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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Sicherheitsrisiko Kiesewetter

Anfang Febru­ar hat der CDU-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Rode­rich Kie­se­wet­ter wäh­rend eines Auf­ent­hal­tes in der Ukrai­ne der Jour­na­li­stin Kat­ja Thei­se im Auf­trag der Deut­schen Wel­le ein Inter­view gege­ben, das es in sich hat­te. Auch wenn Kie­se­wet­ter bereits zuvor beim ein­ge­üb­ten Kanon mit sei­nen Bun­des­tags­kol­le­gen Agnes Strack-Zim­mer­mann, Micha­el Roth und Anton Hof­rei­ter eine stets ver­läss­lich kraft­vol­le Stim­me im bel­li­zi­sti­schen Lied­gut gege­ben hat, so über­rascht sein kriegs­be­gei­ster­ter Sound dies­mal doch gewal­tig. Was von ihm wohl auch genau­so beab­sich­tigt sein dürf­te. Auf die Fra­ge, wel­che Fol­gen es für die Ukrai­ne haben könn­te, »wenn die USA kei­ne Hil­fe mehr für die Ukrai­ne lei­sten«, ant­wor­tet Kie­se­wet­ter: »Die Alter­na­ti­ve, wenn die Ukrai­ne es nicht schaf­fen wür­de, wäre furcht­bar. Mil­lio­nen Ukrai­ne­rin­nen und Ukrai­ner wür­den das Land ver­las­sen, sie wür­den den Zusam­men­halt der euro­päi­schen Staa­ten gefähr­den. Sie wür­den aber zei­gen, dass der Westen nicht in der Lage ist, einem Dik­ta­tor wie Putin, der Hun­dert­tau­sen­de sei­ner eige­nen Sol­da­ten sinn­los opfert in einem furcht­ba­ren Blut­ver­gie­ßen, Ein­halt zu gebie­ten. Der Krieg muss nach Russ­land getra­gen wer­den. Rus­si­sche Mili­tär­ein­rich­tun­gen und Haupt­quar­tie­re müs­sen zer­stört wer­den. (…) Es wird an der Zeit, dass die rus­si­sche Bevöl­ke­rung begreift, dass sie einen Dik­ta­tor hat, der die Zukunft Russ­lands opfert, (…), dass dies ein Land ist, das im Grun­de genom­men den Krieg in die Welt trägt, statt eine Frie­dens­macht zu wer­den.« Kie­se­wet­ter unter­mi­niert damit ganz unver­fro­ren die noch immer (auch ihn) recht­lich bin­den­den Bestim­mun­gen des Frie­dens­ge­bo­tes des Grund­ge­set­zes und der UN-Char­ta, wonach neben mili­tä­ri­schen Maß­nah­men zwangs­läu­fig immer auch sol­che bemüht wer­den müs­sen, die auf Diplo­ma­tie aus­ge­rich­tet sind. Die­ses frie­dens­för­dern­de und frie­dens­er­hal­ten­de Para­dig­ma ist den bit­te­ren Erfah­run­gen der bei­den Welt­krie­ge mit sei­nen Aber­mil­lio­nen Toten geschul­det und getra­gen von der Hoff­nung, dass es nie wie­der zu einer wie auch immer gear­te­ten natio­na­len Groß­manns­sucht kom­men wird, die die Welt in deut­scher Manier noch ein­mal an ihren Abgrund füh­ren könn­te. Kie­se­wet­ter scheint indes kei­nen gro­ßen Wert auf der­ar­ti­ge Hand­lungs­ma­xi­men zu legen und fin­det sich dabei lei­der in erlauch­ter Gesell­schaft. So haben der Histo­ri­ker Her­fried Mün­k­ler und der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Car­lo Masa­la gera­de in einem Gespräch mit der Süd­deut­schen Zei­tung Fra­gen nach dem Kon­zept einer »mas­si­ven Ver­gel­tung« (Masa­la) und einer »eige­nen nuklea­ren Abschreckung« (Mün­k­ler) für Euro­pa auf­ge­wor­fen. Zeit­gleich wird auf der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz der von Russ­land syste­ma­tisch betrie­be­nen Ermor­dung des rus­si­schen Oppo­si­ti­ons­po­li­ti­kers Alex­ei Nawal­nys gedacht und dabei geflis­sent­lich ver­schwie­gen, dass doch gera­de er es war, der vor Regime Chan­ge-Fan­ta­sien gegen­über Russ­land gewarnt hat. So erklär­te er im Sep­tem­ber 2022 in einem Inter­view in der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung fol­gen­des: »Die Gesamt­stra­te­gie muss dar­auf zie­len, dass Russ­land und sei­ne Regie­rung von sich aus und ohne Zwang nie­mals wie­der Krie­ge begin­nen wol­len oder Krieg attrak­tiv fin­den. Das ist sicher mög­lich. Im Augen­blick kommt der Impuls zur Aggres­si­on von einer blo­ßen Min­der­heit in der Gesell­schaft. Mei­nes Erach­tens liegt das Pro­blem die­ser west­li­chen Tak­tik nicht in den vagen For­mu­lie­run­gen, son­dern dar­in, dass sie eine Fra­ge igno­riert: Wie wird Russ­land aus­se­hen, wenn die erklär­ten Zie­le die­ser Stra­te­gie erreicht sind? Könn­te es sein, dass die Welt es bei einer erfolg­rei­chen Durch­set­zung die­ser tak­ti­schen Zie­le am Ende mit einem noch aggres­si­ve­ren Regime in Russ­land zu tun haben wird?« Anstatt nun wäh­rend der Münch­ner Sicher­heits­kon­fe­renz die Trau­er um Nawal­nys Tod zu instru­men­ta­li­sie­ren, um eine gren­zen­lo­se Aus­wei­tung von Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne zu recht­fer­ti­gen und damit Russ­land mili­tä­risch in die Knie zu zwin­gen, soll­te sei­ne Visi­on einer Ver­än­de­rung Russ­lands von innen ernst genom­men wer­den, um damit ein wür­di­ges Andenken an ihn zu bewah­ren. Die Ant­wort dar­auf kann des­halb nicht ein rein mili­tä­ri­sches Han­deln sein, son­dern muss auch ein eben­bür­ti­ges diplo­ma­ti­sches Rin­gen um nicht-mili­tä­ri­sche Optio­nen beinhal­ten. Womit sich die Mäch­ti­gen die­ser Welt auch wie­der den Anfän­gen der 1963 gegrün­de­ten und damals noch »Inter­na­tio­na­le Wehr­kun­de-Begeg­nung« genann­ten Kon­fe­renz annä­hern wür­den. Schließ­lich wur­de sie doch von dem Wider­stands­kämp­fer Ewald-Hein­rich von Kleist-Schmen­zin gegrün­det, um mili­tä­ri­sche Kon­flik­te künf­tig zu ver­hin­dern. Rode­rich Kie­se­wet­ter hin­ge­gen tritt mit sei­nen kriegs­be­gei­stern­den Äuße­run­gen sol­che Bestre­bun­gen mit Füßen und ruft damit ganz unver­hoh­len zu den Krieg nach Russ­land tra­gen­den Straf­ta­ten gem. § 111 StGB (öffent­li­che Auf­for­de­rung zu Straf­ta­ten) auf. Der Staats­an­walt­schaft Bonn, die für den Sitz der Deut­schen Wel­le zustän­dig ist, wur­de des­halb eine Straf­an­zei­ge gegen Kie­se­wet­ter vor­ge­legt, um sei­ne sicher­heits­ge­fähr­den­den Kriegs­fan­ta­sien unter straf- und ver­fas­sungs­recht­li­chen Aspek­ten über­prü­fen zu las­sen, denn »Krieg ist (nicht) Frie­den«, Herr Kie­se­wet­ter, da hät­ten Sie Geor­ge Orwell dann doch gründ­lich missverstanden!