Der Ukraine-Krieg ist der gefährlichste Kriegsherd seit 1945, und wieder hat die illusionäre Sozialdemokratie, wie bereits 1914 und 1933, versagt, sich diesem wiederholten Völkergemetzel als potenziell führende, solidarisierenden Kraft im linken Spektrum präventiv entgegenzustellen. Im Gegenteil: Entsprechend der Zeitenwende-Rede von Scholz und seiner angeblichen »Friedenspolitik«, versucht man die Deutschen erneut auf einen aberwitzigen Kriegspfad gegen Russland in Stellung zu bringen und arbeitet daran, neben einem Schulden finanzierten Aufrüstungsprogramm, die Deutschen erneut »kriegstüchtig« zu machen. Zugleich trägt die bisherige Nato-Politik dazu bei, dass die Wirtschaftsboykotte gegen Russland zu galoppierenden Energiekosten und einer Inflation geführt haben, die tiefe Löcher in die Taschen der »Normalverbraucher« reißt. Des Weiteren kommen zigtausende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland, auf Kosten der völlig überforderten Kommunen und der Sozialsysteme der Bevölkerung. Diese Migration wird ergänzt durch Flüchtlinge, aus dem gescheiterten Afghanistankrieg, aus Kriegen in Syrien, Libanon, Libyen, dem Irak, deren leidvolle Fluchtschicksale gleichfalls mit dem desaströsen Vormachtstreben des US-geführten Westens zusammenhängen. Dabei werden Steuerbillionen verschwendet, die beim Ausbau der Sozialstaaten, dem weltweiten Abbau sozialer Spaltungen und der existenziell notwendigen ökologischen Transformation fehlen. Diese verheerende Politik gießt zugleich Wasser auf die Mühlen nationalistischer Rechtsradikaler, die sich überall anschicken, zur politischen Macht zu greifen.
Und welche Worte haben wir aus dem Mund von Kanzler Scholz bei seinem Amtsantritt gehört? »Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widme, seinen Nutzen mehre, Schaden von ihm wende, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahre und verteidige.« Der anschließend erfolgte Verfassungsbruch hat die Glaubwürdigkeitswerte der SPD in den Keller katapultiert und den radikalen Nationalisten einen gefährlichen Zulauf beschert. Und die erneut in die politische Irre geleitete SPD hat bereits jetzt die politische Quittung dafür bekommen: Ihre Wählerzustimmung, seit Hochzeiten von Brandt und Schröder über 35 Prozent, ist bei den jüngsten Europawahlen um weit mehr als die Hälfte abgestürzt! Gleichwohl denken die SPD-Spitze und die Mehrheit ihrer blauäugigen Parteimitglieder offenbar überhaupt nicht daran, endlich eine radikale friedens- und sozialpolitische Kehrtwende einzuleiten.
Woran liegt diese erneute politische Blindheit, trotz aller Warnungen von ehemaligen SPD-Spitzenpolitikern wie Lafontaine, Schröder, von Dohnanyi oder Verheugen und anderer. Was sind die Hauptursachen für die auf dem Kopf stehende Ideologie und Politik dieser Partei, die sich einst auf Marx und Engels berief? Die Antwort ist relativ einfach zu finden: Viele der »Genossen« gehören zu den privilegierten Mittelschichten, sind zur »Arbeiteraristokratie« aufgestiegen oder entstammen bereits solchen Familien. Und sie sind dadurch von nationalistischer Ideologie des westlich-kapitalistischen Herrschaftssystems kontaminiert. Ihnen wurde der Irrglaube in die Gehirne gepflanzt, dass angeblich nur am »demokratischen Wesen« des globalisierten Reformkapitalismus die Welt genesen kann. So versuchen sie, nach dem Motto: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing, untertänig an der angeblich »Werte basierten Weltordnung«, nach westlichem Vorbild mitzuarbeiten. Und diese auf gewaltsamen Regime-Wechseln basierende Kriegspolitik richtet sich erneut gegen Russland, Russland gilt nach wie vor als Reich des Bösen – wie auch China. Das sind von ihren Ursprüngen im 20. Jahrhundert her antiimperialistische und sozialistische Länder, die sich dem westlichen Vormachtstreben »autoritär« widersetzten, um zu versuchen, einen anderen, alternativen Weg des sozialen Wandels zu beschreiten, um die rückständigen Lebensbedingungen ihrer Völker möglichst rasch zu verbessern.
Das USA-Vormachtstreben, mitsamt seiner Billionen-fachen Aufrüstung, widerspricht dagegen diametral dem Geist und Buchstaben der UN-Charta, die gerade deshalb nach 1945 so formuliert und von allen Mitgliedsländern unterschrieben wurde, weil sie das Vormachtstreben eines Landes oder einer Staatengruppe, als Hauptursache beider Weltkriege, für immer verhindern wollte.- Dort heißt es u. a.: Um »künftige Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, (gilt es), die Gleichberechtigung (…) aller Nationen, ob klein oder groß, erneut zu bekräftigen, (um) den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern«.
Dagegen formulierte der amerikanische Präsident Truman bereits 1947 die diametral entgegengesetzte USA-Doktrin, die die Ideologie des »Kalten Krieg« bis in unsere Tage heraufbeschwor und in über 30 »Heiße Kriege« der USA und seiner Verbündeten nach 1945 mündete. Zitat Truman: »Die freien und unabhängigen Staaten rechnen auf unsere Unterstützung. Wenn wir in dieser Führungsrolle zaudern, gefährden wir den Frieden der Welt und schaden der Wohlfahrt unserer eigenen Nation.« Das genaue Gegenteil war und ist der Fall!
Folgende politische Schritte rissen vor allem die SPD und die Grünen, ganz zu schweigen von FDP und CDU/CSU, erneut in die »Kalte-Kriegs-Logik«: 1. Die sofortigen Nato-Osterweiterungen, lange vor den EU-Aufnahmen der einst mit der Sowjetunion verbündeten Staaten. Dies geschah, entgegen den schriftlich protokollierten Zusagen an Gorbatschow und seines friedensstiftenden Beitrages zur Wiedervereinigung. Die Nato-Osterweiterungen, die das Militärbündnis weit über 1000 km nach Osten an die russische Grenze ausdehnten, trugen entscheidend zur Zerstörung der auf Entspannung bauenden Ostpolitik von Willy Brandt bei. So setzte die USA ihre Globalstrategie des »Kalten Krieges« nach 1990 erneut massiv in Richtung Osteuropas fort. 2. Es erfolgte die Kündigung der USA aller wichtigen Abrüstungsverträge mit Russland, insbesondere der Atomwaffenbegrenzungen, und damit die Zerstörung der Kernvereinbarungen der KSZE-Sicherheitsarchitektur. 3. Es erfolgte die massive Unterstützung der Versuche blutiger Regime-Wechsel in vielen ehemaligen Sowjetrepubliken, mit der Ukraine an der Spitze! Das führte schließlich zu einem blutigen Krieg mit Russland, zuvor aber gegen die russischsprachige Bevölkerung in der Ostukraine und einer radikalen Abtrennung von einer über tausendjährigen gemeinsamen Geschichte.
Das »Minsker-Abkommen«, das angeblich eine Kompromisslösung suchte, war bereits unterschriftsreif, wurde aber in letzter Sekunde durch westliche Intervention (Boris Johnson) zurückgepfiffen. Außerdem gestand Frau Merkel später ein, dass es dort nur darum ging, Zeit für die Aufrüstung und die »Kriegstüchtigkeit« der neuen ukrainischen Machthaber zu gewinnen. 4. Schließlich erfolgte die de facto Aufnahme der Ukraine in die Nato, weil sie zur ausschlaggeben Kriegspartei wurde. Jetzt hängt die Ukraine vollständig am Tropf des Westens, ist also dadurch militärisch und finanziell so abhängig wie nie zuvor, obwohl sie ursprünglich radikal nach Unabhängigkeit streben wollte. Das angestrebte, wahnwitzige Ziel der Nato und der Ukraine besteht offenbar darin, Russland durch einen Abnutzungskrieg maximal zu schwächen, um auch dort ein Regime-Wechsel im Sinne des Westens zu erreichen. Es geht der USA geführten Nato darum, alle Staaten, insbesondere die Großmächte Russland und China, die sich ihren Kapitalinteressen nicht vorbehaltlos unterordnen, imperial endgültig niederzuringen.
Das überaus perfide an dieser heutigen Politik gegen Russland ist die demagogische Behauptung, wonach Putin an allem Schuld sei; man vergleicht ihn gar mit Hitler. Man möchte angeblich die Appeasement-Fehler des »Münchener Abkommens« nicht wiederholen und eine Niederlage wie in Afghanistan verhindern. Denn auch diese habe angeblich Putin zu seinem Krieg gegen die Ukraine ermuntert. Was für eine Fehleinschätzung und Selbstbelügung hinsichtlich des eigenen Scheiterns gegen vergleichsweise schlecht bewaffnete Taliban.
Die kürzlich stattgefundene angebliche Friedenskonferenz in der Schweiz plädierte nun für Verhandlungen mit Russland, ohne die Maximalforderungen Selenskyjs im Abschlussdokument zu erwähnen. Bereits im Istanbuler Abkommen hatte man sich auf die militärische Neutralität der Ukraine geeinigt, jedoch auch nicht auf den Rückzug russischer Truppen aus der Ostukraine und der Krim. Inzwischen ist klar, dass die Ukraine nicht die militärischen Ressourcen hat, dies aus eigener Kraft zu erreichen. Vor einer militärischen Eskalation mit eigenen Nato-Truppen schreckt aber die westliche Seite zurück, weil das den Eintritt in den 3. Weltkrieg bedeuten würde. Diese Option ist schon aufgrund innenpolitischer Schwäche weder in den USA, Frankreich, noch Deutschland mehr durchsetzbar. Es bleiben, so schnell wie irgendwie möglich, also noch in diesem Jahr, nur noch Waffenstillstand und der Verhandlungstisch, d.h. Friedensregelungen durch auszuhandelnde Kompromisse auf der Basis der Realitäten, um weitere sinnlose Zerstörungen und das Blutvergießen auf allen Seiten zu beenden und den Weltfrieden nicht weiter zu gefährden. Das blutige Kriegsspiel muss jetzt ein Ende haben!
Es wird endlich Zeit, dass SPD und Grüne ihre illusionäre, auf dem Kopf stehende USA-Politik gründlich revidieren und sich von dem desaströsen USA-Vormachtstreben lösen, um ihre Politik wieder an den Lebensinteressen der deutschen Mehrheitsgesellschaft auszurichten. Es ist nur zu hoffen, dass sich das historische Urteil von Hegel und Marx bewahrheitet: In der Weltgeschichte spielen sich alle größeren Ereignisse zweimal ab – einmal als Tragödie, einmal als Farce…
Und es ist zu hoffen, dass die deutsche Mehrheitsgesellschaft endlich mehr zivilgesellschaftlichen Druck hin zu Friedensverhandlungen ausübt und sich die Kritik von Humboldt an der hiesigen politischen Kultur zu Herzen nimmt: »Die Deutschen brauchen für jede Dummheit 200 Jahre: 100 Jahre, um sie zu begehen und 100 Jahre, um sie einzusehen.« Heine übrigens sah, weitblickend, im Untertanengeist die Hauptursache dafür: »Ein Deutscher gleicht einem Sklaven, der seinem Herrn ohne Seile und Peitsche gehorcht, nur auf sein Wort hin.«