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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Strahlend weiß

Schon ein wenig schlaf­trun­ken grei­fe ich im Bad nach der Zahn­pa­sta­tu­be, schrau­be den Ver­schluss auf, drücke wie gewohnt etwas von der Zahn­pa­sta auf die Zahn­bür­ste – Ent­set­zen packt mich. Nicht eine wei­ße oder fan­ta­sie­voll far­bi­ge Creme sehe ich, son­dern eine schwar­ze. Schwar­ze Zahn­pa­sta? Ich schaue auf das Eti­kett: »Zahn­pa­sta, Stif­tung Waren­test: Gut (2,0).« Von zwan­zig gete­ste­ten wer­den zwei als »sehr gut« und fünf­zehn als »gut« klas­si­fi­ziert. Öko­test bewer­tet das Pro­dukt mit »sehr gut«. Am unte­ren Ende der Tube erfah­re ich, dass es sich um »BLACK SHINE« han­delt, also um schwar­zen Glanz. Da geht etwas nicht zusam­men, put­ze ich mir doch die Zäh­ne, um sie mög­lichst gesund und weiß zu hal­ten. Aber ich wer­de auf­ge­klärt: »Für natür­lich wei­ße Zäh­ne*. Ent­fernt Ver­fär­bun­gen**. Ent­hält Aktiv­koh­le.« Durch die Fuß­no­ten erfah­re ich: »*Das Ergeb­nis hängt von der natür­li­chen Far­be der Zäh­ne ab. **Ver­fär­bun­gen, die durch Genuss­mit­tel wie z. B. Kaf­fee, Tee, Rot­wein und Niko­tin ent­ste­hen kön­nen.« Wei­ßer Glanz mit schwar­zer Aktiv­koh­le, das macht neu­gie­rig, und ich bin gespannt, das Klein­ge­druck­te zu lesen. »Die […] Zahn­creme mit Aktiv­koh­le gibt den Zäh­nen ihr natür­li­ches Weiß* zurück und redu­ziert die Neu­bil­dung von Zahn­stein. Durch den Ein­satz von scho­nen­den Putz­kör­pern wer­den Ver­fär­bun­gen** gründ­lich ent­fernt […] Nur für Erwach­se­ne geeig­net.« Fuß­no­ten sie­he oben, der Effekt ten­diert gegen Null. Da put­ze ich also die Zäh­ne mit Aktiv­koh­le bis zum Total­aus­fall und brau­che dann für natür­li­ches Weiß die Pro­the­sen nur noch mit unver­dünn­ter Essig­säu­re zu spü­len. Enkel Emil, der gera­de zu Besuch ist, wei­se ich dar­auf hin, dass er die­se Zahn­creme nicht benut­zen soll­te. »Hät­te ich sowie­so nicht gemacht. Jeden Frei­tag geh ich zu Fri­days for Future und will für den Erhalt des Lebens den Aus­stieg aus der Koh­le, da schmie­re ich mir doch kei­ne Aktiv­koh­le in den Mund.« Ich lobe ihn und emp­feh­le Mund­spü­lung mit Prä­pa­ra­ten, zu deren Her­stel­lung Erd­öl genutzt wird. »Aber nur, wenn die Lie­fe­rung an den Dro­ge­rie­markt mit Elek­tro-Esju­vis gebracht wird«, sagt er, und aus dem lächeln­den Mund strah­len natür­lich wei­ße Zähne.