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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Schwitters Ursonate

Kurt Schwit­ters Urso­na­te konn­ten wir in einer Bear­bei­tung im Deut­schen Thea­ter sehen, lei­der nicht in der Oper, aber das gehört nicht hierher.

Zuerst, das ist nicht zu leug­nen, den mei­sten im Publi­kum hat es gefal­len, auch die kom­pe­ten­ten Damen lob­ten Tanz und Gesang. Es wur­de sich gut unterhalten.

Ein erstes Anzei­chen, dass viel­leicht doch nicht alles gut war, tauch­te im anschlie­ßen­den Lokal­be­such auf: Das Stück war nur kurz The­ma, dann fer­tig. Gelobt wur­de die dar­stel­le­ri­sche Lei­stung, und das war’s dann schon.

Ver­irrt man sich, wie vie­le, denen es zuhau­se nicht gefällt und die des­we­gen nach Höhe­rem stre­ben, in die Ber­li­ni­sche Gale­rie, Muse­um für moder­ne Kunst, fin­det man im Par­terre viel Edvard Munch. Hat man danach noch nicht genug, emp­fiehlt sich ein Stock höher der Raum, der DADA beher­bergt. Dort gleich das erste Pla­kat links! Da lesen wir: DADA ist die wil­lent­li­che Zer­set­zung der bür­ger­li­chen Begriffswelt.

Und dann dar­un­ter: DADA steht auf Sei­ten des revo­lu­tio­nä­ren Proletariats.

Über­ge­hen wir die Fra­gen nach dem unpo­li­ti­schen DADA, und der Bezie­hung Schwit­ters zu Dada, son­dern fra­gen: Auf wel­cher Sei­te steht die Insze­nie­rung? Wen spricht sie wie an, dann macht sich etwas Miss­fal­len breit.

Schät­ze, das Publi­kum kennt den Scat (Gesang) aus dem Jazz, kennt »How High the Moon«, gesun­gen von Ella Fitz­ge­rald – ganz wun­der­bar –, kennt das alles und viel mehr, und genießt die Show, die auf der Büh­ne des Deut­schen Thea­ters gebo­ten wird – und wun­dert sich nicht, fühlt kei­ne Pro­vo­ka­ti­on und bleibt mit der waf­fen­ex­por­tie­ren­den und kriegs­be­für­wor­ten­den Regie­rung im Einklang.

Kein Miss­klang war zu hören, das lag natür­lich an der zwar etwas simp­len, meist mit­rei­ßen­den Musik, die Schwit­ters Urso­na­te unter­legt wur­de. Fast wie in der Fernsehshow …

Nach­dem es vor dem Thea­ter einen ein­lei­ten­den Vor­trag gab, in dem auch Schwit­ters Laut­bil­dungs-Tech­nik erklärt wur­de, kam das einem mir frem­den Mann neben mir vor, und mir, als wür­de das an die 12-Ton-Tech­nik von Arnold Schön­berg erinnern.

Gro­ße Kunst hät­te der Abend wer­den kön­nen, wenn das Stück ent­spre­chend ver­tont wor­den wäre, wenn man es denn schon ver­tont. Wenn nicht, hät­te man einen revo­lu­tio­nä­ren DADA-Abend dar­aus machen kön­nen, schließ­lich liegt 1914 nicht unbe­dingt nur hin­ter uns?!

Aber ist das vor­stell­bar? Natür­lich nicht. Die Spie­gel­gas­se ist nicht wie­der­zu­er­ken­nen, das Caba­ret Vol­taire gibt es zwar noch, aber Lenin wohnt dort nicht mehr. Des­sen 100. Todes­tag nähert sich in gro­ßen Schrit­ten, aber wer war das nun wieder?