Die Meldungen im Internet rauf und runter gesucht, aber nur in der Rostocker Ostseezeitung vom 3. April stand: »Warnung vor Terroranschlägen von Polizisten und Soldaten«. Es wird mitgeteilt: Die Bundesregierung befürchte eine Zunahme rechter Gewalt im Zuge der Corona-Krise. Das Bundesinnenministerium habe den Bundestag über Planungen rechter Gruppierungen informiert, die Gunst der Stunde auszunutzen. Nach Medien-Informationen bereiten sich Mitglieder sogenannter Prepper-Gruppen (engl. to be prepared: vorbereitet sein) auf einen angeblichen Tag X vor, an dem die öffentliche Ordnung zusammenbrechen soll. In Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sollen Waffen und Munition aus Verstecken, sogenannten Safehouses, geholt worden sein.
»Teile der extremen Rechten haben sich auf genau solche Situationen vorbereitet und könnten mit Anschlägen aktiv werden«, sagte Linken-Innenexpertin Martina Renner. Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, betonte, immer häufiger tauche bei Rechtsextremisten die Hoffnung auf bürgerkriegsähnliche Zustände auf, in denen die verhassten etablierten Strukturen in Politik und Gesellschaft beseitigt werden sollen.
Nach dem Ostseezeitungs-Bericht war wieder Ruhe im Blätterwald. Während sonst alle möglichen Meldungen zur Corona-Krise in aller Breite ausgewalzt wurden, von der Not der Spielhallenbesitzer bis zum Kummer der Nachtlokalbesucher.
Dann allerdings, am Freitag, dem 15. Mai, fand ich eine Information im Lokalteil der Dortmunder Ruhr Nachrichten, die besagte: Das Sondereinsatzkommando (SEK) der Dortmunder Polizei habe im fernen Mecklenburg-Vorpommern, in Güstrow, auf einem Schießstand der rechtsterroristischen Gruppe »Nordkreuz« trainiert. Das habe das Landeskriminalamt jetzt bestätigt. Und weiter: Am Raub von Munition bei Bundeswehr und Polizei zum Einsatz für den Tag »X« seien auch Polizisten aus Nordrhein-Westfalen beteiligt gewesen. Gruppen wie »Nordkreuz« haben Todeslisten aufgestellt, um die darin verzeichneten Demokraten »wegzumachen«.
Bemerkenswert ist, dass die Meldung nur im Lokalteil der Dortmunder Zeitung stand, nicht auf der vorderen Seite, denn es wurden vom Landeskriminalamt auch Kontakte der SEK Duisburgs, Kölns und Düsseldorfs zum rechten Terrorspektrum gemeldet. Obwohl noch weitere Details – diesmal aus frontal 21 – gemeldet wurden, hüllten sich Landes- und Bundesregierung in Schweigen. Es wurde bekannt: An jenem Tag X soll die Staatsmacht übernommen und unliebsame Menschen aus dem demokratischen Spektrum hingerichtet werden. Für die ›Machtübernahme‹ braucht man Fahrzeuge, Waffen, Munition, zur Vorbereitung Listen von ›Feinden‹, für ihre Beseitigung Leichensäcke und Löschkalk. Chats belegen Details der Vorratsbeschaffung.
Antifaschistische Gruppen wie die VVN-BdA forderten daraufhin die sofortige Beendigung der Polizeikontakte in die rechte Szene hinein. Der Fall müsse gründlich aufgeklärt werden. Bis dahin seien alle SEK-Kräfte, die ausgerechnet ins 550 Kilometer entfernte Güstrow zum Schießstand fahren – offenbar um sich mit »Nordkreuz«-Leuten zu treffen –, aus dem Dienst zu entfernen. Die Linke Dortmund ergänzte: »Das Wirken rechtsterroristischer Kreise in Deutschland ist unerträglich, beschämend und hochgefährlich. – Ihr Zusammenwirken mit staatlichen Organen unfassbar, skandalös und eine schwere Bedrohung der Demokratie.« Es meldeten sich auch Beobachter zu Wort, die auf die nie aufgeklärte Rolle der Dortmunder Polizei bei der Nichtaufklärung der NSU-Morde hinwiesen.