(Ausschnitte aus dem im September erscheinenden Buch »The Great WeSet. Alternativen in Medien und Recht. Massel Verlag München.)
Im März 2020 kollabierte die uns bekannte Realität – im Nachhinein möchte man fast sagen: binnen Stunden. Doch es gibt kein physikalisches Zeitmaß für diesen Kollaps. Es wurden ein paar sonderbare Imperative in die Welt gebellt - und die bekannte Ordnung ging in die Knie: Der Rechtsstaat, die Wissenschaft, die Medizin, das argumentierende Begründen, die Aufklärung, die Wirtschaft und die Kunst. Noch bevor wir ein »aber« absetzen konnten, um unsere Einwände und Gegenrechnungen zu präsentieren, waren wir längst abgeschaltet von den Zugängen zur imperativen Welt. Aussortiert als Querdenker, Staatsfeinde, Querulanten und Verschwörungstheoretiker. Wir fanden uns wieder unter lauter Fremden, die wir wie Freunde begrüßten, weil wir mit ihnen reden konnten. Ehemals vertraute Menschen wandten sich von uns ab und wurden zu tiefgläubigen Kreuzzüglern der Imperative – unerreichbar in ihrer Trance, aber stets mit gezücktem Schwert. Im Ghetto der Kritik versuchten wir, wieder zur Sprache zu finden, doch wir sprachen nur mit uns. Wann immer es mir gelang, einen der Gläubigen anzusprechen und zu fragen, welches Unwort ich denn ausgesprochen, welche verbotene Frage ich gestellt haben mag, um verbannt zu werden, wurde mir bestenfalls Spott zuteil, meistens aber zornige Verachtung. Im Großen und Ganzen ist es bis heute so geblieben. Die Fortsetzung des Pandemieterrors durch einen mit aller Macht eskalierenden Krieg, durch Inflation und dramatischer ökonomischer Destabilisierung und schließlich durch ein apokalyptisch aufgeladenes Management des Klimawandels, hat diese Raumaufteilung eher verstärkt als gemildert. (…)
Nein, wir waren nicht zufrieden mit der Gegenwart, wir hatten uns bloß an sie gewöhnt und waren vollauf damit beschäftigt, den Kopf über Wasser zu halten. Leute wie ich hatten sich insgeheim damit arrangiert, Teile eines großen Fait accompli zu sein. Wir bekamen eine Art Gnadenbrot dafür, abendländischen Tiefsinn in die Luft zu pusten. Der Posten war vorgesehen und interessierte niemanden wirklich. Man hätte zufrieden sein können. Doch irgendwie rumorte das Abendland noch in einem: die Postulate des Guten, Wahren, Schönen, die Versprechen von Demokratie und Freiheit, die Tröstungen des Humanen, die Abenteuer des Denkens. All das hatte zwar nie funktioniert, aber der reichlich verwohnte Glanz der Ideale genügte uns. Wir waren Pausenclowns und hatten Mühe, uns ernst zu nehmen. Besseres fiel uns einfach nicht ein.
Dann kam der Sturz aus dem Gefüge. Und noch bevor wir das Geringste verstanden hatten, beschlossen wir, die Herausforderungen anzunehmen. Das ist, glaube ich, der Moment, der uns zu den »Sehenden« hat werden lassen – auch wenn es für die meisten noch eine ganze Weile gedauert hat, etwas zu verstehen und schon gar das ganze Ausmaß. In dem Moment, da wir uns für den Zweifel entschieden, wurden wir in ein Ghetto eingeschlossen. Die Parallelgesellschaft hatten nicht wir gesucht. Sie wurde über uns verhängt. So schnell, so umfassend, dass man im Nachhinein nur vermuten kann: Die Quarantäne war vorgesehen. (…)
Es gibt reichlich und reich fundierte Vermutungen darüber, dass die Erosion unserer Realität weniger einigen Unfällen entsprungen ist, sondern vielmehr einem lange vorbereiteten Szenario gehorcht. In dieser Sicht der Dinge wohnen wir einer kontrollierten Zerrüttung bei. Kurz gesagt: Interessierte und außerordentlich potente Kreise fahren das System, das kurz vor dem Kollaps steht, herunter und haben bereits die Pläne für die Neukonstruktion ihrer Herrschaft in der Tasche. Es geht weniger um Geld, sondern um Kontrolle. Geld ohne Macht ist so gut wie wertlos. (…)
Paul Schreyer hat während der Arbeit an seinem im Westend Verlag erschienenen Buch Chronik einer angekündigten Krise eine Art Vorgeschichte der Corona-Pandemie entdeckt. Die reicht über 20 Jahre zurück und besteht unter anderem aus einer ganzen Reihe von Übungen zur Vorbereitung auf welterschütternde Pandemien, veranstaltet von sogenannten philanthropischen Stiftungen wie der Rockefeller Foundation und der Bill & Melinda Gates Foundation in Zusammenarbeit mit staatlichen oder halbstaatlichen Gesundheitsinstitutionen. Dabei sollte zum einen das Bewusstsein für kommende Pandemien geweckt werden, zum anderen galt es zu erarbeiten, welche Maßnahmen zu deren Bewältigung zu ergreifen sind. Schon sehr früh machte man sich bei diesen hochkaratig besetzten Planspielen Gedanken über die Rolle der Medien. Die letzte und denkwürdigste dieser Katastrophenübungen fand im Oktober 2019 – also wenige Wochen vor Proklamation der Pandemie – in einem New Yorker Luxushotel statt. »Event 201« wurde ausgerichtet und finanziert von der Gates Stiftung, dem World Economic Forum und dem Johns Hopkins Center for Health Security, das dem Milliardär und Philanthrop Michael Bloomberg gerade ein paar Milliarden Dollar verdankte. Bei dieser Simulation einer ausbrechenden Coronavirus-Pandemie zerbrachen sich die Katastrophenseminaristen auch ausgiebig den Kopf darüber, wie man die Medien im Ernstfall unter Kontrolle bringen kann.[1]
»Regierungen und der Privatsektor sollten der Entwicklung von Methoden zur Bekämpfung von Fehl- und Desinformationen vor der nächsten Reaktion auf eine Pandemie größere Priorität einräumen. Regierungen müssen mit traditionellen und Social-Media-Unternehmen zusammenarbeiten, um effektive (flinke) Ansätze zur Bekämpfung von Fehlinformationen zu erforschen und zu entwickeln. Dies erfordert die Entwicklung der Fähigkeit, Medien mit schnellen, genauen und konsistenten Informationen zu überfluten. Öffentliche Gesundheitsbehörden sollten mit privaten Arbeitgebern und vertrauenswürdigen Führungspersönlichkeiten der Gemeinschaft, wie z. B. religiöse Führer, zusammenarbeiten, um sachliche Informationen an Mitarbeiter und Bürger zu verbreiten. Vertrauenswürdige, einflussreiche Arbeitgeber im Privatsektor sollten Kapazitäten schaffen, um öffentliche Nachrichten leicht und zuverlässig zu verbreiten, Gerüchte und Fehlinformationen zu managen und glaubwürdige Informationen zu verstärken, um die öffentliche Notfallkommunikation zu unterstützen. Nationale Gesundheitsbehörden sollten eng mit der WHO zusammenarbeiten, um die Möglichkeit zu schaffen, schnell überzeugende Gesundheitsbotschaften zu entwickeln und zu veröffentlichen. Medienunternehmen ihrerseits sollten sich dazu verpflichten sicherzustellen, dass maßgebliche Nachrichten priorisiert und falsche Nachrichten unterdrückt werden, auch durch den Einsatz von Technologie.«[2]
So wird es kommen: Am 17. März 2020 verpflichten sich Facebook, Google, LinkedIn, Microsoft, Reddit, Twitter und YouTube »in Koordination mit den Gesundheitsbehörden der Regierungen rund um die Welt«, Betrug und Fehlinformation in Zusammenhang mit COVID-19 zu bekämpfen und offizielle Beiträge zum Thema auf ihren Plattformen besonders sichtbar zu machen. Im Wortlaut der Vereinbarung heißt es: »Wir arbeiten bei den Covid-19-Reaktionsbemühungen eng zusammen. Wir helfen Millionen von Menschen, in Verbindung zu bleiben, während wir gleichzeitig gemeinsam Betrug und Fehlinformationen über das Virus bekämpfen, maßgebliche Inhalte auf unseren Plattformen veröffentlichen und wichtige Updates in Abstimmung mit staatlichen Gesundheitsbehörden auf der ganzen Welt teilen. Wir laden andere Unternehmen ein, sich uns anzuschließen, während wir daran arbeiten, unsere Gemeinden gesund und sicher zu halten.«
Dieser missionarische Journalismus, von dem der mediale Mainstream binnen weniger Wochen vollständig durchdrungen war, ist radikal einseitig und radikal aggressiv. Jeder, der seinem so schlichten wie geschlossenen Weltbild widersprach, wurde als Feind entweder kriminalisiert oder pathologisiert. Alle Zweifler wurden in die Katakomben des Netzes abgedrängt. Und da formierte sich nolens volens eine Gegenöffentlichkeit, und zwar rasend schnell mit ebenso rasant wachsenden Reichweiten. Noch schneller ließ die mediale Oberwelt sämtliche journalistische Standards hinter sich. Der Leipziger Medienwissenschaftler Uwe Krüger nennt den neuen Standard »Verantwortungsverschwörung«.[3] Das hieß in diesem Fall: Wer Maßnahmen kritisiert, gefährdet Menschenleben. (…)
Wir waren stets frei und doch in Ketten. Wir haben improvisiert. Manches sah aus, als sei es gelungen. Wir waren stets unter Strom, und gelegentlich erwischten wir uns bei dem Versuch zu begreifen, was wir eigentlich wollten. In der Regel lebten wir als Gast unseres Lebens, das seinen Weg nahm. Hunderte von großartigen Romanen, Abhandlungen, Filmen und Gemälden reflektierten unsere Unbehaustheit. Von Zeit zu Zeit besichtigten wir das klirrend Existentielle, Die Fälschung der Welt (William Gaddis), der wir entkamen, indem wir wieder in den Lärm vermeintlich überschaubarer Zweck-Mittel-Operationen eintauchten. Das waren die sogenannten Bildungserlebnisse. Nichts stimmte. Doch unser Misstrauen war zu unartikuliert, zu flüchtig, um einer Zivilisation zu entsagen, die irgendwie zu funktionieren schien und dabei unaufhörlich Übermenschliches produzierte, die Herzen verpflanzen konnte und Raketen auf lichtjahrelange Reisen ins All schoss, wo sie schließlich auf einem winzigen eisigen Gesteinsbrocken punktgenau landeten. Unsere Zweifel verschwanden im grandiosen Spektakel des Realen. Unverbindliche Vorbehaltsklauseln im Exil des Inneren.
»La réalité est enorme« besagte eine Weisheit der 68er. Die Realität ist immer noch enorm, wenn nicht gar noch enormer. Doch man wird in diesem Buch, das von den Oppositionellen unserer Tage handelt, fast nichts finden, was für das Programm einer radikalen zivilisatorischen Erneuerung eine Antwort gefunden hätte. Das hat seinen Grund. Wir stehen heute nicht vor der Wahl Revolution oder Reparatur. Wen wollten wir stürzen? Regierungen, die Oligarchen und ihre Netzwerke, die Universitäten oder die bigotten Kulturtempel? Mal ganz abgesehen davon, dass uns sämtliche Mittel fehlen. Auf der anderen Seite: Was wollten wir reparieren? Die Demokratie, die Verfassung, die Wirtschaft? Es gibt keine Reform, die richten könnte, was längst nicht mehr funktioniert. Und wir sind eine Minderheit – eine anrüchige Minderheit. So gesehen scheint die Lage aussichtlos und wir wären zum Stillstand verurteilt.
Das ist die Falle des Realismus: Sich nur Aufgaben zu stellen, die im Licht der verfügbaren Mittel möglich erscheinen. Die Falle der Utopie: Dem Traum die Mittel zu opfern. Doch in Wahrheit haben wir keine Utopie. Wir haben Gegner, eisige Akteure, die an der Zerlegung der Welt arbeiten, um sie nach ihren Plänen neu zu errichten. Und sie haben erhebliche Fortschritte gemacht. Als unerwünschte, aber erwartbare Nebenwirkung haben sie uns auf den Plan gerufen, die Schwurbler. Und wir müssen viel besser sein, als man uns nachsagt. Warum sonst sollte man uns ununterbrochen dämonisieren? (…)
Es gibt Anzeichen, dass der Kreis von Oppositionellen stetig wächst. Das wiederum verdankt sich vermutlich dem Walten der Mächte. Tag für Tag schaffen sie neue abstruse Unwirklichkeiten. Der heiter dümmlichen Utopie des Fortschritts, des immer mehr mit weniger Arbeit, ging in staunenswertem Tempo die Luft aus. Man kaschierte den Schwund hinter einer Serie von Notständen, verwaltet von diversen Regimen der Alternativlosigkeit. Doch viele von uns entdeckten hinter dem Niedergang, hinter der Krisenserie von Pandemie, Klimawandel, Inflation, Energiemangel und dem »barbarischen russischen Angriffskrieg«, eine kalkulierte Strategie der Zerrüttung. Die verhüllte Global Governance hat die irreparablen globalen Schieflagen erkannt, treibt sie auf einen Kipppunkt zu, um anschließend das System neu aufzusetzen – allerdings ausschließlich zu ihren Bedingungen totaler Kontrolle. Das ist das Schlachtfeld, auf dem wir uns längst befinden. Und es wird bald härter werden. Die Instrumente unerträglicher Repression sind längst geschmiedet. (…) Unsere Chancen stehen nicht gerade blendend. Aber wir haben keine Wahl. Es gibt uns. Scheinbar aus dem Nichts hat sich eine neue Gegenöffentlichkeit gebildet. Die besteht aus mehr als ein paar kritischen Bravourstücken. Es ist in Teilen zumindest auch eine bewohnbare Welt mit einer – wie Heinrich Böll sagte – »bewohnbaren Sprache«.
Lese-Tipp: Walter van Rossum. Meine Pandemie mit Professor Drosten: Vom Tod der Aufklärung unter Laborbedingungen. Rubikon 2021
[1] Von Event 201 existieren bei youtube.com verschiedene Videozusammenschnitte. Und Norbert Häring hat einige der entsprechenden Redebeiträge aus den Diskussion zusammengestellt: https://norberthaering.de/propaganda-zensur/event-201-fake-news/?msclkid=39600185b5ab11ec944e91b2b67952bf:
[2] https://www.centerforhealthsecurity.org/event201/recommendations.html
[3] Uwe Krüger, Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr trauen. Beck. München 2016. S. 104 ff.