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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Spiel mit dem Feuer

Erneut in sei­ner jün­ge­ren Geschich­te sieht sich Iran der Gefahr eines US-Krie­ges gegen­über. Die aktu­ell aller­dings noch umso gra­vie­ren­der ist, als sich im Bun­de mit der Trump-Admi­ni­stra­ti­on auf regio­na­ler Ebe­ne zwi­schen Isra­el und den ara­bi­schen Golf­staa­ten eine vor allem auch mili­tä­risch mäch­ti­ge anti-ira­ni­sche-Ach­se aus­prägt. Die ohne­hin von Kon­flik­ten und Krie­gen gebeu­tel­te Nah- und Mit­tel­ost­re­gi­on gerät dadurch noch mehr in den Stru­del immer gefähr­li­che­rer Desta­bi­li­sie­rungs­dy­na­mi­ken mit weit­rei­chen­den Wir­kun­gen – auch bis zu uns nach Euro­pa und Deutsch­land. Zwar brü­stet sich der US-Prä­si­dent damit, einen bereits ange­lau­fe­nen Mili­tär­schlag qua­si in letz­ter Minu­te unter­bun­den zu haben und im Übri­gen auch über­haupt kei­nen Krieg zu wol­len. Der­weil läuft aber die US-Mili­tär­ma­schi­ne­rie auf Hoch­tou­ren, und nichts deu­tet auf eine Ent­schär­fung des anti-ira­ni­schen Kon­fron­ta­ti­ons­kur­ses hin. Nicht umsonst meh­ren sich die Stim­men – auch in den USA selbst –, die nach­drück­lich vor einem Krieg gegen Iran und des­sen unab­seh­ba­ren Fol­gen warnen.

 

Ein­sei­ti­ge Schuld­zu­wei­sun­gen zur Rechtfertigung

Gemäß Trump ver­folgt Iran »eine regio­na­le Agen­da der Aggres­si­on und Expan­si­on« und trägt damit die Ver­ant­wor­tung für »Cha­os, Tod und Zer­stö­rung« in Nah- und Mit­tel­ost. Dass die USA mit ihrem völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krieg 2003 gegen Irak die eigent­li­che Ursa­che dafür sind, kommt ihm selbst­ver­ständ­lich nicht in den Sinn. Für den US-Prä­si­den­ten scheint ohne­hin nur das »Recht des Stär­ke­ren« zu gel­ten, nicht aber das uni­ver­sell gel­ten­de Völkerrecht.

Was inter­es­siert ihn schon der Umstand, mit sei­nem im Mai 2018 ver­füg­ten Aus­stieg aus dem soge­nann­ten Atom­ab­kom­men, dem Joint Com­pre­hen­si­ve Plan of Action (JCPOA), die UN-Sicher­heits­rats­re­so­lu­ti­on 2231 (2015) ver­letzt und mit­hin Völ­ker­recht gebro­chen zu haben. Dabei ist er sich der Unter­stüt­zung durch Isra­el, Sau­di-Ara­bi­en und die Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­te gewiss, die wie er von Anfang an gegen JCPOA zu Fel­de zogen. Unab­läs­sig drängt die Alli­anz euro­päi­sche und ande­re Regie­run­gen dazu, Iran welt­weit zu isolieren.

Mit sei­nem Aus­stieg aus JCPOA ord­ne­te Trump zugleich die Wie­der­be­le­bung jener Straf­maß­nah­men an, die nach dem erfolg­rei­chen Abschluss des Atom­ab­kom­mens Anfang 2016 außer Kraft gesetzt wor­den waren. Inzwi­schen sind die Wirt­schafts­sank­tio­nen und das Ölem­bar­go gegen Iran wie­der voll in Gang gesetzt. Auch gilt für Trump erneut das Prin­zip: Wer Geschäf­te mit Iran macht, macht kei­ne Geschäf­te mit den USA! Ande­ren­falls dro­hen der Ver­lust des Zugangs zum US-Markt oder auch der Aus­schluss aus dem dol­lar­ba­sier­ten Finanz­sy­stem. Die Ver­hän­gung immer wei­te­rer Sank­tio­nen gehört anschei­nend für ihn zum All­tags­ge­schäft. So folg­te dem Abschuss der augen­schein­lich doch in ira­ni­sches Hoheits­ge­biet ein­ge­drun­ge­nen US-Droh­ne flugs die Ver­hän­gung von Sank­tio­nen gegen acht Kom­man­deu­re der Isla­mi­schen Revo­lu­ti­ons­gar­den. Gleich­falls sank­tio­niert wur­den der Ober­ste Reli­gi­ons­füh­rer Ali Kha­men­ei und des­sen unmit­tel­ba­res Umfeld. Trump hält sol­che Sank­tio­nen für eine »star­ke und pro­por­tio­na­le Ant­wort auf die stän­di­gen pro­vo­ka­ti­ven Akte Irans«, die solan­ge fort­ge­setzt wür­den, wie Tehe­ran »sei­ne gefähr­li­chen Akti­vi­tä­ten und Aspi­ra­tio­nen« nicht auf­gä­be. Zwar war es Trump, der aus JCPOA aus­ge­stie­gen ist; aber weil er des­sen Zustan­de­kom­men als mie­sen Deal ansieht, ver­meint er sich im Recht. Auch dazu, Iran mit Krieg zu bedro­hen, indem er eine mas­sier­te Kriegs­ma­schi­ne­rie und Trup­pen­ver­bän­de vor die ira­ni­sche Küste im Per­si­schen Golf beor­dert sowie unter Umge­hung des Kon­gres­ses einen Rüstungs­lie­fer­ver­trag mit Sau­di-Ara­bi­en über ein Volu­men von acht Mil­li­ar­den Dol­lar genehmigt.

 

Anti-Iran-Kon­fron­ta­ti­on zur Durch­set­zung von »Keep Ame­ri­ca great!«?

So kri­tisch man Trumps jet­zi­ge Iran-Poli­tik bewer­ten muss; so steht sie nicht min­der im Kon­text bis­he­ri­ger feind­se­li­ger US-Poli­tik gegen­über Tehe­ran. Und zwar begrün­det 1979 mit dem Sturz des von der CIA 1953 an die Macht geputsch­ten Schahs und der nach­fol­gen­den Pro­kla­mie­rung der Isla­mi­schen Repu­blik. Alles Bestre­ben, die damit ein­her­ge­hen­de Ver­schie­bung der nah- und mit­tel­öst­li­chen Kräf­te­ba­lan­ce zu Lasten US-ame­ri­ka­ni­schen Ein­flus­ses und sei­ner regio­na­len Ver­bün­de­ten zu kor­ri­gie­ren, blie­ben bis­lang erfolg­los. So hat­ten die evan­ge­li­ka­len Chri­sten, auf die sich Trump beson­ders stützt und denen sich Außen­mi­ni­ster Mike Pom­peo und Vize­prä­si­dent Mike Pence zuge­hö­rig füh­len, bereits Geor­ge W. Bush zu einem Krieg gegen Iran zu drän­gen ver­sucht. Der Neo­kon­ser­va­ti­ve John Bol­ton woll­te Iran schon vor einem Jahr­zehnt lie­ber bom­bar­die­ren, als mit ihm einen Atom-Deal abzu­schlie­ßen, und er macht es sich jetzt zu einer vor­dring­li­chen Auf­ga­be, den vom Washing­to­ner poli­ti­schen Estab­lish­ment schon so lan­ge ersehn­ten Regime-Wech­sel in Tehe­ran end­lich her­bei­zu­füh­ren. Ent­spre­chend dem Trump­schen Anspruch, Ame­ri­ka nicht nur wie­der »groß zu machen«, son­dern es »groß zu halten«.

Auf jeden Fall aber soll Iran, koste es was es wol­le, in die Bot­mä­ßig­keit gegen­über den USA gezwun­gen wer­den. Was kon­kret hie­ße, einem umfas­sen­den Waf­fen­kon­troll­me­cha­nis­mus zuzu­stim­men, die Unter­stüt­zung für die Macht­ha­ber in Damas­kus kom­plett ein­zu­stel­len, die Koope­ra­ti­on mit Grup­pie­run­gen wie His­bol­lah in Liba­non, Hamas im Gaza-Strei­fen oder Hut­hi in Jemen sofort zu been­den sowie sich zum Abschluss eines neu­en, an US-Vor­ga­ben aus­ge­rich­te­ten Ver­tra­ges bereit zu zeigen.

In einem von Außen­mi­ni­ster Pom­peo im Mai 2018 gegen­über Iran ver­kün­de­ten 12-Punk­te-For­de­rungs­ka­ta­log sind die­se wie wei­te­re Auf­la­gen – so der Stopp sämt­li­cher Nukle­ar­ak­ti­vi­tä­ten, ein­schließ­lich der Uran­an­rei­che­rung in gerin­gen Men­gen und die Ein­stel­lung des Rake­ten­pro­gramms – als Vor­aus­set­zung für ein Ende der Sank­tio­nen for­mu­liert. Wäh­rend Sau­di-Ara­bi­en oder auch Isra­el ihr Rüstungs­ar­se­nal bestän­dig erwei­tern und sogar krie­ge­risch ein­set­zen, soll Iran offen­kun­dig völ­lig ent­mi­li­ta­ri­siert sein; bloß weil er im Ver­ständ­nis der USA als miss­lie­big ein­ge­stuft ist.

Schließ­lich soll Iran auch nicht davon irri­tiert sein, wenn die USA auf die Schaf­fung einer Nah­öst­li­chen Stra­te­gi­schen Alli­anz (Midd­le East Stra­te­gic Alli­ance – MESA) hin­wir­ken, als erklär­tem Boll­werk »gegen die ira­ni­sche Aggres­si­on, gegen Ter­ro­ris­mus und Extre­mis­mus, für die Gewähr­lei­stung der Sta­bi­li­tät in der Regi­on«. Ver­schie­dent­lich schon als »Ara­bi­sche NATO« bezeich­net, in die neben den Golf­staa­ten auch Ägyp­ten und Jor­da­ni­en ein­be­zo­gen wer­den sol­len, mit Isra­el als stra­te­gi­schem Verbündeten.

 

Wer Frie­den will, muss auf Dia­log und Inter­es­sen­aus­gleich setzen

Nie­mand soll­te sich des­halb wun­dern, wenn sich das Mul­lah-Regime in Iran nicht so ein­fach in die Knie zwin­gen lässt. Die Spiel­räu­me, die es für sei­nen tat­säch­lich gewach­se­nen Ein­fluss heu­te nutzt, sind in hohem Maße das Ergeb­nis ver­fehl­ter US- wie übri­ger west­li­cher Poli­tik. Sei­en es nun der Krieg 2003 gegen Irak, die Miss­ach­tung der legi­ti­men palä­sti­nen­si­schen Inter­es­sen durch Isra­el oder die Instru­men­ta­li­sie­rung der inner­sy­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen für die Anzet­te­lung eines Regime Chan­ge in Damaskus.

War­um eigent­lich wur­de west­li­cher­seits wie sei­tens Isra­els oder ande­rer Staa­ten der Regi­on der vom ira­ni­schen Außen­mi­ni­ster Zarif wie­der­holt, dar­un­ter auch auf der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz 2018, unter­brei­te­te und von UN-Gene­ral­se­kre­tär Antó­nio Guter­res gou­tier­te Vor­schlag zur Initi­ie­rung eines Dia­log­pro­zes­ses in der Golf­re­gi­on nicht auf­ge­grif­fen? Spe­zi­ell die Bun­des­re­gie­rung hät­te für sich hier ein wich­ti­ges Wir­kungs­feld erschlie­ßen kön­nen, ihrer für sich bean­spruch­ten Kon­flikt­lö­sungs­kom­pe­tenz vor allem auch unter Nut­zung ihrer der­zei­ti­gen Prä­senz im UN-Sicher­heits­rat gerecht zu werden.

Allein Bekennt­nis­se, am JCPOA fest­hal­ten zu wol­len, ohne jedoch gleich­zei­tig zu ent­schlos­se­nem Han­deln bereit zu sein, rei­chen jeden­falls nicht aus.

Statt­des­sen Iran davor zu war­nen, sei­ner­seits aus JCPOA aus­zu­stei­gen und auf eine »unbe­grenz­te« Uran­an­rei­che­rung zu optie­ren, ist schein­hei­lig. Das lässt sich nur als Ver­such wer­ten, die eige­ne Ver­ant­wor­tung dabei zu kaschie­ren und letzt­lich Trump die welt­po­li­ti­sche Agen­da allein bestim­men zu lassen.

 

Prof. Dr. sc. phil. Karin Kulow, Stu­di­um der Ara­bi­stik und Islam­wis­sen­schaft an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Ber­lin. Lang­jäh­ri­ge For­schungs- und Lehr­tä­tig­keit zur Ent­wick­lung poli­ti­scher Syste­me in ara­bi­schen Nah­ost­län­dern an der Aka­de­mie für Gesell­schafts­wis­sen­schaf­ten in Ber­lin (Ost). Viel­fäl­ti­ge ehren­amt­li­che Tätig­keit, dar­un­ter als Mit­glied im »Gesprächs­kreis Frie­den« der Rosa-Luxem­burg-Stif­tung. Aktu­el­le Publi­ka­tio­nen: Karin Kulow: »Poli­ti­sches Erd­be­ben in Nah- und Mit­tel­ost? Wozu die anti-ira­ni­sche Ach­se füh­ren kann«, in Welt­Trends, Das außen­po­li­ti­sche Jour­nal, Pots­dam, Novem­ber 2018, S. 4 – 8; Karin Kulow: »US-Sank­tio­nen gegen Iran: Bis hin zum ›hei­ßen‹ Krieg und völ­li­gen Cha­os in der Nah- und Mit­tel­ost­re­gi­on?«, https://isw.muenchen.de, 30. Mai 2019.