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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Spät, aber lobens- wie lesenswert

Was jetzt hier publi­ziert wird, ist eine Trou­vail­le für die Leser­schaft. Fund­stück als Bezeich­nung war mir zu lasch, so kann man auch einen wie­der­ge­fun­de­nen Regen­schirm defi­nie­ren. Die fran­zö­si­sche Voka­bel aber hat eine Aura, und die prägt das gesam­te Pro­jekt des umtrie­bi­gen Wahl­lon­do­ners Niko Roll­mann, inzwi­schen lebt er wie­der in Ber­lin. Er inter­view­te zwi­schen 1989 und 2016 unter ande­rem drei gera­de noch recht­zei­tig aus dem Hit­ler-Reich nach Eng­land emi­grier­te jüdi­sche Intel­lek­tu­el­le: Frei­mut Schwarz, Fritz Beer, Peter Way­ne. Die auf­ge­zeich­ne­ten Gesprä­che beschrei­ben das Zufluchts­land, bie­ten aber auch Kom­men­ta­re zur ehe­ma­li­gen Hei­mat. Frei­mut Schwarz moniert zum Bei­spiel den Radi­ka­len-Erlass, dem lei­der auch Wil­ly Brandt zuge­stimmt hat­te. Eng­land bleibt nicht unge­scho­ren, Mar­ga­ret That­cher wird wegen ihrer aso­zia­len Poli­tik hart ran­ge­nom­men. Man­che Details ent­beh­ren nicht einer gewis­sen Hei­ter­keit, die den Nazis Ent­kom­me­nen boten den Bri­ten ihre Mit­ar­beit an, die Ver­ant­wort­li­chen wuss­ten nur nicht, wie man das am besten rea­li­sie­ren soll­te. So feg­te der damals schon pro­mi­nen­te Arthur Koest­ler den Boden des Offizierskasinos.

Manch­mal gin­gen ver­schie­de­ne In-stan­zen etwas rup­pig mit dem erfolgs­ver­wöhn­ten Koest­ler um. Ger­hard Zwe­renz saß in den 1966er Jah­ren mit dem Autor des Romans »Die Son­nen­fin­ster­nis« im erlauch­ten Hotel »Baye­ri­scher Hof« zum Inter­view am Swim­ming­pool hoch über Mün­chens Dächern, als ein auf­ge­reg­ter Ange­stell­ter die bei­den Her­ren zum sofor­ti­gen Ver­las­sen des Rau­mes auf­for­der­te. Ger­hard such­te zu ver­mit­teln und ver­wies auf Koest­lers Ruf. Dar­auf die Ant­wort: »Was küm­mert mich Ihr welt­be­rühm­ter Schrift­stel­ler, wenn die eben hier im Haus ein­ge­check­ten Beat­les schwim­men wol­len.« Wobei die vier Pilz­köp­fe ja nichts weni­ger als Dumm­köp­fe waren. Viel­leicht hät­ten sie sogar mit dem inzwi­schen in Lon­don leben­den Koest­ler ein paar Wor­te wech­seln mögen.

Wech­seln muss ich die Per­spek­ti­ve, obwohl es den drei Inter­view­ten nicht an Humor fehlt – Sie sind mit dem Leben davon­ge­kom­men, das den­noch von Tra­gik umdü­stert war. Deut­lich wird das im Gespräch mit Fritz Beer. Roll­mann-Fra­ge: »Wie ste­hen Sie heut­zu­ta­ge zu den Deut­schen?« – »Es ist schwie­rig, dar­über zu reden – weil es etwas anspricht, was nicht bewäl­tigt wer­den kann. Ich habe 27 Mit­glie­der mei­ner Fami­lie im Holo­caust ver­lo­ren. Und ich habe es vom ersten Augen­blick an für mei­ne Auf­ga­be gehal­ten, für die Aus­söh­nung zwi­schen Juden und Deut­schen ein­zu­tre­ten. Es gibt kei­nen ande­ren Aus­weg, als dass die Men­schen. die davon betrof­fen waren, zur Über­win­dung des Has­ses bei­tra­gen.« So arti­ku­liert sich ein Huma­nist. Auch er, wie die bei­den ande­ren Gesprächs­teil­neh­mer, lei­der schon ver­stor­ben. Es ist ihnen so erspart geblie­ben, vom gera­de wie­der auf­flam­men­den Anti­se­mi­tis­mus der zahl­rei­chen Hirn­am­pu­tier­ten auf unse­ren Stra­ßen zu erfahren.

euro­päi­sche ideen, Heft 158: »Lon­do­ner Gesprä­che – Frei­mut Schwarz, Fritz Beer, Peter Way­ne. Auf­ge­zeich­net von Niko Roll­mann«, hrsg.: Andre­as W. Myt­ze, 2020, 36 Sei­ten, 5 €, Bestel­lung über: awmytze@hotmail.com