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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Stich ins Wespennest

Die Redens­art, nach der man von einem Schwein kein Kalb­fleisch erwar­ten darf, bringt die Pro­ble­me, die sich aus der Exi­stenz und den Auf­ga­ben des Kom­man­dos Spe­zi­al­kräf­te der Bun­des­wehr (KSK) erge­ben, auf den Punkt. Von Leu­ten, die dar­auf gedrillt wer­den, Din­ge zu tun, die ein nor­ma­ler Mensch nie­mals tun darf und auch nie tun wür­de, denen ein­ge­bläut wird, das Den­ken den Pfer­den zu über­las­sen, weil die einen grö­ße­ren Kopf hät­ten, von denen kann man nicht erwar­ten, dass sie den gan­zen Tag mit dem Grund­ge­setz unter dem Arm her­um­lau­fen, wie Bun­des­in­nen­mi­ni­ster Her­mann Höcherl (CSU) sich 1963 aus­drück­te, als der ihm unter­stell­te Ver­fas­sungs­schutz beim rechts­wid­ri­gen Abhö­ren von Tele­fon­ge­sprä­chen erwischt wor­den war. Alle poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen, die mit dem Laden zu tun haben, muss­ten das von Anfang an wissen.

Nun ist die Eli­te­ein­heit wie­der ein­mal ins Gere­de gekom­men und mit ihr der Mili­tä­ri­sche Abschirm­dienst (MAD), von dem sich her­aus­ge­stellt hat, dass man­che sei­ner Leu­te mit dem rech­ten Klün­gel beim KSK unter einer Decke stecken. In einem zwölf­sei­ti­gen Brief an Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­rin Anne­gret Kramp-Kar­ren­bau­er (CDU) gab ein Haupt­mann des KSK laut Spie­gel einen düste­ren Ein­blick in die gehei­me Welt der Ein­heit, in der eini­ge die Bin­dung an die frei­heit­li­che Grund­ord­nung ver­lo­ren hät­ten. Dort herrscht nach sei­ner Dar­stel­lung ein Kada­ver­ge­hor­sam, der jeg­li­chen Wider­spruch ver­stum­men las­se. Nie­mand traue sich, offen­kun­dig rechts­extre­me Kame­ra­den oder Dienst­ver­ge­hen zu melden.

Neu ist das nicht. Auch Kramp-Kar­ren­bau­ers Vor­gän­ge­rin Ursu­la von der Ley­en muss­te sich als Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­rin mit rechts­extre­men Vor­komm­nis­sen bei der Bun­des­wehr her­um­schla­gen. Sie wur­den wie üblich als bedau­er­li­che Ein­zel­fäl­le abge­tan und hat­ten kei­ner­lei erkenn­ba­re Kon­se­quen­zen. Dabei wird es wohl auch blei­ben ange­sichts der Lei­se­tre­te­rei der neu­en Wehr­be­auf­trag­ten des Bun­des­ta­ges, Eva Högl (SPD). »Mir ist etwas sehr, sehr wich­tig, und das möch­te ich auch zu Beginn sagen«, mein­te sie am 15. Juni im Deutsch­land­funk. »Es gibt kei­nen Gene­ral­ver­dacht, weder gegen­über dem KSK noch gegen­über der Bun­des­wehr ins­ge­samt.« Das sei­en Ein­zel­fäl­le. Unter­sucht wer­den müs­se auf jeden Fall, ob es rechts­extre­me Struk­tu­ren oder Netz­wer­ke gebe. Die Idee, über eine Auf­lö­sung der Trup­pe auch nur nach­zu­den­ken, wies die Sozi­al­de­mo­kra­tin weit von sich.

Da war ihr Vor­gän­ger Hans-Peter Bartels schon viel wei­ter. Als er von der Welt am 18. Mai gefragt wor­den war, ob es ihn wun­de­re, dass es beim KSK unge­ach­tet einer sorg­fäl­ti­gen Aus­wahl immer wie­der rechts­extre­mi­sti­sche Vor­fäl­le gebe, gab er eine auf­schluss­rei­che Ant­wort. Danach stand immer im Vor­der­grund, die »Här­te­sten der Har­ten« aus­zu­wäh­len und sie in der Aus­bil­dung noch här­ter zu machen. »Wenn das die Phi­lo­so­phie ist, dann kann das im Kopf von eini­gen Sol­da­ten dazu füh­ren, dass sie glau­ben, sie müss­ten auch poli­tisch die Här­te­sten sein. Und dann kom­men eini­ge auf selt­sa­me Bezü­ge zur deut­schen Ver­gan­gen­heit oder ande­re kru­de Theo­rien.« Das gel­te nicht für das gan­ze KSK, aber eben doch für zu vie­le, als dass man es als bedau­er­li­che Ein­zel­fäl­le abtun könnte.

Was die selt­sa­men Bezü­ge zur deut­schen Ver­gan­gen­heit angeht, so haben sie ihre Wur­zeln nicht unbe­dingt nur bei aus­ge­wie­se­nen Rechts­extre­mi­sten, son­dern auch in den Köp­fen demo­kra­ti­scher Poli­ti­ker und hoch­ge­stell­ter Mili­tärs. Alfred Dreg­ger, Vor­sit­zen­der der Uni­ons­frak­ti­on im Bun­des­tag von 1982 bis 1991, hielt Hit­lers Angriff auf die Sowjet­uni­on im Nach­hin­ein für prin­zi­pi­ell richtig.

Zu spät
Ach, wie war es ehedem
für die Bun­des­wehr so schön.
Haupt und Glie­der kerngesund.
Heut’ jedoch läuft nichts mehr rund.

Selbst beim schmucken KSK
täg­lich Stunk und viel Trara.
Alle sind zwar gut gewillt,
wer­den aber rechtsgedrillt.

Von der Ley­ens Ursula
kam der Sache schon mal nah.
Jetzt ver­sucht es Annegret,
aber lei­der viel zu spät.

Nichts wird rich­tig aufgeklärt,
wer auch immer sich beschwert.
Weiß man doch: Beim Militär
tun sich Demo­kra­ten schwer.

C.T.

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In sei­nem Buch »Der Preis der Frei­heit« bedau­er­te er nur, »dass die­ser Krieg nicht als Befrei­ungs-, son­dern als Erobe­rungs­krieg kon­zi­piert« wor­den sei. Das sei »eben­so dumm wie ver­bre­che­risch« gewe­sen (Mün­chen 1985, Sei­te 11). Ähn­lich äußer­te sich der ehe­ma­li­ge Gene­ral­inspek­teur der Bun­des­wehr, Heinz Trett­ner. Er sah es als bewie­sen an, »dass der Krieg gegen die Sowjet­uni­on – anders als es die Umer­zie­hungs­pro­pa­gan­da behaup­tet – in erster Linie ein nur schwe­ren Her­zens begon­ne­ner, auf­ge­zwun­ge­ner Prä­ven­ti­ons­krieg war« (Bon­ner Gene­ral­an­zei­ger vom 11. März 1997).

Nie­mand fühl­te sich auf­ge­ru­fen, die­sen kru­den Theo­rien ent­ge­gen­zu­tre­ten. Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel steck­te den Kopf in den Sand, als sie 2009 im Inter­na­tio­na­len Con­gress Cen­trum Ber­lin sag­te: »Es gibt kei­ne Umdeu­tung der Geschich­te.« Natür­lich gibt es sie. Ganz ohne Grund dürf­te Bun­des­prä­si­dent Frank-Wal­ter Stein­mei­er wohl nicht ein For­schungs­pro­jekt auf den Weg gebracht haben, bei dem der Umgang des Prä­si­di­al­am­tes mit der NS-Ver­gan­gen­heit unter­sucht wer­den soll. Es geht um etwa­ige per­so­nel­le oder ideel­le Kon­ti­nui­tä­ten, um Reden, Staats­be­su­che, Ter­mi­ne im Inland und Ordensverleihungen.

Auch in die­sem Fall kein Echo. Nur als die SPD-Vor­sit­zen­de Saskia Esken dazu auf­rief, Ras­sis­mus und Gewalt bei den deut­schen Sicher­heits­kräf­ten, ins­be­son­de­re bei der Poli­zei, durch eine unab­hän­gi­ge Stel­le unter­su­chen zu las­sen, war die Auf­re­gung groß. Man­che emp­fan­den das als popu­li­stisch. Dabei war es nur, sie­he KSK, der sprich­wört­li­che Stich ins Wes­pen­nest. Wie heißt es doch so tref­fend bei Ste­fan Zweig: »Es ist nie­mals über­flüs­sig, das, was wahr ist und gerecht, so lan­ge zu wie­der­ho­len, bis es sich Gel­tung erzwingt.« (»Ein Gewis­sen gegen die Gewalt«, Frankfurt/​Main 2006, Sei­te 160).

In sei­ner Text­samm­lung »Das dün­ne Eis von gestern und heu­te« (Ver­lag Ossietzky, 14 zzgl. 1,50 Ver­sand) geht Con­rad Taler im Bei­trag »Immer nur Ein­zel­fäl­le« auf die lan­ge Geschich­te der Baga­tel­li­sie­rung recht­ex­tre­mi­sti­scher Vor­komm­nis­se ein.