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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Signalwörter

Neu­lich stand die zu Caren Mios­ga gela­de­ne Sahra Wagen­knecht Rede und Ant­wort, soweit dies der von der Gast­ge­be­rin eng gehal­te­ne Äuße­rungs­raum gestat­te­te. Wagen­knechts Ripo­sten wur­den als des Schwur­belns ver­däch­ti­ge Aus­flüch­te und – wer’s glaubt! – faden­schei­ni­ge »Erklärungs«-Versuche abge­würgt und mit Stirn­run­zeln quit­tiert. Wie auch bei ande­ren Talk­mei­ste­rin­nen anzu­tref­fen, die den »Rich­ti­gen« hin­ge­bungs­voll Erleuch­ten­des ablau­schen und im Umsprin­gen mit zu des­avou­ie­ren­den Gästen die har­ten Sai­ten auf­zie­hen, nahm Mios­gas enga­gier­te, hier nicht im ursprüng­li­chen Wort­sinn gemein­te Mode­ra­ti­on den Gebrauch unge­hö­ri­gen Voka­bu­lars und Indi­zi­en für Per­so­nen­kult, typisch für rechts­extre­men Popu­lis­mus, ins Visier. Gesetzt wur­den die Gesprächs­im­pul­se in der Manier der bekann­ten Auf­for­de­rung, »es doch end­lich zuzu­ge­ben«: »Haben Sie nun auf­ge­hört, Ihre Frau zu schla­gen? Ant­wor­ten Sie nur mit ja oder nein!« Ent­spre­chen­de Schwer­punk­te waren zum einen Wagen­knechts »ein­zig­ar­ti­ger« und somit suspek­ter Devo­tio­na­li­en­klim­bim, eine Baga­tel­le, die auch der Ange­klag­ten ein biss­chen pein­lich zu sein schien. Für eine Gesprächs­füh­rung ad femi­nam eig­ne­te es sich aber und wur­de somit weid­lich aus­ge­walzt. Es galt eben, die Per­son in Miss­kre­dit zu brin­gen, und mit die­ser auch deren Sache. Von die­ser soll­te nach Mios­gas Bestre­ben zum ande­ren nur Skan­da­li­sier­ba­res übrig­blei­ben, also: die Schmä­hung »Vasal­len­kanz­ler«. Das sagt, und da konn­te die Ver­mes­se­ne noch so viel reden, doch schon alles. Sie ist eben des Ungei­stes Kind. Ganz offen­sicht­lich han­delt es sich bei ihr um eine eit­le, unglaub­wür­di­ge Gschaftl­hu­be­rin, die uns ihr wahn­haf­tes, jeden Anstands bares »Poli­tik­ver­ständ­nis« andre­hen will. Was zu bewei­sen war.

Die­ser Kom­men­tar bricht kei­ne Lan­ze (und auch kei­nen Lanz) für Wagen­knecht. Aus­führ­lich ist er des­halb, weil die Show reprä­sen­ta­tiv ist: Das (post-)moderne Axi­om, es gäbe Wirk­lich­keit nur als Rede von ihr, bedient sich zur Bewer­tung von Aus­sa­gen der Suche nach Signal-, Reiz- oder »Flag­gen­wör­tern« (Cle­mens Knob­loch). Vom Kon­text recht unab­hän­gig, mehr oder weni­ger ver­rä­te­risch, jeden­falls aber ziem­lich zuver­läs­sig zeig­ten die­se an, ob jemand unse­re Auf­fas­sung teilt, die schon des­halb stimmt, weil wir sie haben; wäre sie falsch, so hät­ten wir sie ja auch nicht (alles Klär­chen). Ein sol­cher Stand­punkt inter­es­siert sich vor­dring­lich dafür, ob jemand mit uns über­ein­stimmt oder »einer von denen« ist, und wenig dafür, was der Ver­wen­der eines Wor­tes oder einer Phra­se mit ihnen im Zusam­men­hang meint.

Es gibt vie­le Wör­ter, die welt­an­schau­lich »schmecken« oder nicht. Bei­spiels­wei­se­dau­ert die Dis­kus­si­on dar­über an, ob das Wort »Hei­mat« heu­te noch guten Gewis­sens ver­wen­det wer­den kann/​darf. Es gibt noch vie­le Wör­ter, an deren An-und-für-sich-Gebrauch eine Ein­stel­lung nicht ein­fach abzu­le­sen ist und um deren »Beset­zung« = Ver­eindeu­ti­gung des­halb gerun­gen wird. Sagt man »Schwu­le« – ist man mit die­sem Aus­druck nun für oder gegen sie? Und wie heißt es rich­tig: »Behin­der­te«, »Beein­träch­tig­te«, »Ein­ge­schränk­te«, »Anders­be­gab­te«? Nicht jede Per­son, die statt vom »Geben mensch­li­cher Milch durch den Eltern­teil« von »Brust­stil­len« redet, ist damit sexi­stisch oder exklu­die­rend. Nicht jede Per­son, die im Super­markt kei­ne »Moh­ren­köp­fe« fin­det, hasst »per­sons of colour«. Viel­leicht ist sie nur auf sprach­lich ver­al­te­tem Stand, wie jemand, dem/​der eben noch nicht auf­ge­fal­len ist, wel­che Asso­zia­tio­nen z. B. die Rede­wen­dung »Durch den Rost fal­len« hat.

Umge­kehrt ver­hin­dert die Ver­wen­dung von »Flüch­ten­den« anstel­le von »Asy­lan­ten« kei­nes­falls Aus­län­der­het­ze, und ras­si­sti­sche Aus­sa­gen sind auch mit dem Gebrauch von »Eth­nie« anstatt von »Ras­se« ohne wei­te­res mög­lich. Sicher gibt es vie­le Wör­ter, die ein­deu­tig nega­tiv kon­no­tiert sind und des­halb nicht für uns ste­hen können/​dürfen. So gibt es einen »Impe­ria­lis­mus«, des­sen sich Deutsch­land rüh­men wür­de, bei uns, die wir nur berech­tig­te Ver­tei­di­gungs­in­ter­es­sen haben, grund­sätz­lich nicht, dafür aber umso mehr bei Russ­land, und »faschi­stisch« ist die­ses, im Gegen­satz zur Ukrai­ne, mitt­ler­wei­le auch. Hier in Kauf zu neh­men­des Schäd­li­ches wird ent­we­der posi­tiv klin­gend aus­ge­drückt, z. B. als Wahr­neh­mung von »Selbst­ver­ant­wor­tung«, oder erhält, wie im Fal­le von Kriegs­tüch­tig­keit, dem Wort von 2024, mit Ver­weis auf höher­wer­ti­ges Gutes, auf unser aller Frei­heit, sei­nen guten Grund.

Schlägt man die Zei­tung auf, so tritt dem Leser (Par­don, der lesen­den Per­son) das Dräu­en gesell­schaft­li­cher Spal­tung vor Augen. Die Pro­phy­la­xe erwünsch­ter Einig­keit und Ein­heit wird auf dem Markt der Mei­nun­gen, so para­dox es klingt, durch ver­ant­wor­tungs­be­wuss­te Medi­en (wenn auch nicht nur, aber eben auch durch sie) mit (Satz-)Spal­tun­gen in signi­fi­kan­te Text­bau­stei­ne her­ge­stellt. Das Abklop­fen auf akzep­ta­blen Aus­druck, das Stum­mel­deutsch zur ana­ly­ti­schen Tugend macht, gestat­tet es, im Schnell­durch­lauf Böcke von Scha­fen schei­den zu kön­nen. Damit ist klar: Wor­in z. B. »Impe­ria­lis­mus« vor­kommt, das ist gut oder böse – je nach­dem, wohin die Strah­lung weht. Ganz gleich was vor und nach dem Wort kommt, das schon alles sagt: mehr braucht man nicht zu wis­sen. Mit Schib­bo­leths unter­hakt es sich bes­ser. Dar­auf ein zünf­ti­ges baju­wa­ri­sches »Oach­katzlsch­wo­af«.