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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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SPD – wer hilft mir da raus?

Als Mit­her­aus­ge­ber von Ossietzky bin ich unse­ren Lesern eine Erklä­rung schul­dig über eine Unzu­rech­nungs­fä­hig­keit, die mir in der 4. Kalen­der­wo­che des letz­ten Jah­res unter­lau­fen ist. Am Sonn­tag­abend, den 21. Janu­ar 2018, ging der SPD-Par­tei­tag zu Ende. Mit knap­per Mehr­heit ent­schie­den sich die Dele­gier­ten, ent­ge­gen allen Schwü­ren und Ver­spre­chun­gen nach der Wahl­nie­der­la­ge für die Fort­set­zung der Gro­ßen Koali­ti­on (Andrea Nah­les: »Ein Links­bünd­nis, das ist doch Blöd­sinn, ver­dammt noch mal.«) – vor­be­halt­lich einer Mit­glie­der­be­fra­gung. Unmit­tel­bar vor Redak­ti­ons­schluss schrieb ich am Mon­tag­mor­gen unter dem Titel: »SPD – der Nach­ruf« dies: »Es ist – seit Ger­hard Schrö­der die SPD mit Hartz IV und mit dem Krieg gegen Jugo­sla­wi­en an den Abgrund führ­te – der wich­tig­ste Tag in der neue­ren Geschich­te der deut­schen Sozi­al­de­mo­kra­tie. Sie muss ent­schei­den, ob die ›End­los­schlei­fe‹ (Juso­vor­sit­zen­der Kevin Küh­nert) der andau­ern­den gro­ßen Koali­ti­on mit immer weni­ger Wäh­lern sich jetzt zuzieht und die SPD erwürgt.«

Noch bevor am fol­gen­den Sams­tag Ossietzky mit die­sem Arti­kel erschien, war ich Mit­glied die­ser Selbstmordpartei.

Wie konn­te mir das gesche­hen? Am Diens­tag, als mein SPD-Nach­ruf schon in Druck war, lief ich etwas zu hastig zum Brief­ka­sten am Gar­ten­tor. Stol­per­te über eine Stu­fe, fiel. Und knall­te mit mei­ner Stirn auf einen gro­ßen mäch­ti­gen Frosch, den die Mei­ster des Boro­bo­dur aus java­ni­schem Lava­stein gehau­en hat­ten. Blut lief über mein Gesicht.

Wenig spä­ter fand ich mich gepfla­stert auf dem Sofa wie­der, griff – noch etwas ver­wirrt – zur Zei­tung, las, was der Vor­sit­zen­de der Jung­so­zia­li­sten Kevin Küh­nert ver­lang­te: »Tritt ein, sag nein.« Ja, Frosch, der Königs­sohn, Prinz Kevin. Jün­ger als er, min­der­jäh­rig mit 17, war ich schon ein­mal Mit­glied die­ser Par­tei gewe­sen, zehn Jah­re lang. Und trat aus, 1962, wegen des sta­li­ni­sti­schen Kur­ses von Her­bert Weh­ner – er hat­te die Pro­fes­so­ren aus­ge­schlos­sen, die den schon geschass­ten Sozia­li­sti­schen Deut­schen Stu­den­ten­bund (SDS) unter­stütz­ten. Jetzt wie­der rein und Nein zum Kurs des Par­tei­vor­stands? Ich konn­te nicht wider­ste­hen. Ich lief zum Com­pu­ter, und schon am Mitt­woch, kam die Bestä­ti­gung: »Lie­ber Köh­ler, nun gehörst auch Du zu den enga­gier­ten Men­schen, die für Frei­heit, Gleich­heit und Soli­da­ri­tät ein­tre­ten und die Demo­kra­tie in unse­rem Land bele­ben … Wir wün­schen Dir viel Erfolg bei Dei­nem Enga­ge­ment in und mit der SPD.« Und ich soll­te gleich noch einer zwie­lich­ti­gen Ver­ei­ni­gung bei­tre­ten: »Apro­pos Mit­ma­chen: Bist du schon Fan der SPD auf Face­book

Fort­an war ich nur noch der »lie­be Otto« für Olaf Scholz, Andrea Nah­les und für Gene­ral­se­kre­tär Lars Kling­beil, die mir regel­mä­ßig schrie­ben. Mir wur­de mul­mig. Den Lesern von Ossietzky, die ich ver­ra­ten hat­te, bevor auch nur mein Nach­ruf auf die SPD erschien, wag­te ich nicht zu geste­hen, wohin­ein ich da gera­ten war. Aber in der jun­gen Welt, die stets mit auf­rich­ti­ger Besorg­nis am sui­zid­ä­ren Trei­ben der SPD Anteil nimmt, ant­wor­te­te ich mei­nen neu­erwor­be­nen Genos­sen in ins­ge­samt sechs offe­nen Briefen.

Da hat­te etwa mein SPD-Gene­ral­se­kre­tär Lars Klings­beil, mit herz­li­chen Grü­ßen, dem »lie­ben Otto« geschrie­ben: »Unse­re Erneue­rung ist umfas­send. Damit sie erfolg­reich wird, brau­chen wir Dei­ne Unter­stüt­zung, Otto! Ich freue mich, den Pro­zess mit Dir gemein­sam anzugehen.«

Ich ant­wor­te: »Mit mir gemein­sam? Quatsch, Lars. Wor­über sol­len wir denn reden? ›Die Agen­da-2010-Debat­te lang­weilt mich‹, hast Du gera­de erst dem Tages­spie­gel erzählt. Außer­dem warst Du bis zu Dei­ner Wahl zum Gene­ral­se­kre­tär Prä­si­di­ums­mit­glied im ›För­der­kreis Deut­sches Heer e. V. Bonn‹ (FDH) und bist immer noch Prä­si­di­ums­mit­glied des ande­ren gro­ßen Lob­by­ver­bands der Rüstungs­in­du­strie, der ›Deut­schen Gesell­schaft für Wehr­tech­nik‹.« Das war im Juli letz­ten Jah­res. So ging es hin und her. Ange­la, Olaf und Lars schrie­ben mir nach Hau­se, ich ant­wor­te­te in der jun­gen Welt, ver­riet aber nichts den Ossietzky-Lesern. Es war mir zu peinlich.

Aber jetzt ist Schluss. Nah­les schuh­rie­gel­te den Ber­li­ner SPD-Lan­des­ver­band, der die Über­fäl­le von Jugend­of­fi­zie­ren auf Schul­kin­der zwecks »Wer­bung fürs Töten« nicht mehr dul­den woll­te. Und das gehör­te dazu: Die SPD-Mini­ster in der Gro­Ko stimm­ten zu, dass die deut­sche Rüstungs­in­du­strie Antei­le für Waf­fen­trans­por­ter lie­fern darf, die in Frank­reich zusam­men­ge­setzt und an Sau­dis gelie­fert wer­den dür­fen, die sie ein­set­zen und im Jemen Kin­der umbringen.

Ich beschrieb der »lie­ben Andrea« das »gut sozi­al­de­mo­kra­ti­sche« Vor­bild für die­sen gestückel­ten Waf­fen­deal: »Die Sau­dis lösten das Pro­blem der Khash­og­gi-Lei­che in ihrer tür­ki­schen Bot­schaft: Sie zer­stückel­ten sie und brach­ten sie in Tei­len, die einen bestimm­ten Pro­zent­satz nicht über­schrei­ten, heim­lich aus ihrer Bot­schaft. Moham­med bin Sal­man ist ein bes­se­rer Sozi­al­de­mo­krat, als ich es je zu wer­den ver­mag. Und Du, lie­be Andrea«– sie war noch lan­ge nicht gebo­ren, als ich das erste Mal in die SPD ein­trat – »bist es längst auch.«

Mein Brief ende­te: »Sehr geehr­te Frau Nah­les, ich erklä­re mei­nen Aus­tritt aus der Sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei Deutschlands.«

So stand es unüber­seh­bar auf Sei­te 1 der jun­gen Welt vom 4. April. So wur­de es als Aus­tritts­er­klä­rung noch vor Erschei­nen die­ser Aus­ga­be dem SPD-Vor­stand zuge­sandt. Aber für den bin ich immer noch der »lie­be Otto«, die Post von der SPD hört nicht auf. Als wäre ich immer noch Mit­glied die­ser Partei.

Ich bit­te die Leser von Ossietzky, denen ich die­se Affä­re mehr als ein Jahr scham­voll ver­schwie­gen habe: Helft mir hier raus.