Neulich stand die zu Caren Miosga geladene Sahra Wagenknecht Rede und Antwort, soweit dies der von der Gastgeberin eng gehaltene Äußerungsraum gestattete. Wagenknechts Riposten wurden als des Schwurbelns verdächtige Ausflüchte und – wer’s glaubt! – fadenscheinige »Erklärungs«-Versuche abgewürgt und mit Stirnrunzeln quittiert. Wie auch bei anderen Talkmeisterinnen anzutreffen, die den »Richtigen« hingebungsvoll Erleuchtendes ablauschen und im Umspringen mit zu desavouierenden Gästen die harten Saiten aufziehen, nahm Miosgas engagierte, hier nicht im ursprünglichen Wortsinn gemeinte Moderation den Gebrauch ungehörigen Vokabulars und Indizien für Personenkult, typisch für rechtsextremen Populismus, ins Visier. Gesetzt wurden die Gesprächsimpulse in der Manier der bekannten Aufforderung, »es doch endlich zuzugeben«: »Haben Sie nun aufgehört, Ihre Frau zu schlagen? Antworten Sie nur mit ja oder nein!« Entsprechende Schwerpunkte waren zum einen Wagenknechts »einzigartiger« und somit suspekter Devotionalienklimbim, eine Bagatelle, die auch der Angeklagten ein bisschen peinlich zu sein schien. Für eine Gesprächsführung ad feminam eignete es sich aber und wurde somit weidlich ausgewalzt. Es galt eben, die Person in Misskredit zu bringen, und mit dieser auch deren Sache. Von dieser sollte nach Miosgas Bestreben zum anderen nur Skandalisierbares übrigbleiben, also: die Schmähung »Vasallenkanzler«. Das sagt, und da konnte die Vermessene noch so viel reden, doch schon alles. Sie ist eben des Ungeistes Kind. Ganz offensichtlich handelt es sich bei ihr um eine eitle, unglaubwürdige Gschaftlhuberin, die uns ihr wahnhaftes, jeden Anstands bares »Politikverständnis« andrehen will. Was zu beweisen war.
Dieser Kommentar bricht keine Lanze (und auch keinen Lanz) für Wagenknecht. Ausführlich ist er deshalb, weil die Show repräsentativ ist: Das (post-)moderne Axiom, es gäbe Wirklichkeit nur als Rede von ihr, bedient sich zur Bewertung von Aussagen der Suche nach Signal-, Reiz- oder »Flaggenwörtern« (Clemens Knobloch). Vom Kontext recht unabhängig, mehr oder weniger verräterisch, jedenfalls aber ziemlich zuverlässig zeigten diese an, ob jemand unsere Auffassung teilt, die schon deshalb stimmt, weil wir sie haben; wäre sie falsch, so hätten wir sie ja auch nicht (alles Klärchen). Ein solcher Standpunkt interessiert sich vordringlich dafür, ob jemand mit uns übereinstimmt oder »einer von denen« ist, und wenig dafür, was der Verwender eines Wortes oder einer Phrase mit ihnen im Zusammenhang meint.
Es gibt viele Wörter, die weltanschaulich »schmecken« oder nicht. Beispielsweisedauert die Diskussion darüber an, ob das Wort »Heimat« heute noch guten Gewissens verwendet werden kann/darf. Es gibt noch viele Wörter, an deren An-und-für-sich-Gebrauch eine Einstellung nicht einfach abzulesen ist und um deren »Besetzung« = Vereindeutigung deshalb gerungen wird. Sagt man »Schwule« – ist man mit diesem Ausdruck nun für oder gegen sie? Und wie heißt es richtig: »Behinderte«, »Beeinträchtigte«, »Eingeschränkte«, »Andersbegabte«? Nicht jede Person, die statt vom »Geben menschlicher Milch durch den Elternteil« von »Bruststillen« redet, ist damit sexistisch oder exkludierend. Nicht jede Person, die im Supermarkt keine »Mohrenköpfe« findet, hasst »persons of colour«. Vielleicht ist sie nur auf sprachlich veraltetem Stand, wie jemand, dem/der eben noch nicht aufgefallen ist, welche Assoziationen z. B. die Redewendung »Durch den Rost fallen« hat.
Umgekehrt verhindert die Verwendung von »Flüchtenden« anstelle von »Asylanten« keinesfalls Ausländerhetze, und rassistische Aussagen sind auch mit dem Gebrauch von »Ethnie« anstatt von »Rasse« ohne weiteres möglich. Sicher gibt es viele Wörter, die eindeutig negativ konnotiert sind und deshalb nicht für uns stehen können/dürfen. So gibt es einen »Imperialismus«, dessen sich Deutschland rühmen würde, bei uns, die wir nur berechtigte Verteidigungsinteressen haben, grundsätzlich nicht, dafür aber umso mehr bei Russland, und »faschistisch« ist dieses, im Gegensatz zur Ukraine, mittlerweile auch. Hier in Kauf zu nehmendes Schädliches wird entweder positiv klingend ausgedrückt, z. B. als Wahrnehmung von »Selbstverantwortung«, oder erhält, wie im Falle von Kriegstüchtigkeit, dem Wort von 2024, mit Verweis auf höherwertiges Gutes, auf unser aller Freiheit, seinen guten Grund.
Schlägt man die Zeitung auf, so tritt dem Leser (Pardon, der lesenden Person) das Dräuen gesellschaftlicher Spaltung vor Augen. Die Prophylaxe erwünschter Einigkeit und Einheit wird auf dem Markt der Meinungen, so paradox es klingt, durch verantwortungsbewusste Medien (wenn auch nicht nur, aber eben auch durch sie) mit (Satz-)Spaltungen in signifikante Textbausteine hergestellt. Das Abklopfen auf akzeptablen Ausdruck, das Stummeldeutsch zur analytischen Tugend macht, gestattet es, im Schnelldurchlauf Böcke von Schafen scheiden zu können. Damit ist klar: Worin z. B. »Imperialismus« vorkommt, das ist gut oder böse – je nachdem, wohin die Strahlung weht. Ganz gleich was vor und nach dem Wort kommt, das schon alles sagt: mehr braucht man nicht zu wissen. Mit Schibboleths unterhakt es sich besser. Darauf ein zünftiges bajuwarisches »Oachkatzlschwoaf«.