Obwohl Schlampereien und Manipulationen in den Verfahren gegen Mumia Abu-Jamal juristisch bestätigt sind, Revisionskontrollrichter Leon Tucker Ende Dezember 2018 dem Antrag auf ein Revisionsverfahren stattgegeben hatte und am 3. Januar in der Bezirksstaatsanwaltschaft von Philadelphia sechs Kisten auftauchten, die verschollenes Material über diese Verfahren enthalten, antwortete Bezirksstaatsanwalt Larry Krasner am 25. Januar mit einem Statement, das von den empörten Unterstützern des Gefangenen als Vorstufe eines Widerspruchs aufgefasst wurde. Krasner bezweifelte vor allem eine der Hauptbegründungen von Richter Tuckers Urteil: die sehr wahrscheinliche Befangenheit von Ronald Castillo, der im ersten Prozess, in dem Abu-Jamal 1981 wegen angeblichem Polizistenmord zum Tode verurteilt wurde, Chefankläger gewesen war und in einem späteren Verfahren als Richter Berufungsanträge abgeschmettert hatte. In seiner Entgegnung konnte Tucker ein neu aufgetauchtes Dokument vorweisen, in dem bestätigt ist, dass Castillo sich dezidiert für die Hinrichtung von »Cop-Killern« stark gemacht hatte, also letztlich im Sinne der Polizeigewerkschaft agierte.
Weil der Hintergrund von Krasners zögerlicher Haltung auch die Befürchtung gewesen sein könnte, dass Mumias Berufungsverfahren zum Präzedenzfall für hunderte, wenn nicht tausende ähnlich gelagerter Fälle werden könnte, stellte Tucker klar, dass die Herstellung von Gerechtigkeit sowohl in jedem Einzelfall als auch in der Gesamtheit der Fälle alternativlos sei.
Am 17. April veröffentlichte Larry Krasner eine Pressemitteilung, in der er erklärte, dass er keine Einwände mehr gegen ein Revisionsverfahren im Fall Mumia Abu-Jamals habe. Es könnte – so dessen Anwältin Judith Ritter – schon in wenigen Monaten eröffnet werden.
Das stellt zwar einen entscheidenden Erfolg für Abu-Jamal und seine weltweite Unterstützerbewegung dar, in den sich allerdings Wermutstropfen mischen. Der seit 37 Jahren einsitzende Gefangene, der eben fünfundsechzig Jahre alt wurde, leidet unter einer offenbar rasch voranschreitenden Augenkrankheit: Er hat zwei verschiedene Glaukome, eine Glaskörperablösung und eine Linsentrübung. Diese Symptome, die von der für seine medizinische Versorgung zuständigen privaten Gefängnisbehörde nicht behandelt wurden, hinderten Abu-Jamal wochenlang am Lesen, und es ist zu befürchten, dass er – sollte er noch lange in Haft bleiben – in wenigen Jahren völlig erblindet. Die Unterstützerbewegung fordert daher seine sofortige Freilassung – wenn nicht anders möglich auch unter Auflagen.
Eine solche Lösung könnte sich letztlich für die Justiz von Pennsylvania als zweckmäßiger erweisen als ein neuer Prozess, in dem zwangsläufig ihr langjähriges Versagen im Falle Mumia Abu-Jamals offenkundig würde, was tatsächlich viele andere Revisionsverfahren nach sich ziehen könnte. Von Abu-Jamal allerdings ist nicht zu erwarten, dass er auf so ein Revisionsverfahren verzichtet. Schließlich konnte er 2017 mit der Erkämpfung der lange ebenfalls verweigerten medizinischen Behandlung seiner Hepatitis-C-Erkrankung erwirken, dass auch rund 7000 anderen Gefangenen im Bundesstaat das Recht auf die sehr teuren Medikamente zugesprochen wurde.