Vor mir liegt ein Buch, das mir schon vom Titel her aus der Seele spricht: »Die Vertreibung der Stille. Leben mit der akustischen Umweltverschmutzung« von Rüdiger Liedtke.
Ein wunderbarer Gegenstand. Wie oft wäre Stille tatsächlich wohltuend? Dabei denke ich nicht an manch geisttötende Vorlesung an der Universität, der ich zum Glück entkommen konnte. Am schlimmsten war schon damals die BWL, die nun gar nichts mit Wissenschaft zu tun hat, sondern ein Ableger der Theologie ist – diese dient dem einen »Gott«, die andere dem des Profits –, lauter Fächer, es gibt noch mehr (»Osteuropa-irgendwas«), die nicht an eine Universität gehören!
Schweigen ja! »Musik« in Kaufhäusern unerträglich, in meinem Supermarkt, den ich daraufhin wechseln musste, unerträglich, leider auch in vielen Hotels beim Frühstück; ach der Lärm ist unendlich. Schweigen bzw. reden wir von Musik, die der Vertreibung der Stille dient, jene Stille, in der sich ein Gedanke entwickeln könnte, den der Lärm verhindern soll. Reden wir, nicht schweigen, über das Fernsehen, eine einzige Maschine zu dem Zweck, die Konsumenten um Sinn und Verstand zu bringen; übers Ohr und Auge ihnen die tägliche Dosis Unterhaltung einzuhämmern, dass alles Gut ist und bitte so bleiben sollte! Und wenn es schlecht ist, so sollte es doch nicht anders werden oder erst in hundert Jahren.
Zur akustischen Umweltverschmutzung, die auch eine geistige ist, gehören natürlich auch, es war gerade Wahlkampf, 99 Prozent der uns beschallenden Politiker und -innen. Ach, so viel fällt einem dazu ein!
Deshalb nochmals mein Lieblingsstück: Erwin Schulhoff »in futuram« (siehe: Bek, Josef: Erwin Schulhoff. Leben und Werk. Verdrängte Musik, Bd. 8, von Bockel Verlag: Hamburg 1994). Übrigens so gespielt: tutto in canzone con espressione ad libitum, sempre, sin al fine (Da ich beim Latein auch nicht zugehört habe, das übersetzt Google: alles in Gesang mit Ausdruck ad libitum, immer, bis zum Ende!) Wo gab es das später noch einmal?
Fiel Karl Kraus, liest man, zu Hitler nichts ein, was nicht die ganze Wahrheit ist, denn es gibt die »Dritte Walpurgisnacht«, die die furchtbare Stille sprechend macht, und den Opfern, die sonst überhört werden, das gehört auch zum Lärm, Aufmerksamkeit schenkt. Denn auch das gehört zum Lärm: die zu übertönen, die um Hilfe rufen.
Auch im Wahlkampf hörten, wir die Falschen, die Lärm machen, weil nichts Gutes (für uns) aus ihrem Munde kommt, wir hörten nicht, was Not tut.