Kurt Schwitters Ursonate konnten wir in einer Bearbeitung im Deutschen Theater sehen, leider nicht in der Oper, aber das gehört nicht hierher.
Zuerst, das ist nicht zu leugnen, den meisten im Publikum hat es gefallen, auch die kompetenten Damen lobten Tanz und Gesang. Es wurde sich gut unterhalten.
Ein erstes Anzeichen, dass vielleicht doch nicht alles gut war, tauchte im anschließenden Lokalbesuch auf: Das Stück war nur kurz Thema, dann fertig. Gelobt wurde die darstellerische Leistung, und das war’s dann schon.
Verirrt man sich, wie viele, denen es zuhause nicht gefällt und die deswegen nach Höherem streben, in die Berlinische Galerie, Museum für moderne Kunst, findet man im Parterre viel Edvard Munch. Hat man danach noch nicht genug, empfiehlt sich ein Stock höher der Raum, der DADA beherbergt. Dort gleich das erste Plakat links! Da lesen wir: DADA ist die willentliche Zersetzung der bürgerlichen Begriffswelt.
Und dann darunter: DADA steht auf Seiten des revolutionären Proletariats.
Übergehen wir die Fragen nach dem unpolitischen DADA, und der Beziehung Schwitters zu Dada, sondern fragen: Auf welcher Seite steht die Inszenierung? Wen spricht sie wie an, dann macht sich etwas Missfallen breit.
Schätze, das Publikum kennt den Scat (Gesang) aus dem Jazz, kennt »How High the Moon«, gesungen von Ella Fitzgerald – ganz wunderbar –, kennt das alles und viel mehr, und genießt die Show, die auf der Bühne des Deutschen Theaters geboten wird – und wundert sich nicht, fühlt keine Provokation und bleibt mit der waffenexportierenden und kriegsbefürwortenden Regierung im Einklang.
Kein Missklang war zu hören, das lag natürlich an der zwar etwas simplen, meist mitreißenden Musik, die Schwitters Ursonate unterlegt wurde. Fast wie in der Fernsehshow …
Nachdem es vor dem Theater einen einleitenden Vortrag gab, in dem auch Schwitters Lautbildungs-Technik erklärt wurde, kam das einem mir fremden Mann neben mir vor, und mir, als würde das an die 12-Ton-Technik von Arnold Schönberg erinnern.
Große Kunst hätte der Abend werden können, wenn das Stück entsprechend vertont worden wäre, wenn man es denn schon vertont. Wenn nicht, hätte man einen revolutionären DADA-Abend daraus machen können, schließlich liegt 1914 nicht unbedingt nur hinter uns?!
Aber ist das vorstellbar? Natürlich nicht. Die Spiegelgasse ist nicht wiederzuerkennen, das Cabaret Voltaire gibt es zwar noch, aber Lenin wohnt dort nicht mehr. Dessen 100. Todestag nähert sich in großen Schritten, aber wer war das nun wieder?