Es gibt sie noch: die vom Aussterben bedrohte Art des »kritischen Intellektuellen«. In einem bemerkenswerten Gastbeitrag für den Spiegel hat der renommierte deutsche Soziologe Hartmut Rosa kürzlich einen ebenso besonnenen wie bedrückenden Text zum Ukrainekrieg vorgelegt. Darin erklärt er schlüssig, dass und warum die nun – »Zeitenwende« – in Gang gesetzte Aufrüstungsspirale Wladimir Putin zum Sieger macht. Das jetzt allenthalben geforderte »Ende aller Kooperation mit dem Gegner« gibt im Grunde alles preis, wofür der Westen vorgeblich steht.
Natürlich, räumt auch Rosa ein, sind »Putins Panzer nicht mit Worten und Sonnenblumen, auch nicht mit Verhandlungsangeboten zu stoppen«. Es gibt ein Recht auf Selbstverteidigung, und es wäre tatsächlich zynisch, aus »gut beheizten Bürostuben und Hörsälen« heraus zu verlangen, dieses Recht gegen einen bewaffneten Gegner gefälligst unbewaffnet auszuüben. Wer aber daraus folgert, in dieser Situation sei es das ethisch einzig Richtige, auf Gewalt zu setzen, »der spielt schon Putins Spiel«.
Nein, der Ukraine auch mit Waffenlieferungen beizustehen, mag richtig sein. Wir sollten uns dabei aber dringend bewusst machen, dass wir uns damit in eine Art »Gefangenendilemma« begeben, in ein »ethisches Dilemma existenzieller Tragweite« – das uns unweigerlich schuldig werden lässt.
Wer einen solchen »barbarischen Rückfall« dazu nutzt, »flugs ein neues Zeitalter der Gewaltmittel auszurufen«, macht sich dem Gegner gleich und führt uns – absehbar – in die Katastrophe: militärisch, politisch, sozial, ökologisch.
Ohne Pazifismus und einen den Geboten jeder Vernunft folgenden Ökohumanismus (siehe Ossietzky 9/2022) wird die Zukunft der Menschheit eine kurze sein.