die Wärterin in einem geheimnisvollen Park, in dem Dinosaurier gezüchtet werden. Die Geschichte des Parks, den niemand verlassen oder unkontrolliert betreten darf, vermischt sich mit der Biographie Wachowiaks. Sie erzählt von der Flucht der Mutter mit den zwei Töchtern vor den Russen 1945, von den Erlebnissen in der Schule in einem Land, das es nicht mehr gibt. Sie berichtet von ihrer Ausbildung zur Schauspielerin, von ihren ersten Rollen am Deutschen Theater sowie ihrer Zusammenarbeit mit Günter Reich an Filmen der DDR. Dabei betrachtet sie sich selbst als eine Art Dinosaurier, die bald aussterben wird. Verschwinden werden natürlich auch bald jene, die noch wie sie mehrere Systeme erlebt haben: Krieg und Faschismus, die DDR und die Bundesrepublik nach 1990. Aber sie will mit ihrer Rolle in diesem Stück versuchen, diesem Aussterben etwas entgegenzusetzen.
Nach der Öffnung der Mauer (des Parks) und der Umwandlung in einen Vergnügungspark ist für die Wärterin des Parks und damit auch für die Schauspielerin nichts mehr so, wie es war. Noch glaubt sie, für sie werde sich nichts ändern – sie hat eine interessante Arbeit, Geld, eine Wohnung. Was soll ihr schon passieren? Aber sie sieht die vielen Arbeitslosen, die gebrochenen Biographien, das Sterben der Städte und das eigene Nichtmehrgebrauchtwerden. Sie kann die neue Freiheit nicht genießen. Die Ignoranz gegenüber Fähigkeiten, Wissen, Ideen und Erlebtem durch die neuen Herren sowie die Enttäuschung lassen sie immer mehr Fragen stellen – zur Vergangenheit, aber auch zur Zukunft. Es ärgert sie, dass die Mehrheit keine Fragen stellt, aber immer besser weiß, wie es geht. Das schmerzt, und sie empfindet es als entwürdigend. Und jetzt merkt sie: Überallhin könne sie jetzt reisen – aber sie hat keine Heimat mehr!
Ein gelungener Auftritt der nunmehr fast 80-jährigen Schauspielerin. Sie ist wieder angekommen in »ihrem« Deutschen Theater, einem ehemaligen Vergnügungspark.
Das zumeist junge Publikum in der BOX dankt es ihr mit langem Beifall. Aus meiner Sicht: Es ist schade, dass in der Aufführung nicht noch ein wenig mehr aus dem reichen Theaterschaffen der Jutta Wachowiak in Erinnerung gerufen worden ist.
Nächste Aufführungen: 21. und 28. Februar, 19.30 Uhr, Berlin, Deutsches Theater, BOX