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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Uber’s Geschäftsmodell

Uber ist ein welt­um­span­nen­des Unter­neh­men aus dem Sili­con Val­ley Kali­for­ni­ens, des­sen Ziel die radi­ka­le Wert­stei­ge­rung inve­stier­ten Kapi­tals ist. Der US-Dienst­lei­ster für Per­so­nen­be­för­de­rung betreibt einen Unter­bie­tungs­wett­be­werb in gesetz­li­chen Grau­be­rei­chen. Ein welt­weit agie­ren­des, neo­li­be­ra­les Unter­neh­men rein­sten Wassers.

Es ist ganz ein­fach. Die Uber-App run­ter­la­den, Fahrt­wunsch, Abhol­punkt und Ziel ein­ge­ben. Fer­tig. Rou­te, Ankunfts­zeit und End­preis wer­den ange­ge­ben, die Bezah­lung erfolgt elek­tro­nisch. Der Fah­rer kennt das Ziel und den schnell­sten Weg dort­hin. Die Fahrt ist in der Regel bil­li­ger als bei her­kömm­li­chen Taxi­un­ter­neh­men. Was steckt aber tat­säch­lich dahinter?

Nach eige­nen Anga­ben bedient Uber welt­weit 100 Mill. Kun­den in 700 Städ­ten, pro Tag sol­len es 14 Mill. Fahr­ten sein. In 16 deut­schen Städ­ten ist Uber aktiv, die größ­ten Städ­te Deutsch­lands wie Ber­lin, Ham­burg Mün­chen, Köln, Düs­sel­dorf und Frank­furt a.M. gehö­ren dazu. Uber begreift sich als aus­schließ­li­che Ver­mitt­lungs­platt­form für Fahr­dien­ste und ver­fügt über kei­ner­lei Taxis oder eine eige­ne Miet­wa­gen­li­zenz. Neben Uber exi­stie­ren mit ver­gleich­ba­ren Geschäfts­be­din­gun­gen Unter­neh­men wie Free Now oder Bolt.

2009 ursprüng­lich als Limou­si­nen­ser­vice in San Fran­cis­co gegrün­det, wird der Kon­zern finan­ziert von Inve­sto­ren wie z. B. Bench­mark Capi­tal, First Round Capi­ta, Gold­man Sachs und Goog­le; im Juni 2014 erhielt das Unter­neh­men eine Finanz­sprit­ze von 1,2 Mil­li­ar­den US-Dol­lar Risi­ko­ka­pi­tal. Im Mai 2016 erklär­te der Auto­mo­bil­her­stel­ler Toyo­ta, sich an Uber zu betei­li­gen. Der Bör­sen­gang erfolg­te im Mai 2019. Auch PayPal stieg bei Uber mit 500 Mil­lio­nen US-Dol­lar ein. Über den Lie­fer­ser­vice Uber Eats bie­tet der Kon­zern zudem in vie­len Län­dern der Welt, auch in vie­len deut­schen Städ­ten, einen Essens-Lie­fer­ser­vice an; ab 2017 nutzt u. a. McDonald’s die­sen Ser­vice. Selbst der Axel-Sprin­ger-Ver­lag erwarb eine finan­zi­el­le Betei­li­gung an Uber. In Koope­ra­ti­on mit dem Unter­neh­men Yand­ex expan­diert Uber auch in Russ­land, Aser­bai­dschan, Arme­ni­en, Bela­rus, Geor­gi­en und Kasach­stan im Online-Taxi-Geschäft. Im Febru­ar 2024 mel­det der Kon­zern einen Net­to­ge­winn von 1,9 Mil­li­ar­den US-Dol­lar für das Jahr 2023.

Für Kun­den kommt Uber mit sei­nem Ange­bot wie ein nor­ma­les Taxi­un­ter­neh­men daher, obwohl es über kei­ner­lei Taxi- oder Miet­wa­gen­li­zenz ver­fügt. Nach eige­nem Selbst­ver­ständ­nis ist Uber ledig­lich ein Ver­mitt­lungs­dienst und damit kein Arbeit­ge­ber für die Fah­rer, die für ihn arbei­ten. Nach die­sem Ver­ständ­nis zahlt das Unter­neh­men weder Min­dest­lohn noch irgend­wel­che Sozi­al­ab­ga­ben. Abge­rech­net wird ledig­lich die gelei­ste­te Fahrt, Ruhe­zei­ten inter­es­sie­ren Uber nicht. Die Aus­la­ge­rung jeg­li­cher Unko­sten an pre­kär Beschäf­tig­te und Schein­selbst­stän­di­ge einer­seits und die Abschöp­fung von Gewin­nen ande­rer­seits, ist im Kern die DNA von Uber, ein gerin­ger Auf­wand bei hohen Pro­fi­ten von cir­ca 25 Pro­zent pro Fahrt.

Das Geschäfts­mo­dell bestimmt aber sehr wohl Preis und Strecke. Die Fah­rer sind über loka­le Sub­un­ter­neh­mer ange­stellt, also ohne Min­dest­lohn oder Stun­den­lohn, son­dern ledig­lich über die Umsatz­be­tei­li­gung bei ihren Sub­un­ter­neh­mern. Das Lohn­dum­ping­mo­dell einer Unter­ver­ga­be­pra­xis von meh­re­ren Sub­un­ter­neh­mern funk­tio­niert voll­kom­men legal. Natür­lich könn­te Uber durch ver­trag­lich ver­ein­bar­te Richt­li­ni­en bei der Ver­ga­be an Sub­un­ter­neh­mer fai­re Stan­dards absi­chern, ein Inter­es­se ihren Beschäf­tig­ten gegen­über besteht aber nicht.

Bei her­kömm­li­chen Taxi­un­ter­neh­men exi­stie­ren kla­re gesetz­li­che Vor­ga­ben wie z. B. feste Kilo­me­ter-Tari­fe, die von den jewei­li­gen Kom­mu­nen vor­ge­ge­ben sind. Zudem sind Taxis ver­pflich­tet, jeden Fahr­gast anzu­neh­men und 24 Std. ver­füg­bar zu sein, und sie müs­sen nach jeder Fahrt zum Betriebs­sitz zurück­keh­ren. Erst danach kann ein neu­er Fahrt­auf­trag ange­nom­men wer­den. Das Igno­rie­ren die­ser Rege­lun­gen von Uber führt zu einem kla­ren Wett­be­werbs­nach­teil zu Ungun­sten von her­kömm­li­chen Taxi­be­trei­bern. Die Taxi­bran­che beklagt etwa ein Drit­tel Umsatz­rück­gang, weil sie gegen die Auf­lö­sung fester Taxi­ta­ri­fe nicht ankom­men kann. Vie­le Taxi­fah­rer füh­len sich hin­ter­gan­gen und abge­zockt. Die Miss­ach­tung gesetz­li­cher Vor­ga­ben ist ein wie­der­keh­ren­des Motiv bei Uber. Die Pro­fi­te wer­den im gesetz­li­chen Grau­be­reich erzielt. Wären ihre Trans­port­fahr­zeu­ge als ord­nungs­ge­mä­ßer Geschäfts­be­trieb tätig, müss­ten Uber und Co. deut­lich teu­rer wer­den. Es geht immer um einen Unter­bie­tungs­wett­be­werb zu unfai­ren Bedin­gun­gen, um die Kon­kur­renz auszubooten.

Laut Bericht des Regio­nal­pro­gramms rbb 24 sind allein in Ber­lin etwa 20 Pro­zent aller Miet­wa­gen­fahr­ten ille­gal unter­wegs, eine Form der orga­ni­sier­ten Kri­mi­na­li­tät, die sich Bolt, Free Now, Uber u. a. tei­len. Das Lan­des­amt für Bür­ger- und Ord­nungs­an­ge­le­gen­hei­ten Ber­lin erklärt, dass Miet­wa­gen­fir­men mit gefälsch­ten Platt­for­men, also Brief­ka­sten­fir­men, Autos ohne Kon­zes­si­on in ihren Dien­sten fah­ren las­sen. Als nicht ord­nungs­ge­mäß ange­mel­de­te Trans­port­fahr­zeu­ge sind Fahr­gä­ste bei Unfäl­len nicht ver­si­chert. Das bedeu­tet, dass fast jedes fünf­te Fahr­zeug in Ber­lin als taxi­ähn­li­cher Wagen pri­vat und nicht gewerb­lich unter­wegs, also ille­ga­len Miet­wa­gen­fir­men zuzu­ord­nen ist. Die­ser expan­die­ren­de Bereich ist von den staat­li­chen Behör­den kaum zu über­wa­chen und zu regle­men­tie­ren. Tech­nisch nicht auf der Höhe, per­so­nell unter­be­setzt, lau­fen die Behör­den der Ent­wick­lung deut­lich hin­ter­her, und es wird flei­ßig wei­ter­ver­dient in die­sem geset­zes­frei­en Raum.

Jeder Taxi­fah­rer benö­tigt zur Aus­übung sei­nes Berufs einen Per­so­nen­be­för­de­rungs­schein, der erst nach einer Prü­fung aus­ge­stellt wird. Lan­ge Zeit ließ Uber sei­ne Fah­rer ohne die­sen Schein, ohne Taxi­kon­zes­si­on, ohne Miet­wa­gen­er­laub­nis auf die Stra­ße. Die taxi­ähn­li­chen Fahr­ten wur­den über die Uber­Pop-App abge­wickelt. Erst die Grund­satz­ent­schei­dung des Land­ge­richts Frank­furt im März 2015, die die­se Pra­xis als wett­be­werbs­wid­rig ein­stuf­te, unter­sag­te dem Unter­neh­men eine der­ar­ti­ge Geneh­mi­gung und Auf­trags­ver­ga­be. Nicht wei­ter über­ra­schend, dass der Kon­zern sei­ne Steu­ern nicht in dem Land, in dem er aktiv ist, abführt, son­dern in Euro­pa als Uber B.V. steu­er­gün­stig in den Nie­der­lan­den resi­diert. Der Kon­zern, der mehr­fach mit hem­mungs­lo­ser Unter­neh­mens­kul­tur iden­ti­fi­ziert wird, betä­tigt sich auch welt­weit im Bereich Lob­by­is­mus. Wie 124.000 inter­ne Doku­men­te zwi­schen 2013 und 2017 bele­gen, miss­ach­te­te Uber syste­ma­tisch Geset­ze, täusch­te Poli­zi­sten, nutz­te Gewalt gegen Fah­rer aus und mani­pu­lier­te Regie­run­gen. Die Doku­men­te bele­gen, wie poli­ti­sche Ent­schei­dungs­trä­ger – etwa US-Prä­si­dent Biden, Olaf Scholz wäh­rend sei­ner Bür­ger­mei­ster­schaft in Ham­burg oder Emma­nu­el Macron – heim­lich beein­flusst wur­den. Die soge­nann­ten Uber Files wur­den an den bri­ti­schen Guar­di­an gele­akt und mit dem Inter­na­tio­nal Con­sor­ti­um of Inve­sti­ga­ti­ve Jour­na­lists (ICIJ) geteilt. Uber und der Kon­zern Lyft gaben allein im kali­for­ni­schen Wahl­kampf eine Sum­me von 200 Mil­lio­nen US-Dol­lar aus, so viel wie noch nie­mand zuvor in die­sem ame­ri­ka­ni­schen Bundesstaat.

Die Schein­selbst­stän­dig­keit bei Uber-Fah­rern bedeu­tet den Aus­schluss jeg­li­cher Sozi­al­lei­stun­gen wie Kran­ken-, Ren­ten-, oder Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung. Schon früh kam es zu Wider­stand, der auch vor den Gerich­ten aus­ge­foch­ten wur­de. Das Gen­fer Kan­tons­ge­richt in der Schweiz bei­spiels­wei­se ent­schied im Novem­ber 2020, dass Fah­rer als Ange­stell­te und nicht als Selbst­stän­di­ge anzu­se­hen sind, eine nicht uner­heb­li­che Ent­schei­dung. Auch die Kla­ge vor dem Schwei­zer Bun­des­ge­richt brach­te für Uber Switz­er­land GmbH kei­nen Erfolg, und das Gen­fer Taxi-Gesetz behielt Gültigkeit.

Einen ähn­li­chen juri­sti­schen Vor­stoß gab es auch in Öster­reich. Aller­dings gewann Uber in zwei Gerichts­ver­fah­ren, und darf seit 2020 sein aktu­el­les Geschäfts­mo­dell recht­mä­ßig in Öster­reich betrei­ben. Die Wie­ner Taxi­funk­zen­tra­le unter­lag dem US-Unter­neh­men, da das Gericht Uber als Ver­mitt­lungs­platt­form einstufte.

In der Ver­gan­gen­heit gab es eine Rei­he von Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit den Betrof­fe­nen, die sich gegen die Aus­nut­zung recht­li­cher Grau­zo­nen und aggres­si­ver Wett­be­werbs­ver­zer­rung und deren sozia­len Fol­gen zur Wehr set­zen. Zahl­rei­che Taxi­fah­rer in Euro­pa pro­te­stier­ten gegen Uber durch Kon­vois und Blockar­den. In Paris und Lyon wur­den Uber-Fah­rer sogar tät­lich ange­grif­fen. In den USA wur­de Uber unter­sagt, in Not­si­tua­tio­nen sei­ne Prei­se will­kür­lich anzu­he­ben. In Indo­ne­si­en, Thai­land, Spa­ni­en und den Nie­der­lan­den wur­de der Dienst in der zwei­ten Jah­res­hälf­te 2014 lan­des­weit ver­bo­ten. Im März 2021 demon­strier­ten Düs­sel­dor­fer und Köl­ner Taxi­fah­rer in einem Auto­kor­so gegen die unglei­chen recht­li­chen Bedingungen.

Unfai­re Arbeits­be­din­gun­gen, Miss­ach­tung gesetz­li­cher Stan­dards, Unter­lau­fen von Tari­fen und Arbeit­neh­mer­rech­ten, Aus­beu­tung über Schein­selbst­stän­dig­keit, Ver­la­ge­rung von Steu­ern in Steu­er­oa­sen, aggres­si­ver Lob­by­is­mus, alles Metho­den, die mit Uber in Ver­bin­dung zu brin­gen sind. Will man neo­li­be­ra­len Kapi­ta­lis­mus im Kern ver­ste­hen, stellt Uber ein her­vor­ra­gen­des Lehr­bei­spiel dar.