Der »Republikanische Club – Neues Österreich« ist 1986 als Reaktion auf die so genannte Waldheim-Affäre entstanden. Seither widmet er sich in zahlreichen Veranstaltungen mehr oder weniger linken Themen, insbesondere der Bekämpfung des Antisemitismus und anderer rechtsradikaler Tendenzen. Äußert man den Programmmachern des Republikanischen Clubs gegenüber den Verdacht, dass sie zu den Verfehlungen der Sozialdemokratie ein unkritisches Verhältnis hätten, dass sie de facto eine Auffanginstitution der SPÖ für Bürger links der Mitte sind, wird das heftig abgestritten.
Jetzt lädt der Club mit den folgenden Worten zu einer Diskussion ein: »Die Grazer KPÖ hat einen beachtlichen Wahlerfolg errungen. Kein Analyst nimmt aber an, dass die Grazer/innen der kommunistischen Ideologie nahestehen. Warum also dieser unerwartete Erfolg? Ist der Handlungsspielraum für linke Politik doch größer als angenommen? Wenn ja, könnte auch die SPÖ als historische Arbeiterpartei dieses Potential nützen? Und ist der Austromarxismus eines Otto Bauer oder Max Adler sogar zukunftsweisend?«
Die Fragestellung mutet kurios an. Da wurde eine Repräsentantin der Kommunistischen Partei mit den meisten Wählerstimmen zur Bürgermeisterin gekürt, und der Republikanische Club interessiert sich nicht etwa für die Träger des »unerwarteten Erfolgs«, für die historische Arbeiterpartei KPÖ, sondern für – eben! – die SPÖ. Gern möchte man zurückfragen: Gibt die SPÖ der vergangenen Jahrzehnte Anlass zu der Annahme, sie wolle eine linke Politik betreiben? Hat man von ihren Repräsentanten, darunter immerhin die Bürgermeister der Hauptstadt Wien, jemals vernommen, dass sie, wie die kommunistischen Abgeordneten im Grazer Gemeinderat, auf einen Großteil ihres Gehalts zugunsten von Bedürftigen verzichten? Betreiben sie in der Metropole, die einst als »Rotes Wien« international beachtet wurde, eine Politik der erschwinglichen Mieten, wie es die Grazer Kommunisten seit Jahren tun? Stattdessen hat der frühere sozialdemokratische Bürgermeister Wiens noch vor ein paar Jahren deklariert, ein Ausländer käme ihm nicht in einen Gemeindebau – auf gut deutsch: habe keine Chance, eine kommunale Wohnung zu erhalten. Fordern die SPÖ-Politiker, wie die neue Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr, einen Verzicht auf Dienstwagen? Und welche führenden SPÖ-Politiker haben zu erkennen gegeben, dass sie den Handlungsspielraum eines linken Potentials nützen, dass sie gar in die Fußspuren eines Otto Bauer oder eines Max Adler treten wollen? Fürchten sie nicht vielmehr schon das Wort »Austromarxismus« mehr als der Teufel das Weihwasser?
Warum stellt der Republikanische Club diese Fragen nicht den Spitzenfunktionären der SPÖ? Er weiß wohl warum. Vielleicht könnte Elke Kahr darauf antworten. Übrigens beschwören freundlich gesinnte Journalisten, dass die Politik der Grazer Genossen nichts mit Kommunismus zu tun habe. Mag sein. Aber fragen darf man wohl auch, wenn wir gerade dabei sind, warum Kommunismus für alle Zeiten mit Stalin assoziiert werden muss und nicht mit sozialem Verhalten, und warum im Zusammenhang mit der Sozialdemokratie nur Otto Bauer ins Feld geführt wird und nicht die Gewährung von Kriegskrediten oder das »freudige Ja« eines Karl Renner zum Anschluss Österreichs an Hitlers Deutsches Reich?
»So viele Berichte / So viele Fragen« hat Brechts lesender Arbeiter. Und der Republikanische Club?